Süddeutsche Zeitung

Arbeit:Meine Zukunft, deine Zukunft

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Am gleichen Ort und kurz hintereinander wird in Berlin über die Zukunft der Arbeit diskutiert.

Von Henrike Roßbach

Garry Kasparov ist ein ehemaliger, aber immer noch berühmter Schachweltmeister, den man als Redner buchen kann und dessen großes Thema der Mensch und die Maschine ist. Das kommt natürlich auch daher, dass er einst gegen den Schachcomputer Deep Blue zunächst gewonnen und dann verloren hat. Am Montag jedenfalls hatte Kasparov einen Auftritt in Berlin, auf der "Future Work 2019". Das ist eine Konferenz, die sich die deutschen Arbeitgeber und Microsoft ausgedacht haben und bei der es, daher der Name, um die Zukunft der Arbeit und, daher Kasparov, um den damit verbundenen Mensch-Maschinen-Komplex geht.

Ein Zeitreisender aus dem späten 19. Jahrhundert, sagte Kasparov in seiner Rede, würde in unserer Welt voller Hochhäuser, Flugzeuge und Bildschirme nichts wiedererkennen, außer den Schulen, denn da habe sich nicht besonders viel geändert. Nun kann man natürlich einwenden, in Zeiten von Schreiben nach Gehör, Stuhlkreis und Stillefuchs stimme das mit den Schulen gar nicht. Viel interessanter aber ist die Erkenntnis, dass man für eine Zwei-Welten-Erfahrung wie die, von der Kasparov sprach, gar kein Zeitreisender sein muss. Es reicht vollkommen, schon am Freitag dort gewesen zu sein, wo der Schachweltmeister am Montag sprach - im Gasometer auf dem Berliner Start-up-Campus Euref. Just an diesem Ort nämlich hatte am Freitag schon eine Konferenz stattgefunden, bei der es um Menschen und Maschinen und die Zukunft der Arbeit ging: das Finale des "Zukunftsdialogs" von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Das Erstaunliche aber ist, dass beide Veranstaltungen das gleiche Thema auf einer parallelen Umlaufbahn und in zwei separaten Raumschiffen umkreist haben. Berührungspunkte? Wenige. Und die Crew? Von unterschiedlichen Planeten rekrutiert.

Am Freitag etwa diskutierten mit dem Minister drei Vertreter der Sozialverbände beziehungsweise Arbeitnehmer - aber nur einer der Arbeitgeber. Auch auf den anderen Podien hatten kaum Diskutanten einen unternehmerischen Hintergrund. Und im Publikum gab's Szenenapplaus für den Ruf nach einer bedingungslosen Grundsicherung, aber ein "Buh" für Kritik an den zunehmenden Eingriffen des Staates in die Tarifautonomie.

Bei der Microsoft-Arbeitgeber-Sause am Montag wiederum stand nur eine einzige Gewerkschafterin auf der Rednerliste, aus der Politik waren alleine FDP und CDU vertreten, und Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Arbeitgeberverbände, sagte: "Die Politik ist hinter der Kurve, wir sind vor der Kurve".

Während Heil der transformationsgeplagten Wirtschaft in Sachen Weiterbildung mit seinem "Arbeit-von-morgen-Gesetz" auf die Sprünge helfen will, fand Kampeter, die Digitalisierung schreite schneller voran als sich die Politik damit überhaupt beschäftigte, und überhaupt sei auf Regierungsseite eher die Angst vor der Zukunft zu Hause, bei ihnen dagegen die Betonung der Chancen. Kurz: Man blieb unter sich und redete übereinander.

In Blasen ist das Leben zwar ähnlich kommod wie in den am Montag aufgestellten Liegestühlen für die After-Work-Party. Letztlich aber wissen die getrennt voneinander feiernden Parteien natürlich, dass sie in Sachen Zukunft der Arbeit nicht nur viele Berührungspunkte haben, sondern ohne einander auch gar nicht können. Deutlich machte das auf der Future-Work-Konferenz etwa Siemens-Vorstandsmitglied Janina Kugel. Deutschland müsse eine lernende Nation werden, sagte sie, viele aber könnten es sich schlicht nicht leisten, Geld in die Hand zu nehmen für Weiterbildung. Schon war er da, der Funkkontakt zum Raumschiff nebenan.

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SZ vom 24.09.2019
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