Süddeutsche Zeitung

Atomkraftwerk:AKW Fessenheim wird abgeschaltet

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Von Leo Klimm, Paris

Nach jahrelangen Verzögerungen wird das umstrittene französische Atomkraftwerk Fessenheim bis Sommer 2020 vollständig stillgelegt. Der Betreiber EDF teilte am Montag mit, er habe bei Frankreichs Regierung und der Atomaufsicht einen "Antrag zur Aufhebung der Betriebserlaubnis" für die beiden direkt an der Grenze zu Baden-Württemberg gelegenen Reaktoren gestellt. Der erste Meiler soll am 22. Februar, der zweite am 30. Juni nächsten Jahres endgültig abgeschaltet werden.

Der EDF-Konzern lässt sich dafür von seinem Haupteigner, dem Staat, mit hohen Beträgen entschädigen: Er erhält 400 Millionen zum Ausgleich von Kosten, die durch die Stilllegung entstehen - etwa für den Rückbau des Kraftwerks oder die Umschulung der Mitarbeiter. Das AKW Fessenheim zählt etwa 2000 Beschäftigte. Eine weitere, nicht bezifferbare Summe wird für entgangene Gewinne fällig: In Anlehnung an die Entwicklung des Marktpreises für Strom erhält EDF bis 2041 Ausgleichszahlungen. So lange hätte Fessenheim nach französischem Recht theoretisch betrieben werden können.

In der Praxis allerdings häuften sich bei Frankreichs ältestem Atomkraftwerk - es ist seit 1977 am Netz - in den vergangenen Jahren durch Mängel bedingte Abschaltzeiten. Umweltaktivisten verlangten schon lange die Stilllegung der Reaktoren; auch die Bundesregierung forderte das unter Hinweis auf Sicherheitsrisiken immer wieder. Frankreichs damaliger Präsident François Hollande hatte einst zugesagt, Fessenheim 2016 vom Netz zu nehmen - und brach das Versprechen. Später kündigte der gegenwärtige Staatschef Emmanuel Macron die Schließung für 2020 an - nun erscheint sie unumkehrbar. EDF hatte ursprünglich das Aus für Fessenheim mit der Betriebsaufnahme eines neuartigen Druckwasserreaktors in Flamanville in der Normandie verknüpft. Diese Bedingung musste EDF fallen lassen, weil sich die Fertigstellung von Flamanville um Jahre verzögert.

Mit einem Anteil von 72 Prozent hat Frankreich weltweit die höchste Atomenergiequote an der Stromproduktion. Um diese Abhängigkeit zu verringern, sollen Macron zufolge bis 2035 14 der 58 Reaktoren im Land stillgelegt werden; der Atomstromanteil soll so auf 50 Prozent sinken. Fessenheim macht den Anfang. Zur Nachnutzung in dem elsässischen Ort sind deutsch-französische Projekte für nachhaltiges Wirtschaften geplant.

Frankreichs Atomindustrie galt einst als Garant für günstigen Strom und damit als Standortvorteil. In den vergangenen Jahren machte sie allerdings mit technischen Mängeln und hohen Kosten von sich Reden. Auch daher ist der Bau von Flamanville zehn Jahre in Verzug. "Die Auswüchse sind inakzeptabel", sagte Wirtschaftsminister Bruno Le Maire jüngst. Ein Prüfbericht zu den Missständen in der französischen Atomwirtschaft, den Le Maire in Auftrag gegeben hat, soll Ende Oktober vorliegen.

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Quelle:
SZ vom 01.10.2019
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