Süddeutsche Zeitung

Autogipfel:Angst vor der "industriellen Wüste" 

Lesezeit: 2 min

Die IG Metall fordert schnelle Hilfen, damit die Schlüsselbranche Deutschlands nicht bald den Anschluss verliert. Es könnte um viele Milliarden Euro gehen.

Von Markus Balser, Berlin

Schon die Gästeliste des Gipfels machte klar, um wie viel es für Branche und Politik am Mittwoch in Berlin ging: Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) hatte zum Autogipfel mit Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD), Wirtschaftsminister Peter Altmaier und Forschungsministerin Anja Karliczek (beide CDU) gleich vier Kabinettsmitglieder eingeladen. Daneben fuhren Vertreter der Autoländer Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, der Vorstandschef der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, und Vertreter von Verbänden, Gewerkschaften, Autokonzernen und Zulieferern vor.

Schon die Vorbereitung von Entscheidungen ist Politik und Lobbyisten in der Regel Pressekonferenzen wert. Am Mittwoch aber war das anders. Die Beteiligten wollten lieber unter sich bleiben. Als zu sensibel empfindet die Runde das Thema. Denn Deutschlands größte Branche steht vor einem radikalen Umbruch. Digitalisierung und der Zwang zu neuen Antriebsformen krempeln die Industrie komplett um. Der Autoverband VDA rechnet damit, dass im Zuge des Umstiegs auf Elektroautos allein im Bereich des Antriebsstrangs bis 2030 zwischen 80 000 und 90 000 Stellen in der Branche wegfallen könnten.

So war es nicht überraschend, dass nach dem Spitzentreffen Gewerkschaften schnelle Schritte der Politik forderten, um den Umbau der Branche zu erleichtern. IG-Metall-Chef Jörg Hofmann erwartet zum Beispiel "in Kürze konkrete Ergebnisse" zur Frage, wie sich Mitarbeiter qualifizieren lassen und sich Kurzarbeit erleichtern lässt. Man habe darüber gesprochen, wie man die Mobilitätswende schaffen könne, "ohne dass Beschäftigte unter die Räder kommen", und ohne "industrielle Wüsten" in Regionen, die stark vom Verbrennungsmotor abhängen, sagte er. "Kurzfristig heißt für mich nicht Monate", fügte Hofmann hinzu. VDA-Vizepräsident Arndt Kirchhoff, sagte, es gehe darum, wie die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Deutschland gehalten werden könne. Dazu müssten Mitarbeiter für neue Jobs qualifiziert werden. Es gehe nicht um Milliardenhilfen, sondern darum, die richtigen Maßnahmen zu ergreifen. In einem Positionspapier von VDA, Gesamtmetall und IG Metall zum Treffen wird angemahnt, es sei notwendig, auch in Zukunft eine wettbewerbsfähige, innovative und beschäftigungsstarke Industrie in Deutschland zu haben. Werde wie gewünscht das Kurzarbeitergeld erleichtert, müsse die Regierung schnell handeln, weil im ersten Quartal viele Unternehmen Entscheidungen träfen. Ein Fonds könnte Zulieferern den Zugang zu Eigen- oder Fremdkapital erleichtern, heißt es in dem Papier der Verbände und der IG Metall, das der Nachrichtenagentur dpa vorlag. Aus den Ländern waren bereits zuvor Milliardenforderungen laut geworden. "Der Bund gibt 40 Milliarden für den Kohleausstieg, von derart mutigen Investitionen in die Sicherung unserer zentralen Zukunftstechnologien ist dagegen wenig zu hören", warnte etwa Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU).

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4758020
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 16.01.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.