Süddeutsche Zeitung

Safran aus der Toskana:Der Herr der Fäden

Lesezeit: 5 min

Viel Aufwand, wenig Ertrag: Safran gilt als teuerstes Gewürz der Welt. Zu Besuch bei Egisto Brandi, der für wenige Gramm des roten Goldes Hunderte Blüten zupft - natürlich mit der Hand.

Von Titus Arnu

Rötliche Fingerspitzen, schwarze Fingernägel, rissige Haut: Man sieht den Händen von Egisto Brandi die harte Arbeit an. Brandi kniet auf einem matschigen Acker, an seinen Gummistiefeln klebt eine dicke Schicht Lehm. Mit unendlich wirkender Geduld pflückt er eine Blüte nach der anderen und legt sie vorsichtig in ein Bastkörbchen. Zwischen den hellvioletten Blütenblättern steckt es, das rote Gold: Safran.

Egisto Brandi baut bei San Quirico d'Orcia südlich von Siena hauptsächlich Wein und Olivenöl an, der Safran ist aber seine spezielle Leidenschaft. Im November leuchtet der Hang hinter dem Bauernhof in einem strahlenden Lila. Wenn der Crocus Sativus in voller Blüte steht, hat der toskanische Landwirt von früh morgens bis abends alle Hände voll zu tun. Erst das mühsame Pflücken, dann müssen die orangeroten Stempelfäden einzeln aus den Blüten gezogen und getrocknet werden. Jede Blüte enthält nur zwei bis drei dieser Fäden. Und nur auf diese winzigen Bestandteile der Pflanze kommt es an, sie enthalten das süßlich-bittere Aroma, das diese hübsche Blume so begehrenswert macht. Um ein Gramm getrockneten Safran zu gewinnen, muss Egisto Brandi Hunderte Blüten zupfen. Ein geübter Pflücker wie er schafft am Tag zwischen 60 und 80 Gramm.

Das Kilo Safran kostet 2000 bis 7000 Euro

Eine kulinarische Wandergruppe, die vom nahe gelegenen Hotel Adler Thermae zu Brandis Bauernhof spaziert ist, hilft dem Landwirt an diesem Vormittag bei der Ernte. "Wozu ist Safran eigentlich gut?", will eine der Teilnehmerinnen wissen, die Frage zielt wohl eher auf die Heilwirkung der Pflanze ab. "Für meine Brieftasche!" antwortet Egisto Brandi, sein wettergegerbtes, braun gebranntes Gesicht verzieht sich zu einem Grinsen. Safran gilt als teuerstes Gewürz der Welt. Die geringe Ausbeute und der hohe Arbeitsaufwand machen Safran zu einem echten Luxusprodukt. Ein Kilo Safran kostet, je nach Qualität und Herkunft, 2000 bis 7000 Euro pro Kilogramm. Um ein Kilo getrocknete Safranfäden zu gewinnen, müssen die Pflücker allerdings 150 000 bis 200 000 Blüten ernten. Das entspricht einer Anbaufläche von etwa 1000 Quadratmetern.

Über die Hügellandschaft ziehen nun Regenschauer, Brandi nimmt den halb vollen Korb mit den Blüten und stapft durch den Matsch zum Haus. Drinnen hat seine Frau Claudia die Ernte des Morgens schon auf langen Tischen ausgebreitet, das Wohnzimmer ist ein riesiges lila Blütenmeer. Die Kelche sind noch feucht vom Regen, und nun beginnt eine aufwendige Fitzelarbeit: Bevor die Blüten ganz in sich zusammenfallen, müssen die Fäden mit spitzen Fingern herausgezogen werden.

Zeus soll in einem Bett aus Safran geschlafen haben

Obwohl acht Personen mithelfen, dauert es eine halbe Stunde, bis ein kleiner Teller gerade mal halb voll ist. Anschließend wird der Safran getrocknet und luftdicht in Glasbehälter gefüllt. "Safran muss reifen, mindestens ein Jahr", erklärt Egisto Brandi. Die Blütenfäden, die er diesen Herbst erntet, kommen frühestens im Herbst 2020 auf den Markt. Mit Safran sei es so wie mit dem Brunello, den sein Sohn im nahe gelegenen Montalcino produziert: je älter, desto besser.

Aus der Küche duftet es nach Parmesan und Safran, Egisto Brandi entkorkt eine gute Flasche Rotwein, und während seine Frau Claudia ein Safran-Menü kocht, erzählt er, wie er zu diesem exotischen Gewürz kam. Vor 25 Jahren hatte Egisto für vier Millionen Lire (heute etwa 2000 Euro) einige tausend Zwiebeln Safran-Krokus gekauft, weil er gehört hatte, damit könne man viel mehr Geld verdienen als mit Oliven. Seine Frau war so sauer, dass sie ein halbes Jahr lang kein Wort mehr mit ihm redete. Die ersten winzigen Erträge erntete Egisto erst nach zwei, drei Jahren.

Mittlerweile produziert er vier bis fünf Kilo Safran pro Jahr, was viel ist, aber alleine nicht für den Lebensunterhalt reicht. Teuerstes Gewürz der Welt hin und her, aber die ganze Arbeit! Jeden Sommer müssen die Brandis 70 000 Blumenzwiebeln einzeln ausgraben, säubern und wieder einpflanzen. Sonst könnten sich Krankheiten ausbreiten und die Qualität würde leiden, erklärt der Landwirt. Sein Hauptabnehmer ist das Hotel Adler Thermae und das dazugehörige Weingut Tenuta Sanoner, wo die Gäste exquisite Safran-Menüs bestellen können.

