Süddeutsche Zeitung

Londonder Label "Antithesis":Mode aus dem Baukasten

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Wer in Krisenzeiten auf dem umkämpften Londoner Modemarkt bestehen will, muss sich etwas Besonderes einfallen lassen. Eine Kollektion wie ein Tetris-Spiel zum Beispiel. Ein Besuch beim Label Antithesis.

Von Lena Jakat

Steigende Strompreise, ein explodierender Immobilienmarkt, stagnierende Löhne und täglich Schlagzeilen über die jüngsten Einsparpläne der Politik: Wer mitten in das aktuelle Londoner Austerity-Klima hinein ein neues Modelabel gründen will, muss verrückt sein. Oder versuchen, von genau diesem Zeitgeist zu profitieren.

Zahra Ash und Renée Lacroix versuchen es mit einer Kollektion, die aufgebaut ist wie ein Tetris-Spiel. Die Jacke: zwei Einsatzmöglichkeiten. Das Kleid: vier. Der Rock: fünf. Die erste Kollektion von Ashs und Lacroix' Label Antithesis besteht aus nur zehn Teilen. Doch diese lassen sich drehen und wenden, verkehrt herum oder nur teilweise tragen, und ergeben so eine Fülle verschiedener Looks. Der "rechteckige Mantel" etwa ist Kurzjacke, Wintermantel und Weste in einem.

"Wir haben sehr stark von dem Aspekt der Lebensart her gedacht", sagt Ash, "weniger von Branchentrends aus." Die junge Designerin, die neben einem Modemanagement-Studium auch einen Abschluss in Philosophie hat, träumte lange davon, elegante Kleidung zu produzieren, die praktisch und auf das moderne Rollenverständnis abgestimmt ist. Sie wolle Mode für berufstätige, gestresste Frauen machen, die ohne viel Aufwand gut aussehen wollen, sagt Ash. Die zwischen dem Meeting und dem Feierabenddrink keine Zeit haben, sie umzuziehen - aber vielleicht, um mit ein paar Handgriffen ein Kleidungsstück zu verändern.

Weg von der Wegwerfgarderobe

Aus diesem Bestreben ist vor wenigen Monaten die erste Kollektion von Antithesis entstanden. Die ist so ziemlich das Gegenteil jener abgedrehten, aber schier untragbaren Kreativität, die man von Modestudenten vielleicht erwarten würde. Alle Stücke sind ganz in klassischen Marine- und Beigetönen gehalten und aus festen Wollstoffen gefertigt.

"Wir wollen, dass unsere Kunden ihre Stücke ein paar Jahre lang tragen", sagt Ash. "Da dürfen sie nicht zu trendy sein." Die Idee ist, dass jedes neue Teil mit den bisherigen kombinierbar bleibt, weg von der Wegwerfgarderobe. Antithesis-Kundinnen sind Frauen, die zwar nicht in den teuersten Luxusboutiquen einkaufen, aber bereit sind, für ein klassisches Kleidungsstück einen nicht unbedeutenden Preis zu zahlen - Krisenklamotten für die obere Mittelschicht.

Noch passt alles, was Ash und Lacroix haben anfertigen lassen, in zwei Ikea-Kleiderschränke, Birke Furnier. Sie stehen in einem großen, hellen Loft in Hackney, tief in Londons kreativem, hippen Osten. Das Atelier des jungen Labels nimmt dort nur ein paar Quadratmeter ein, es ist eingequetscht zwischen einer Illustratorin, der Redaktion eines neuen Debattenmagazins und einem Schmuckdesigner.

Ash demonstriert, wie sich ein Kleid durch verschiedene Krägen verwandeln lässt. "Das hat Colin Firths Frau gerade ausgeliehen", entschuldigt sie sich für ein fehlendes Accessoire. Livia Firth, die Frau des Schauspielers, ist eine umtriebige Umweltaktivistin mit einem eigenen Geschäft für ökologisch korrekte Mode und einer Kampagne für mehr Grün auf dem roten Teppich. Antithesis passt mit seinem nachhaltigen Ansatz bestens in diese gefragte Öko-Ecke. Die Macherinnen bemühen sich um lokale und ressourcenschonende Produktion. Der Kleiderkragen etwa wird aus den Schnittresten eines Blazers genäht.

Krisenbewusstsein plus Nachhaltigkeit: Ash und Lacroix glauben an den Erfolg dieses Rezepts. Noch aber arbeiten beide nebenbei freiberuflich, um sich den Traum vom eigenen Label verwirklichen zu können.

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