Süddeutsche Zeitung

Arbeitslosigkeit:1000 Jobs für 180 Millionen

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Berlin beginnt mit dem "Solidarischen Grundeinkommen". Damit sollen Langzeitarbeitslose in Jobs gebracht werden. Wer eine Stelle anbietet bekommt sie finanziert.

Von Henrike Roßbach, Berlin

"Herzlichen Dank, dass mir diese Möglichkeit gegeben wird," sagt Rahim Nagibulla, nachdem er seinen Arbeitsvertrag unterzeichnet hat. Er wird künftig als Quartiershelfer der Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte arbeiten. Er soll neuen Mietern dabei helfen, sich in Berlin einzuleben. Auch bei Behördengängen soll er sie begleiten. Normalerweise hätte Nagibulla seinen Vertrag vermutlich alleine zu Hause unterzeichnet und dann zur Post gebracht. Am Freitag aber waren Fotografen und Kameras mit dabei - und Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD).

Denn Nagibulla ist einer der ersten Teilnehmer an dem "Solidarischen Grundeinkommen". Er stammt aus Afghanistan hat dort drei Jahre lang als Übersetzer für die Bundeswehr gearbeitet. Berlin führt das "Solidarische Grundeinkommen" momentan ein. Der Bund setzt stattdessen auf den "Sozialen Arbeitsmarkt" von Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD). 180 Millionen Euro in fünf Jahren will das Land in 1000 Stellen für Arbeitslose investieren, die mindestens ein Jahr ohne Job sind - in kommunalen Unternehmen und bei sozialen Trägern, sozialversicherungspflichtig, unbefristet und bezahlt nach Tarif oder entsprechend des geplanten Landesmindestlohns von 11,90 Euro. Seit Mitte Juli können Arbeitgeber ihr Interesse bekunden. Wer eine Stelle anbietet, bekommt sie vom Land finanziert.

Rund 40 000 Langzeitarbeitslose gibt es derzeit in Berlin, und Bürgermeister Müller betonte am Freitag, zumindest einem Teil von ihnen ein Angebot jenseits kurzfristiger Maßnahmen machen zu wollen. "Arbeit bedeutet, einen Platz zu haben in der Gesellschaft", sagte er. Ziel sei es durchaus, dass die Teilnehmer des Programms sich mittelfristig "aus der Sicherheit heraus" und "mit neuem Mut" auch anderswo bewerben. Nagibulla, der als Kind auf eine Mine trat und deswegen heute im Rollstuhl sitzt oder an Krücken geht, sagt über seinen neuen Job: "Ich freue mich zeigen zu können, dass auch Menschen im Rollstuhl normale Menschen sind, die arbeiten können."

Mit dabei sind auch die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG). Die Leute sollten erst einmal herangeführt werden an das Unternehmen, auch an den Schichtbetrieb, sagt BVG-Personalvorstand Dirk Schulte. "Unsere Intention ist aber nicht: Ich hole die rein, lasse mir fünf Jahre finanzieren und schiebe sie dann wieder zum Senat ab." Er hoffe, die Teilnehmer nach einigen Monaten in reguläre BVG-Ausbildungen holen zu können, etwa zum Fahrer. Zwei Stellen hat Schulte schon besetzt über das Solidarische Grundeinkommen; 120 sollen es werden, vor allem Mobilitätshelfer in den Bahnhöfen.

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SZ vom 03.08.2019
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