Süddeutsche Zeitung

BGH-Urteil:Der Eigentümer bestimmt, wer in seiner Wohnung wohnt

Lesezeit: 2 min

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

In Deutschlands Wohnanlagen dürfte das Urteil aus Karlsruhe für Streit sorgen, aber Vermietungsportale wie Airbnb werden es mit Genugtuung zur Kenntnis nehmen: Wohnungseigentümern kann demnach nicht per Mehrheitsbeschluss der Eigentümergemeinschaft untersagt werden, ihre Wohnung an Feriengäste zu vermieten. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden - und den Eigentümern damit ein wichtiges Instrument aus der Hand genommen, sich gegen den ständigen Wechsel in der Nachbarwohnung zur Wehr zu setzen.

Geklagt hatte die Eigentümerin einer Wohnung in Papenburg im Emsland. Sie war wegen kurzzeitiger Vermietungen ihrer Wohnung an wechselnde Gäste mit den sieben anderen Eigentümern der Wohnanlage in Streit geraten: Die Mehrheit der Bewohner hatte nämlich keine Lust, unablässig mit neuen, gänzlich unbekannten Menschen im Haus konfrontiert zu werden. Also fassten sie einen Mehrheitsbeschluss und überstimmten die Nachbarin: Keine täglich oder wöchentlich wechselnden Vermietungen mehr, weder an Urlauber noch an Arbeitnehmer auf Kurzzeiteinsatz in der nahegelegenen Meyer-Werft.

Möglich war dies, weil die Teilungserklärung der Eigentümergemeinschaft eine sogenannte Öffnungsklausel enthielt, die Änderungen mit Dreiviertel-Mehrheit erlaubte. Solche Klauseln sind durchaus verbreitet und haben den Sinn, dass einzelne Eigentümer - ausgestattet mit einem faktischen Vetorecht - nicht jegliche Neuerungen im Haus blockieren können. Das Mehrheitsprinzip hat der BGH längst gebilligt. Allerdings hatte er vor fünf Jahren auch angedeutet: Das Eigentum darf nicht völlig ausgehöhlt werden. Denn auch in der Wohnanlage gilt Minderheitenschutz.

Diesen Schutz hat der BGH nun in Sachen Kurzzeitvermietung in die Tat umgesetzt. Wenn die Räumlichkeiten ausweislich der Teilungserklärung zu "Wohnzwecken" dienen, dann kann die Mehrheit der Eigentümer dies nicht über den Kopf eines Nachbarn hinweg nachträglich einschränken. In der Papenburger Wohnanlage war ursprünglich sogar ausdrücklich die Vermietung an Feriengäste erlaubt. Aber auch ohne eine solche Klausel ist klar: Der Begriff "Wohnzwecke" umfasst auch die Vermietung an Urlauber oder sonstige Kurzzeitmieter. Das hat der BGH im Jahr 2010 ausdrücklich entschieden.

In deutschen Großstädten gibt es bereits Zweckentfremdungsverbote

Hinter dem BGH-Urteil steht also die Frage nach dem Kern des Eigentums. Dazu gehören bei einer Eigentumswohnung eben nicht nur Wände und Decken, Türen und Fenster, sondern ganz wesentlich die "Zweckbestimmung". Die Logik des Urteils ist: Wer eine Wohnung in der Erwartung kauft, sie nach Gusto zu vermieten, der muss sich sicher sein können, dass seine Möglichkeiten nicht nachträglich eingeengt werden - was letztlich ja auch den Wert seiner Wohnung erheblich mindern würde.

Zwar wäre es möglich, in der Teilungserklärung ein Verbot der Kurzzeit-Vermietung festzulegen. Aber das geht nur einstimmig und hilft jenen Wohnungskäufern wenig, die sich in eine bestehende Wohnanlage eingekauft haben. Gänzlich schutzlos sind die Eigentümer laut BGH aber trotzdem nicht. Gegen Überbelegung, Lärmbelästigung oder ständige Verstöße gegen die Hausordnung können sie sich per Unterlassungsklage wehren. Ob damit viel zu erreichen ist, dürfte aber fraglich sein. Die Störungen müssen schon ein gewisses Maß erreicht haben, damit man dagegen vor Gericht ziehen kann. Allein die Tatsache, dass ständig Unbekannte durchs Treppenhaus gehen, reicht dafür keinesfalls.

So dürfte es vornehmlich Aufgabe der Kommunen bleiben, gegen ausufernde Vermietungen an Feriengäste vorzugehen. In Städten wie München und Berlin gibt es inzwischen entsprechende Zweckentfremdungsverbote, auch wenn deren Durchsetzung ebenfalls nicht ganz einfach ist; München etwa erlaubt ohne Genehmigung maximal acht Wochen im Jahr.

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