Süddeutsche Zeitung

Alibaba-Börsengang:Chinas Amazon könnte den größten Börsengang aller Zeiten schaffen

Lesezeit: 3 min

Sesam öffne dich: Der chinesische Online-Konzern Alibaba will an die Börse. Ein erster Einblick in die Zahlen des Unternehmens lässt selbst Amazon als Zwerg erscheinen. Die wichtigsten Fakten.

Von Johannes Kuhn, San Francisco

Chinas Internetriese macht Ernst: Alibaba hat Dienstagnacht deutscher Zeit die notwendigen Papiere für ein Börsendebüt in den USA eingereicht. Damit könnte noch diesen Sommer der größte Börsengang aller Zeiten über die Bühne gehen.

Eine Milliarde Dollar will das Unternehmen einsammeln, aber diese Zahl ist nur ein Platzhalter: Am Ende könnten die hohen Nachfrage nach Alibaba-Aktien dafür sorgen, dass die Firma den Börsengang-Rekord der Agricultural Bank of China mit umgerechnet mehr als 22,1 Milliarden Dollar knackt - oder zumindest Facebook mit dessen 16 Milliarden Dollar als größtes Debüt eines Internetkonzerns ablöst. Börsengänge bringen einer Firma neues Kapital. Deswegen haben sie ein Interesse daran, dass ihr eigener Preis möglichst hoch ausfällt.

Was hat es mit der Firma auf sich? Die wichtigsten Fakten zum Unternehmen und dem Börsenprospekt.

Mehr als Chinas Amazon: Im Westen ist Alibaba - zumindest außerhalb der Tech- und Finanzbranche - fast unbekannt. Als "Chinas Amazon" bezeichnen Experten das Unternehmen immer wieder, doch in Wahrheit ist es längst ein gigantisches Konglomerat. Mehrere Online-Marktplätze und ein eigener Bezahldienst bilden das Kerngeschäft, Tochterfirmen und Querbeteiligungen sorgen dafür, dass die Firma ihre Finger in fast allen wichtigen digitalen Märkten hat: Cloud-Computing, Streaming, Online-Reisebuchungen, digitale Lernplattformen oder Kurznachrichten-Dienste sind nur ein Auszug aus dem Alibaba-Portfolio.

Riese mit riesigem Gewinn: Anders als herkömmliche Online-Shops agiert Alibaba nur als Vermittler zwischen Händlern und Kunden, muss also keine Warenlager betreiben und sich nicht um den Versand kümmern. Trotz mehr als 20 000 Mitarbeitern kann das Unternehmen deshalb einen erstaunlichen Anteil seines Umsatzes als Gewinn verbuchen. In den angegebenen neun Monaten des Jahres 2013 strich das Unternehmen umgerechnet 2,85 Milliarden Dollar ein, bei einem Umsatz von 6,51 Milliarden Dollar. Eine weitere beeindruckende Zahl: Insgesamt kauften Kunden auf der Plattform Waren im Wert von 248 Milliarden Dollar, das ist mehr als bei Amazon und Ebay zusammen.

Börsenwert übertrifft Siemens, womöglich Facebook: Bei einem Börsengang kommt in der Regel nur ein Teil der Aktien in den Verkauf. Somit liegt der Börsenwert höher als der beim Debüt erlöste Gewinn: Zwischen 120 und 250 Milliarden Dollar liegt Analysten zufolge der Marktwert des Unternehmens. Zum Vergleich: Der Siemens-Börsenwert liegt bei 110 Milliarden Dollar, der Facebooks bei 150 Milliarden Dollar, IBM ist mit 198 Milliarden Dollar bewertet, Google mit 347 Milliarden Dollar und Apple mit 512 Milliarden Dollar.

Nicht interessiert am Rest der Welt: Alibaba investiert zwar inzwischen auch in ausländische Unternehmen, bedient selbst aber nur den chinesischen Markt. Dabei soll es, so heißt es im Börsenprospekt, vorerst auch bleiben. Nur jeder Zweite der 1,4 Milliarden Chinesen ist bislang online, wer dort schon heute online einkauft, tut das in vier von fünf Fällen auf einem der Alibaba-Portale. Insgesamt hatte das Unternehmen im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben 231 Millionen aktive Kunden.

Kult um den Gründer: Der ehemalige Englischlehrer Jack Ma gründete Alibaba 1999 mit Hilfe von Freunden und führte das Unternehmen bis Ende vergangenen Jahres. Inzwischen hat er zwar offiziell den Chefposten abgetreten, doch der 49-Jährige, dem noch etwa neun Prozent seines Unternehmens gehören, ist ohne Zweifel weiterhin der wichtigste Mann im Konzern. Er gilt nicht nur als Pate der chinesischen Start-up-Szene, sondern tritt auch vor Zehntausenden Kunden und Mitarbeitern in Stadien auf, um Popsongs zu singen oder Massentrauungen zu veranstalten. Der Vorstand besteht nur aus einer Handvoll seiner Vertrauten - im Börsenprospekt ist entsprechend zu lesen, dass ein Abtritt der Ma-Riege für das Unternehmen große Risiken hätte.

Zweiter Versuch: Alibaba hatte bereits 2007 einen Teil seines Geschäfts an die Hongkonger Börse gebracht, diesen Schritt aber 2012 wieder rückgängig gemacht, um den Gesamtkonzern auf den Börsengang vorzubereiten. New York stach nun Hongkong als Standort aus, weil die Wall Street es Firmen einfacher macht, das Mitspracherecht neuer Aktionäre zu begrenzen.

Wachsende Konkurrenz: Tencent heißt der Rivale, der nicht nur die beliebte Messenger-Plattform Wechat betreibt, sondern dort auch ein mobiles Online-Bezahlsystem integriert hat. Dies könnte für Alibaba gefährlich werden. Tencent hat jüngst auch 15 Prozent des Online-Händlers JD.com gekauft, der sich anschickt, dem Marktführer Anteile abzunehmen.

Unsicherheitsfaktor Staat: In seinem Börsenbericht deutet Alibaba an, welche Risiken mögliche Eingriffe des chinesischen Staates bergen. So könnte der Online-Bezahldienst des Unternehmens stärker reguliert werden oder der erfolgreiche Marktplatz durch Restriktionen seine Händler verlieren. Allerdings behandelt der chinesische Staat Internet-Unternehmen bislang bevorzugt und verzichtet mit Ausnahme von Zensurvorgaben auf größere Regulierungen.

Geldregen für Yahoo: Im Jahr 2005 investiert Yahoo in Alibaba, nun kann das gebeutelte US-Unternehmen davon profitieren und seinen Anteil in Höhe von 22,6 Prozent zu Geld machen. Zum Börsengang wird die US-Firma ihren Sitz im Aufsichtsrat abgeben. An Bord bleibt das japanische Kommunikations-Unternehmen Softbank, das mehr als 34 Prozent hält.

In den USA diskutierten Analysten nach der Ankündigung des Börsenganges, ob Alibaba den besten Moment nicht bereits verpasst hat. Jüngst gingen zahlreiche Technologie-Aktien nach unten, am Dienstag verlor Twitter durch den Stichtag für Verkaufsoptionen fast vier Milliarden Dollar seines Marktwerts.

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