Süddeutsche Zeitung

Anleihentausch am Wochenende:EZB bringt eilig ihre Griechenland-Papiere in Sicherheit

Lesezeit: 2 min

Vehement fordern die privaten Griechenland-Gläubiger, dass sich auch die Europäische Zentralbank mit ihrem gigantischen Hellas-Portfolio an dem "freiwilligen" Schuldenschnitt beteiligt. Doch die denkt nicht daran. Im Gegenteil: Mit einem Tausch von Anleihen entzieht sie offenbar jetzt noch schnell ihre Griechenland-Kredite dem Zugriff privater Gläubiger.

Die Europäische Zentralbank hat einen gewaltigen Bestand an Griechenland-Anleihen in ihrem Portfolio. Schätzungen zufolge soll es sich um Papiere im Volumen von bis zu 55 Milliarden Euro handeln, deren tatsächlicher Wert allerdings mit 40 Milliarden Euro deutlich geringer sein soll. Weitere zwölf Millionen Euro sollen bei den nationalen Notenbanken der Euro-Zone liegen. Die Währungshüter verraten nicht, wie viele Anleihen sie haben.

Die privaten Gläubiger bestehen darauf, dass sich die Zentralbanken an dem geplanten "freiwilligen" Schuldenschnitt beteiligen. Je nach Vereinbarung müssten dann die EZB und die übrigen Zentralbanken die Hälfte oder gar 70 Prozent der Anleihen abschreiben.

Sorge vor verbotener Staatsfinanzierung

Gerade das wollen die Währungshüter auf jeden Fall verhindern. Darum versuchen sie offenbar, mit einem Anleihetausch über das Wochenende Verluste durch eine Umschuldung griechischer Staatsanleihen zu vermeiden.

Daher würden sie noch vor dem nächsten Treffen der Finanzminister der Euro-Zone am Montag Griechenland-Anleihen in neue Papiere tauschen, sagten Vertreter der Euro-Zone. Die EZB wollte sich zunächst nicht dazu äußern.

Würde sie sich an dem Schuldenschnitt beteiligten, könnte ihr der Vorwurf gemacht werden, sie betreibe verbotene Staatsfinanzierung. Notenbanker hatten mehrfach betont, dass die EZB nicht bereit sei, dieses Tabu zu brechen.

Dies wäre der Fall, wenn sich die Griechen bei ihren Anleihen sogenannter rückwirkender gemeinsamer Umschuldungsklauseln bedienen würden ( retroactive collective action clauses).

Träten diese in Kraft, würde die Mehrheit der Gläubiger entscheiden, was gemacht wird - also auch, in welcher Höhe ein möglicher Schuldenschnitt akzeptiert wird. Die EZB würde ihre Entscheidungshoheit aus der Hand geben. Davor will sie sich schützen. Zwar ist die EZB mit ihrem mächtigen Griechenland-Portfolio größter Einzelgläubiger der Griechen, hat aber nicht die Mehrheit unter den Gläubigern.

Somit könnte die Zentralbank überstimmt werden, wenn sie sich nicht beteiligen will. Mit dem Anleihetausch noch an diesem Wochenende könnte sich die EZB diesem Prozedere entziehen. Die neuen Anleihen, die von Griechenland ausgegeben würden, hätten zwar dieselben Bedingungen wie die alten. Aufgrund des Ausgabedatums wären sie allerdings nicht Teil des Pakets, über das nun verhandelt wird.

Nicht nur die privaten Gläubiger dürften den Schritt der EZB mit Verwunderung aufnehmen. Es gibt auch Kritiker in den eigenen Reihen - Bundesbankpräsident Jens Weidmann hat offenbar gegen diesen Plan gestimmt.

Die Bundesbank sei besorgt darüber, dass der Umtausch Klagen provozieren könnte, sagte eine mit den Vorgängen vertraute Person dem Nachrichtendienst Dow Jones Newswires. Die Bundesbank stehe der EZB-Entscheidung auch deshalb reserviert gegenüber, weil sie befürchte, Investoren könnten weiteres Vertrauen in die Eurozone verlieren. Es könnten zudem ähnliche Debatten über die Anleihen anderer Krisenländer drohen.

Und doch: Ganz schadlos wird die EZB nicht bleiben. Offenbar ist vorgesehen, dass der Kursgewinn der Notenbank - also die Differenz zwischen dem aktuellen Kurs und dem Nennwert, zu dem die Griechen die Anleihen zurückzahlen müssen - von der EZB an die Euro-Staaten zurückfließt. Diese dürften den Gewinn nicht behalten, sondern sollen ihn an Griechenland weiterleiten. Auf diese Weise würde den Hellenen indirekt ein Teil der Schuld erlassen.

In der Hängepartie um das zweite Milliarden-Hilfsprogramm für Griechenland sucht die Euro-Zone bis Montag eine Entscheidung. Dann soll auch der freiwillige Anleihentausch mit den Privatgläubigern verkündet werden. Ziel ist ein Schuldenschnitt, der 100 Milliarden Euro bringen soll.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1286496
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
Süddeutsche.de/Reuters/hgn
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.