Süddeutsche Zeitung

Anlagebetrug:Doppelt bestraft

Lesezeit: 3 min

Der Insolvenzverwalter eines S&K-Immobilienfonds verlangt von Anlegern Ausschüttungen in fünfstelliger Höhe zurück. Dabei haben sie schon ihren gesamten Einsatz verloren. Ist das rechtens?

Von Markus Zydra, Frankfurt

Der Brief vom Insolvenzverwalter kam überraschend. Es ging um die Beteiligung an einem S & K-Immobilienfonds. Der Mann aus Kassel hatte dort im Jahr 2008 insgesamt 50 000 Euro investiert. Die Geldanlage lief gar nicht schlecht, denn über die Zeit hat er Ausschüttungen in Höhe von 17 000 Euro erhalten. Im Februar 2013 folgte der Schock: Die S & K-Verantwortlichen wurden verhaftet. Der Vorwurf: Betrug und Aufbau eines Schneeballsystems. Die 50 000 Euro schienen dem Anleger fortan für immer verloren zu sein. Ein kleiner Trost blieb: Die 17 000 Euro hatte er, um den Verlust zu schmälern.

Doch jetzt fordert der Insolvenzverwalter des S & K-Fonds diese Erträge von dem Anleger zurück. Die Begründung: Die Ausschüttung hätte ihm nicht zugestanden, weil der Fonds von Betrügern betrieben wurde. Es ist eine bizarre Situation.

Der Anleger fühlt sich doppelt gerupft.

Der Insolvenzverwalter macht geltend, dass er die Ausschüttungen bei Tausenden Anlegern zurückholt, um sie dann wieder - anteilsmäßig - an alle zu verteilen. Abzüglich natürlich des Honorars für den Insolvenzverwalter, das sehr üppig ausfallen kann. "In vielen mir bekannten Fällen haben die Insolvenzverwalter darauf verzichtet, die betrogenen Anleger auf Rückzahlung erhaltener Zinsen und Erträge zu verklagen, weil es dazu keine Pflicht gibt und ein solcher Akt in höchstem Maße moralisch ungerecht ist", sagt der Fachanwalt für Kapitalmarktrecht Peter Mattil. "Insolvenzverwalter sollen verdeckte Geldquellen der insolventen Firma finden oder Wirtschaftsprüfer auf Schadenersatz verklagen - aber doch nicht die Ausschüttungen zurückfordern. Es handelt sich hier meiner Meinung nach um Provisionsschneiderei durch den Insolvenzverwalter auf Kosten der Anleger."

Es war Ende 2016, als die ersten Briefe die Anleger erreicht hatten. Darin hieß es, man solle die Erträge zurückzahlen. Viele Betroffene weigerten sich, auch Peter Mattil's Mandant aus Kassel. Jetzt sind die Klagen bei Gericht eingegangen. "Zu dem Ärger darüber, dass man betrogen wurde, kommt nun noch der Ärger mit dem Insolvenzverwalter", sagt Mattil.

"Zu dem Ärger, dass man betrogen wurde, kommt nun noch weiterer Ärger hinzu."

Unterdessen geht der Prozess gegen die S & K-Hauptverantwortlichen womöglich in die entscheidende Phase. Die Staatsanwaltschaft hat sich im Dezember mit Verteidigern und Angeklagten zu Gesprächen getroffen. Man möchte den Prozess, der schon seit Herbst 2015 vor dem Frankfurter Landgericht verhandelt wird, verkürzen. Bislang hat es 100 Verhandlungstage gegeben, in denen es hart und mitunter auch persönlich diffamierend zur Sache gegangen war. Ein Angeklagter hatte in seiner Stellungnahme behauptet, die Staatsanwaltschaft habe ihn 2013 nach der Verhaftung psychisch unter Druck gesetzt, um Dinge einzuräumen, die er gar nicht getan habe. Einer der Angeklagten ist zum Jahreswechsel zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Sein Verfahren war aus Krankheitsgründen abgetrennt worden. Ein anderer Angeklagter wurde aus der Haft entlassen, nachdem er ein Teilgeständnis abgelegt hatte.

Die vier übrigen Hauptangeklagten sitzen nun seit fast vier Jahren in Untersuchungshaft. Alle zusammen sollen zwischen 2008 und 2013 ein Schneeballsystem aufgebaut haben. Etwa 11 000 Anleger hätten dadurch insgesamt 240 Millionen Euro verloren. Den Angeklagten droht wegen schweren bandenmäßigen Betrugs und Untreue eine Haftstrafe von bis zu 15 Jahren. Es ist einer der größten Wirtschaftsstrafprozesse, die in Deutschland je geführt wurden. Die Anklageschrift ist über 3000 Seiten stark - 1700 Seiten davon wurden verlesen.

Inzwischen sind die damals ermittelnden Staatsanwälte von dem Prozess abgezogen worden. Das hat das Verhältnis der Parteien verbessert. Es ist nunmehr eine Gesprächsbasis zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigern vorhanden - man möchte sich verständigen. Die Anklage würde sogar den Vorwurf des bandenmäßigen Betrugs fallen lassen. Voraussetzung dafür wären Schuldeingeständnisse der fünf Angeklagten zu den übrigen Vorwürfen, erklärte Oberstaatsanwalt Noah Krüger. Dabei geht es vornehmlich um den Vorwurf der Untreue. Mit vier der fünf Angeklagten und deren Verteidigern habe es bereits "konstruktive Gespräche" gegeben. Die beiden Hauptangeklagten Stephan Schäfer und Jonas Köller sollten als Firmengründer maximal zehn Jahre ins Gefängnis, von denen bereits vier Jahre durch die seit Februar 2013 laufende Untersuchungshaft verbüßt wären.

Der Strafprozess gegen die Anlagebetrüger geht in die entscheidende Phase

Für die beiden anderen Angeklagten sieht die Staatsanwaltschaft Freiheitsstrafen von bis zu achteinhalb beziehungsweise fünf Jahren Haft vor. Das Gespräch mit dem fünften Beschuldigten steht noch aus.

Die Verteidiger wollen erreichen, dass ihre Mandanten nach der Verurteilung nicht mehr ins Gefängnis müssen. Bei den beiden Firmengründern müsste dafür die "Halbstrafenregelung" zur Anwendung kommen. Das Gericht kann, sobald der Verurteilte die Hälfte seiner Strafe verbüßt hat, den Rest zur Bewährung aussetzen. Dafür müssen allerdings bestimmte Bedingungen erfüllt sein.

Das Gericht wird sich wohl im März dazu äußern, ob man die Einigung zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung für gut befindet. Dann könnte der Prozess vor dem Sommer beendet werden.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3375768
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 13.02.2017
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.