Süddeutsche Zeitung

Trendkolumne "In aller Munde":Champagner-Powder-Laune

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Dem Pistensommelier gehört die berufliche Zukunft. Warum Südtirol jetzt Skilehrer zu "Weinbotschaftern" ausbilden lässt.

Von Marten Rolff

Sommeliers und Skilehrer haben beruflich mehr gemeinsam, als man annehmen würde. Beide sind Dienstleister für eine anspruchsvolle, eher wohlhabende Klientel, die nicht nur auf Genuss aus ist, sondern nebenbei gerne lernt, wie man Eindruck schindet. Und beide müssen daher über schier überirdisches pädagogisches Geschick verfügen, über unerschöpfliche Geduld, nie versiegende Begeisterungsfähigkeit sowie das geheime Talent, selbst kleinste Vorwärtsschritte (im Schneepflug einen Anfängerhügel hinunterfahren, ein Weinglas zum Mund führen) als großes Abenteuer zu verkaufen.

So oder ähnlich werden sich das die Südtiroler Winzer und Tourismusverantwortlichen gedacht haben, als sie beschlossen, die beiden Berufe künftig zusammenzulegen. Frei nach dem Motto: In Zeiten knappen Personals und harten Wettbewerbs gibt es da wertvolle Synergien, man muss vielleicht etwas näher hinsehen, aber dann sind sie geradezu augenfällig.

In der Region Alta Badia haben sie deshalb den Jobtitel "Ski Wine Ambassador" erfunden, für den Skilehrer neuerdings in Sommelier-Schnellkursen zu Weinbotschaftern ausgebildet werden. Skilehrer, so der Gedanke, sind wichtige Ansprechpartner für Touristen und verbringen viele Stunden am Tag mit ihnen. Was also läge da näher, als ihre Zöglinge in den Pistenpausen gleich durch das wachsende Weinangebot auf den Hütten der Genussregion zu führen?

Es war dabei übrigens eine kluge Strategie, Skilehrer das Weintrinken erklären zu lassen und nicht Weinlehrer das Skifahren. Denn im Gegensatz zum Skilehrerjob, für den man dann doch das eine oder andere Zertifikat benötigt, ist der Beruf des Sommeliers nicht geschützt. Rein theoretisch darf sich jede Südtiroler Marktfrau mit gekräuselter Nase in ihre Obstauslage werfen und ungeprüft rufen: "Treten Sie näher, riechen und tasten Sie! Alles frisch von der Apfelsommelière!" Sehr zum Leidwesen von Profivereinigungen wie der deutschen Sommelier-Union, die schon länger eine regelrechte Inflation der Verkoster-Titel beklagt.

Neues vom wedelnden Weinbotschafter

Aber vielleicht sollten sie sich bei der Sommelier-Union entspannen. Auf einen Weinbotschafter mehr oder weniger kommt es nun wirklich nicht mehr an, und mit Detailhuberei bringt man nicht das Image einer Genussregion voran. Im Gegenteil, hier zählt: Vereinfachung. Als Sommelier soll der Skilehrer ja keine komplizierten Vorträge über Spontanvergärung halten, sondern - Faustregel aus der Gastronomie - nur kurz bestätigen, was der Gast ohnehin hören will ("Super Zeug, dieser Lagrein, da bringe ich dem Günther eine Flasche mit, der wird staunen, wie ich mich auskenne"). Und ja, Alkohol auf der Piste ist ein Widerspruch, den auch dieses Tourismusprojekt wieder nicht auflösen wird. Es sei denn, man hofft allen Ernstes, Pinot Noir schlürfende Gourmets verursachen weniger Unfälle als Jagertee gurgelnde Jugendgruppen.

Nicht zuletzt beantwortet das Pistensommelier-Projekt endlich auch die Frage, was der Skilehrer eigentlich im Sommer macht. Ganz klar: In Golfresorts den Sauvignon Blanc erklären und danach einsame Frauen mit Weinwissen abschleppen! Was, das sind besonders dämliche, altbackene, ja geradezu fiese Stereotype? Völlig richtig. Doch wenn die Idee vom wedelnden Weinbotschafter eins nicht leisten wird, dann dies: Klischees ausräumen.

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