Süddeutsche Zeitung

Agrarpolitik:Entscheidende Tage für Europas Bauern

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In Brüssel wird um eine Reform der Agrarpolitik gerungen: Wie grün soll die EU-Landwirtschaft werden?

Von Karoline Meta Beisel, Brüssel

Landwirtschaft gehört zu den umkämpftesten Elementen der EU-Politik. Einerseits geht es um viel Geld, 387 Milliarden Euro wollen die EU-Staaten von 2021 bis 2027 für die Agrarpolitik ausgeben. Andererseits trägt Landwirtschaft ein Gutteil zum CO₂-Ausstoß der EU bei - der sich deutlich verringern soll, um die Erderwärmung zu begrenzen. Seit Jahren ringen Politik und Wirtschaft darum, wie beides zusammengebracht werden soll, konkret: Wie viele Vorgaben die EU ihren Bauern beim Klimaschutz macht.

Diese Woche könnte in diesem Streit eine entscheidende sein. Denn sowohl das Europaparlament als auch der Rat der Mitgliedstaaten wollen ihre Position für die künftige gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU festlegen. Danach könnten schon bald die Verhandlungen über die konkreten Gesetze beginnen.

Im Parlament zeichnet sich vor der Abstimmung ein Kompromiss ab: Christdemokraten, Liberale und Sozialdemokraten haben sich in wesentlichen Punkten geeinigt. So sollen mindestens 30 Prozent der besonders attraktiven Direktzahlungen an sogenannte "Eco Schemes" geknüpft werden, also an Maßnahmen, die dem Umwelt- und Klimaschutz zugutekommen. Einen "grünen Kompromiss" nennt das der sächsische CDU-Abgeordnete Peter Jahr, denn gerade den Christdemokraten wären 20 Prozent eigentlich lieber gewesen. Entscheidend seien letztlich aber nicht die Prozente, sondern dass die Mitgliedstaaten Programme aufsetzten, die für Bauern auch wirtschaftlich attraktiv seien - dann sei es kein Problem, sie für Umweltschutz zu begeistern. "The Farmer takes it all", sagt Peter Jahr.

Von diesem grünen Kompromiss wollen aber gerade die Grünen nichts wissen. "Mit diesem Vorschlag werden wir die Klimaziele nicht erreichen", sagt etwa der Abgeordnete Martin Häusling. Er kritisiert, dass die Teilnahme an Eco-Schemes für Bauern freiwillig bleiben soll, und dass die Zahlungen nicht vom Erreichen konkreter Ziele, sondern weiterhin vor allem von der Fläche der Betriebe abhängen sollen. "Was jetzt beschlossen werden soll, ist die Fortsetzung der bisherigen Agrarpolitik", sagt er.

"Eine Einigung ist möglich, aber es wird sehr schwierig"

Die Gesetzesvorschläge für die GAP stammen noch aus der Zeit des früheren Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker. Seine Nachfolgerin Ursula von der Leyen hat den Klimaschutz zwar zum Kernanliegen ihrer Präsidentschaft gemacht - aber Junckers Vorschläge unverändert übernommen, was ein Hauptkritikpunkt an ihrem "Grünen Deal" ist. Die Grünen kritisieren, dass sich Kernelemente dieses Klimaprogramms, etwa die Vorgaben aus der neuen Biodiversitätsstrategie, in der GAP-Reform überhaupt nicht wiederfänden. Sie hoffen, dass es bei der Abstimmung im Parlament in den Reihen der großen Fraktionen genug Abweichler gibt, um die GAP in dieser Form noch stoppen zu können.

Jedoch wollen auch die Mitgliedstaaten der Reform in dieser Woche einen Schritt näher kommen. Trotz Corona treffen sich die Agrarminister am Montag und Dienstag in Luxemburg. Für Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU), die als Vertreterin der deutschen Ratspräsidentschaft die Verhandlungen leitet, wäre eine Einigung ein Erfolg, aber sie stellt sich auf lange Verhandlungen ein. "Eine Einigung ist möglich, aber es wird sehr schwierig", sagt ein hochrangiger EU-Diplomat.

Auch die Mitgliedstaaten streiten vor allem darüber, ob und wie viel Klimaschutz für Bauern verpflichtend sein soll. Klöckner schlägt vor, 20 Prozent der Direktzahlungen für klimafreundliche Maßnahmen zu reservieren: "Ein Mindestbudget für verpflichtende Öko-Regelungen würde es ermöglichen, Landwirte zu belohnen, die ihre Arbeit noch stärker auf Nachhaltigkeit ausrichten", sagt sie. Andere Mitgliedstaaten schrecken vor jeder Form von Pflicht zurück: Polen zum Beispiel hatte in der Vergangenheit stets gefordert, dass alle Ökomaßnahmen für Bauern freiwillig bleiben sollen.

Weiterhin ist unter den EU-Ländern die Frage umstritten, ob für kleinere Betriebe weichere Regeln gelten sollen als für große. Umweltschutz sei zwar eine Aufgabe für alle Landwirte, heißt es dazu aus Berlin. Die Kontrollen bei kleinen Betrieben müssten aber "in einem angemessenen Verhältnis zum Aufwand" stehen. Ebenfalls noch geklärt werden muss, ob es für die Zahlungen eine Kappungsgrenze geben soll. Weil die Subventionen an die Fläche geknüpft sind, profitieren derzeit vor allem Großbetriebe.

Für Umweltverbände sind das allerdings nur Detailfragen. Sie gehen davon aus, dass sich die Ausrichtung der Agrarpolitik nicht grundsätzlich verändern wird. Die künftige Agrarpolitik werde ein "Sumpf" eigennütziger, altmodischer Interessen voller Fehlanreize bleiben, die "Massen an Steuergeldern in die Taschen mächtiger Großkonzerne für Agrarchemie lenkt", schreibt etwa der Umweltschutz-Dachverband EEB.

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