Süddeutsche Zeitung

Agentur für Arbeit:Frau vergeblich gesucht

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BA-Vorstand Heinrich Alt geht, Detlef Scheele soll nachfolgen. Eigentlich sollte eine Frau in die Führung der Arbeitsagentur, doch es fand sich keine.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Hätte man ihn gefragt, wäre er noch geblieben. Heinrich Alt, Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit (BA), ist nach knapp 14 Jahren in der Führungsspitze in den Ruhestand getreten. Damit geht ein begnadeter Geschichtenerzähler, dem es stets um die Menschen ging - egal, ob der 65-Jährige über Absurditäten des Hartz-IV-Systems philosophierte oder von seinen Begegnungen sprach, zum Beispiel mit einem Arbeitslosen, der erst die große Liebe fand und nach 14 Jahren wieder einen Job. Doch jetzt ist damit Schluss. Der Neue, sein designierter Nachfolger, Hamburgs Sozialsenator Detlef Scheele, muss es künftig richten. Damit beginnt ein Führungswechsel in der Behörde, bei dem es vorher jede Menge Ärger gab.

Auch in der Bundesagentur gibt es ungeschriebene Gesetze. Dazu gehört, dass die Gewerkschaftsseite in dem zu je einem Drittel mit Vertretern der Arbeitgeber, Arbeitnehmer und der öffentlichen Hand besetzten Verwaltungsrat für die Alt-Nachfolge das Vorschlagsrecht hat. Gleichzeitig darf politisch in der großen Koalition hier die SPD ein Wort mitreden. Bei der Nachfolge von BA-Vorstandschef Frank-Jürgen Weise, der CDU-Mitglied ist, hat hingegen eher die Union das Sagen. Was so gut austariert ist, klappte aber nicht: Die Arbeitnehmerseite war auf der Suche nach einer kompetenten Frau für den Manager-Posten, weil dem Vorstand bislang nur Männer angehören. Doch sie fand diese nicht, obwohl der 65. Geburtstag von Heinrich Alt ja nun schon sehr lange bekannt sein muss.

Für Brigitte Pothmer, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen, ist dies ein Armutszeugnis: Die von der Bundesregierung durchgesetzten Maßstäbe der Frauenquote "gelten offenbar nur für andere. Die jetzige Männerriege soll auf absehbare Zeit eine Männerriege bleiben", sagt sie. Pothmer fordert deshalb, die Vorstands-Nachfolge bei der BA neu zu verhandeln und nicht einfach im Verwaltungsrat durchzuwinken. Dass es dazu am Freitag beim Treffen des Kontrollgremiums kommt, ist unwahrscheinlich. Scheele, auf den Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) setzt, wird wohl gewählt, weil er für alle Seiten ein geeigneter Kandidat ist.

Der Sozialsenator, seit 1980 SPD-Mitglied, weiß genauso wie der Parteifreund Alt, wovon er spricht. Der 58 Jahre alte Politikwissenschaftler war unter anderem Geschäftsführer bei der Hamburger Arbeits-Beschäftigungsgesellschaft. Im Bundesarbeitsministerium wirkte er als Staatssekretär unter Olaf Scholz, der ihn als Hamburger Bürgermeister 2011 als Sozialsenator wieder zu sich holte. Dort konnte sich der Vater von drei Töchtern als nicht immer von Kritik verschonter Krisenmanager profilieren, etwa beim Thema Flüchtlinge oder bei Todesfällen bei der Jugendhilfe.

Scheele ist ein Reformer. Wenn es nach ihm geht, sollten die Jobcenter mehr vermitteln als verwalten. Er hat deutlich Ein-Euro-Jobs kritisiert, wenn dort Langzeitarbeitslose weitgehend sinnfreie Tätigkeiten ausüben. Er hat in Hamburg eine Jugendberufsagentur aufgebaut, die als Vorbild für andere Bundesländer gilt. Sie soll dabei helfen, dass kein Jugendlicher nach der Schule ohne Ausbildung und Abschluss ins berufliche Nichts abgleitet. Jeder müsse eine Chance bekommen, sagt Scheele, der selbst sein Abitur erst mit 21 Jahren über den zweiten Bildungsweg absolviert hat.

Dass er Nachfolger von Weise, 63, wird, dessen Vertrag 2017 ausläuft, ist derzeit eher unwahrscheinlich. Jedenfalls hat jetzt keiner Interesse daran, ihn als Kronprinzen auszurufen. Dies würde einer Demontage des Vorstandschefs gleichkommen. Und mit der Arbeit des früheren Unternehmers Weise sind eigentlich alle im Verwaltungsrat zufrieden.

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SZ vom 02.07.2015
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