Süddeutsche Zeitung

Körperpflege:Ein gutes Haar

Lesezeit: 3 min

Seit Kurzem ist die Intimrasur auf dem Rückzug, Schamhaare gelten als sexy. Über einen neuen alten Trend.

Von Gerhard Matzig

Zu den legendären und möglicherweise karikaturhaft sexistischen Dialogen der Filmgeschichte gehört das große Staunen im Gespräch zwischen Vater und Sohn in "The Wolf of Wall Street". Sagt also der Sohn, gespielt von Leonardo DiCaprio, über die Frauen der Gegenwart: "Das ist ein ganz neues Level." Woraufhin der Vater, Rob Reiner, Zweifel anmeldet: "Wirklich?"

Sohn: "Und die sind auch alle rasiert."

Vater: "Ist nicht dein Ernst."

Sohn: "Alle ganz glatt rasiert."

Vater: "Du machst Quatsch. Kein Busch?"

Sohn: "Kein Busch."

Vater: "Oh mein Gott."

Sohn: "Ganz plötzlich (...) hatte keine mehr was da unten (...) alles blitzblank, nichts, kein Härchen, alles gelasert."

Vater: "Mann, 'ne neue Welt."

So war das, 'ne neue Welt. Der Film stammt aus dem Jahr 2013 und dokumentiert eine Art Intimrasur-Hochrenaissance in jener Bikinizone, die man sich gendergerecht auch an Borat im Mankini vorstellen kann. Sofern man diese Vorstellung aushält. Man kann sich das Ganze gar nicht blitzblank genug imaginieren, wenn man begreifen will, dass Down Under auch der Ort eines Generationenkonflikts ist. Das neue Level ist eines, das die rasierte Jugend von eher geriatrischen Buschliebhabern trennt. Bis jetzt. Denn inzwischen ist es verblüffenderweise umgekehrt.

Ein Busch-Paradigmenwechsel deutet sich an

Vor einiger Zeit hat das Erotikportal Joyclub.de zweitausend seiner dreieinhalb Millionen Mitglieder befragt. Wenn man die Frage nach dem Style beiseitelässt (wie zu erwarten, aber schade für Architekturliebhaber, liegt der "Hollywood Cut" als Totalrasur vor "Triangle", "Landing Strip" oder "Diamond"), ist der Altersaspekt besonders bemerkenswert. 73,4 Prozent der Damen zwischen 46 und 55 Jahren lassen, wie Joyclub mitteilt, "kein gutes Haar am Intimbereich, während bei den Jüngeren von 18 bis 25 Jahren nur 57,4 Prozent den Komplett-blank-Look bevorzugen".

Das Gefälle spiegelt sich auch in den männlichen Vorlieben: "Nur fünf Prozent der älteren Männer finden weibliche Schamhaare sexy - bei der jungen Generation sind es 13,5 Prozent." Bei der männlichen Intimrasur ist der Trend nicht ganz so deutlich, aber auch dort ist er messbar - umso älter die Herren sind, desto glatter rasieren sie sich untenrum. Klar ist jedenfalls: Es deutet sich ein Paradigmenwechsel an. Wieder 'ne neue Welt.

Gerade erst hat die ältere Generation die Neigung zur natürlich bewachsenen Scham abgelegt und sich mit der neuen Blankheit angefreundet, feiert das Schamhaar ein Comeback. Gut so. Seit 2001 das erste rasierte Model im Playboy zu sehen war, wurde der Trend zu einem mitunter zweifelhaften Diktat.

Genau in der Weise, wie Waxingstudios zu den allüberall anzutreffenden Nachfolgern der Handyläden wurden und so wie auch das Intime öffentlich wurde, musste sich schließlich der Widerstand gegen das Rasurdogma heranbilden. Es ist wie mit den Tattoos. Sobald es das Tattoo auf das CSU-Wahlplakat schafft, das war schon vor Jahren der Fall, wird die Tattoolosigkeit zum Code des Andersseins.

Nun gerät eben auch das Schamhaar zur Chiffre der Distinktion. Promis wie Gwyneth Paltrow und Lady Gaga bekennen sich dazu, die New York Times fordert Frauen auf, die Dinge gedeihen zu lassen. Auch in England gab es bereits im Jahr 2013 (als "The Wolf of Wall Street" ins Kino kam) das sogenannte "Project Bush" im Kampf gegen die gesellschaftliche Norm. Und Cameron Diaz beschreibt in ihrem Buch "The Body Book" die Scham, die idealerweise von einem Flokati kaum zu unterscheiden ist, als "reizenden Vorhang". Wobei sich dieser Vorhang im Laufe der Geschichte schon oft als wandelbar erwiesen hat.

Schon in der Antike schätzte man haarlose Haut

Tatsächlich war schon zuvor die Entfernung der Körperhaare kein neuer Trend. Bereits in der Antike wurde haarlose Haut geschätzt. Neben der Ästhetik waren hygienische und religiöse Aspekt entscheidend. Die Intimrasur heutigen Zuschnitts stammt jedoch aus den USA und vom Anfang des 20. Jahrhunderts. Damals wurden die Textilien kürzer und dünner - und mit ihnen die Körperbehaarung. Die Erfindung des Trockenrasierers 1915 von einem Donauschwaben war hilfreich. Während der Nazizeit geriet die Nacktheit im Intimbereich in Verruf, das Schamhaar galt als "deutsch". Das nun wieder ist ein Grund bis heute, es trimmend kurz zu halten.

Die Hippies sahen das anders: Das germanische Schamhaar kam polyglott in Mode. Und wuchert sich aktuell abermals voran. Manche vermuten darin einen Akt der Selbstbestimmung. Andere rechnen den Trend der Sammelbewegung "Neonature" zu. Das wäre dann unsere Antwort auf die Abholzung des Regenwaldes. Zu hoch gegriffen? Brecht meint, im eigenartigen Einklang mit Cameron Diaz: "Wir (...) sehn betroffen / Den Vorhang zu und alle Fragen offen."

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