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Air France plant eigene Schnellzüge:"Ein Flugzeug, das rollt"

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Flugzeug oder Schiene - zwischen Europas Großstädten ist die Bahn eine Alternative. Nun plant Air France ein eigenes Zugnetz - und die Lufthansa pocht auf ihre Partnerschaft mit der Deutschen Bahn.

Tobias Dorfer

485 Kilometer liegen zwischen Köln und Paris. 485 Kilometer, die mit dem Auto in rund fünf Stunden zurückgelegt sind. Nicht eingerechnet sind dabei jedoch die roten Ampeln und Verkehrsstaus, die Autofahrer in und um Köln herum so ertragen müssen - von dem Verkehrschaos in der französischen Hauptstadt ganz zu schweigen.

Eine Alternative ist der Thalys. Der Schnellzug, ein Gemeinschaftsunternehmen der französischen SNCF, der Deutschen Bahn und der Belgischen Eisenbahnen, braucht vom Kölner Hauptbahnhof zum Pariser Gare du Nord genau drei Stunden und 51 Minuten. Viel schneller ist das Flugzeug auch nicht - wer schon einmal mit den Pariser S-Bahnen vom Flughafen Charles de Gaulle ins Zentrum gefahren ist, kann ein Lied davon singen. Frühbucher zahlen beim Thalys 66,50 Euro für die Strecke, so günstig ist das Flugzeug nur selten. Die Bahn ist auf manchen innereuropäischen Strecken bereits ein gleichwertiger Wettbewerber. Flugzeug und Schiene werden immer stärker zu Konkurrenten.

Konkurrenz für die Bahn

Oder zu Partnern. Die französische Fluggesellschaft Air France-KLM hat das registriert - und plant ein Netz mit Hochgeschwindigkeitszügen. Von 2010 an, wenn der Personenverkehr in Europa vollständig liberalisiert ist, will die Airline zusammen mit dem französischen Mischkonzern Veolia Kunden über die Schiene ans Ziel bringen - als direkte Konkurrenten von Thalys, Deutscher Bahn, der französischen Staatsbahn SNCF und dem Eurostar, der Paris und London miteinander verbindet.

Bereits in der kommenden Woche könnte das Gemeinschaftsunternehmen gegründet werden, schreibt die französische Zeitung Le Parisien. Dem Bericht zufolge steht die Airline bereits im Verhandlungen mit dem Alstom-Konzern, der auch die TGV-Züge für die SNCF herstellt. Zunächst, so heißt es, möchte Air France eigene Züge auf den Strecken von Paris nach London und Amsterdam einsetzen.

Vom Himmel auf die Schiene - davon will die Lufthansa nichts wissen. Deutschlands führende Airline bleibt dem Himmel treu. "Wir haben dazu keine Pläne", sagte ein Lufthansa-Sprecher auf Anfrage von sueddeutsche.de und verwies auf eine bestehende Kooperation mit der Deutschen Bahn. Gemeinsam decken die beiden Unternehmen beispielsweise die Verbindungen von Frankfurt/Main nach Stuttgart oder Köln ab. Zwischen Stuttgart und Frankfurt können die Kunden wählen, ob sie mit ihrem Ticket lieber in den Flieger oder in den ICE steigen. Die Verbindung zwischen Frankfurt/Main und Köln hat die Lufthansa längst abgeschafft. Auf der Route zwischen Frankfurt und Paris machen sich Bahn und Lufthansa dafür umso stärker Konkurrenz.

Neue Bündnisse

Genau diese Verbindungen hat auch das geplante Gemeinschaftsunternehmen von Air France und Veolia im Blick. Von Paris aus könnten die blau-weiß-roten Züge die nahegelegenen Metropolen in Großbritannien, Belgien, Holland und Deutschland ansteuern. All jene Städte also, die von Paris aus in etwa drei Stunden erreichbar sind.

Es gibt einige Bahngesellschaften, die nun misstrauisch werden dürften. Die Betreiber des Eurostars etwa, der Paris und London verbindet. Oder auch die Deutsche Bahn, die - in Kooperation mit der SNCF - von Paris aus nach Frankfurt/Main und Stuttgart fährt.

Im Berliner Bahn-Tower herrscht noch Gelassenheit. Ein Sprecher sagte, der Konzern erwarte von 2010 an neue Wettbewerber. "Aber wir sind sehr gut gerüstet." Offenbar führt die Air France mit dem Bahn-Management bereits Sondierungsgespräche über mögliche Kooperationen. Ein Sprecher der Bahn bestätigte diese Gespräche. Das Kooperationsangebot gelte jedoch nicht auf den Strecken, die momentan durch die Bahn abgedeckt würden.

Koalitionen werden geschmiedet, Bündnisse geschlossen - die Bahngesellschaften und Airlines haben die Hochgeschwindigkeitsverbindungen zwischen den europäischen Metropolen im Visier. Die Kunden dürfte das freuen, schließlich könnte der Preiskampf die Ticketpreise nach unten treiben. Und andere Anbieter könnten dem Beispiel von Air France-KLM folgen.

Dass Schiene und Himmel immer enger zusammenwachsen, hatte Air-France-Chef Jean-Cyril Spinetta bereits vor zweieinhalb Jahren erkannt. Eines Tages wolle sein Unternehmen Züge "in den Farben von Air France" einsetzen, hatte der Manager gesagt. Ein Zug sei schließlich nichts anderes als "ein Flugzeug, das rollt".

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