Die roten Fäden entfalten beim Kochen ein intensives Gelb

Während Egisto Brandi über den schwierigen Umgang mit dem Gewürz-Krokus referiert, serviert seine Frau Crostini, die mit Pecorino, Parmesan und Safran überbacken sind und Omelett mit Kartoffeln und Zwiebeln, die ebenfalls nach Safran duften. Der süßliche Geruch ist nicht identisch mit dem Geschmack: Safran ist auf der Zunge eher würzig und leicht bitter. In Verbindung mit Reisgerichten, Eierspeisen, Fisch und Fleisch entfalten schon geringe Mengen Safran ein feines, ganz eigenes Aroma - dazu kommt das intensive Gelb, das durch den Farbstoff Krozin entsteht, der in den Blütenfäden enthalten ist. Farblich jedenfalls ist der Safran einigermaßen verwirrend: Die roten Fäden aus den violetten Blüten geben beim Kochen eine gelbe Farbe ab. Das arabische Wort Zafaran, von dem der Begriff Safran abgeleitet ist, bedeutet gelbe Farbe.

Claudia Brandi hat ein Buch mit 50 Safran-Rezepten geschrieben, in dem man auch einiges über die Kulturgeschichte der Pflanze erfährt. Safran wurde nachweislich schon von den alten Ägyptern als Textil-Farbstoff verwendet, Perser benutzten den Gewürz-Krokus als Heilmittel und Aphrodisiakum. Erst vor kurzem haben Forscher herausgefunden, dass Safran ursprünglich aus Attika stammt, der Gegend um das heutige Athen. Kein Wunder also, dass es schon in der griechischen Mythologie heißt, Göttervater Zeus habe seine Nächte in einem Bett aus Safran verbracht. Römische Kaiser sollen Safran als Badezusatz verwendet haben. Über die Römer verbreitete sich der Safran bis nach Frankreich und Spanien, wo er bis heute in der Küche verwendet wird, etwa in der Paella. In Italien ist Safran Bestandteil einiger traditioneller Gerichte wie der sizilianischen Pasta con le Sarde, Risotto allo zafferano , Trippa allo zafferano (Kutteln in Safransauce, typisch für die Toskana) oder Safran-Torte aus den Abruzzen. Die Toskana war in der Vergangenheit ein wichtiges Anbaugebiet für Safran, das mediterrane Klima ist ideal für den Gewürz-Krokus. Doch wegen der hohen Lohnkosten rechnet sich der Anbau kaum, 90 Prozent des weltweit verkauften Safrans kommen aus dem Iran, wo er billiger produziert werden kann.

Safran in hoher Dosis kann tödlich sein

Als Hauptgang serviert Claudia Brandi Malfatti allo zafferano - Spinat-Ricotta-Knödel, die mit einer Safran-Parmesan-Bechamel-Sauce überbacken sind. Die Gäste genießen, und die Köchin erklärt, dass Safran sowohl für pikante als auch für süße Speisen eine Bereicherung ist. Das Gewürz wirkt als Geschmacksverstärker, eine Kürbissuppe schmeckt sehr viel gemüsiger mit Safran - und die Farbe wird intensiver. Auch in Risotto, Paella, Kuchen und Panna cotta ist Safran immer eine gute Idee. Allerdings könne man auch Fehler machen beim Verwenden von Safran, warnt sie: Das Gewürz in der Pfanne anbraten zum Beispiel, denn große Hitze zerstört das feine Aroma. Für ein Safran-Risotto legt Claudia Brandi die Safranfäden vorab in ein Glas Wasser, kocht ein normales Risotto und gibt das Gewürz mitsamt dem Wasser erst am Schluss des Kochvorgangs hinzu. Pro Person und Portion verwendet sie vier fünf Blütenfäden. "Besser acht bis zehn!" wirft Egisto ein, der vermutlich an die viele Arbeit und wieder mal seine Brieftasche denkt.

Spätestens beim Dessert ist die Stimmung im Wohnzimmer der Brandis ziemlich heiter. Es gibt Apfelkuchen mit Safran, dazu einen Grappa, ebenfalls aromatisiert mit Safran. Egistos Witze werden deftiger, es kommt bei einigen Gästen zu hysterischen Lachanfällen. Ob das am Rotwein liegt oder am vielen Safran, der sich wie ein gelber Faden durchs Menü zieht? Safran wirkt in höheren Dosierungen tatsächlich stimmungsaufhellend. In historischen Arztberichten ist von "heiteren Delirien" die Rede bis zu "nicht mehr zu bändigendem Lachreiz". Der Botaniker Adam Lonitzer sagte dem Safran nach, er mache "ein fröhlich und gut Geblüt".

In der Volksmedizin wurde es als Beruhigungsmittel und Medizin gegen Melancholie verabreicht. Ein psychoaktiver Stoff in den Blütenfäden soll für diesen Effekt verantwortlich sein. "Aber Vorsicht, mit 20 Gramm Safran kann man jemanden umbringen!", warnt Egisto Brandi, und das ist gar nicht mal so witzig gemeint. Denn Safran ist in sehr großen Mengen giftig, er wird auch als der "lachende Tod" bezeichnet. Doch bei den Brandis muss kein Gast ernsthaft fürchten, nach dem Genuss eines zweiten Kuchenstücks und einem doppelten Safranlikör auf dem Spaziergang zurück zum Hotel das Zeitliche zu segnen. Es wären schon hunderte Portionen nötig, um eine tödliche Giftmenge verabreicht zu bekommen. Safran schmeckt zwar köstlich, aber das schafft kein Mensch.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4698246
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 30.11.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.