Süddeutsche Zeitung

Lokaltermin:Waidwerk

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Moderne Spitzenküche im Traditionshaus? Im Nürnberger "Waidwerk" zeigt sich, wie das funktionieren kann.

Von Josef Wirnshofer

Moderne Spitzenküche in einem Jahrhunderte alten Traditionshaus? In Nürnberg zeigt Valentin Rottner mit dem Waidwerk, dass das funktionieren kann, findet Josef Wirnshofer. Gut sogar.

Wenn von der Jagd die Rede ist, kippt der Mensch gerne eine Ladung Pathos in seine Sätze. Es geht dann oft um das Natürliche, um das Ursprüngliche, was auch immer das genau bedeuten soll. Bei der Jagd, so viel ist klar, wohnen Tradition und Kitsch nah beieinander.

Klar dürfte auch jedem Gast sein, dass Valentin Rottner in seinem Nürnberger Restaurant "Waidwerk" die Jagd zum kulinarischen Thema macht. Man merkt es schon am Zehnender, der prominent im Raum hängt. Sein Großvater hat ihn 1988 geschossen, Rottners Geburtsjahr. Man merkt es auch an der Speisekarte und nicht zuletzt daran, dass Rottner manches Tier, das er verkocht, selbst schießt.

Das Hotel und Gasthaus "Rottner" ist, was man ein Traditionshaus nennt, Valentin Rottner kocht hier in achter Generation. Im April 2018 eröffnete er neben dem À-la-carte-Restaurant das Waidwerk, schon im ersten Jahr bekam er dafür einen Stern und wurde vom Feinschmecker zum "Aufsteiger des Jahres" gekürt. Es scheint also offensichtlich, dass hier nicht ganz ohne Ambition gekocht wird.

Das zeigen schon die Amuses, die das Menü (sechs Gänge, 140 Euro) eröffnen. Der Lachs mit Beurre blanc, Pistazie und Staudensellerie, oder die Entenleberpraline mit Crème fraîche und Parmesan. Schön auch die Wildschweinschnitte, die auf einem Stück Baumrinde liegt. Rottner verarbeitet darin unter anderem die Milz des Schwarzwildes. Wieso auch Dinge wegwerfen, die man selbst erlegt hat?

Mit dem ersten Gang geht es weiter in den Wald: ein Tatar vom Sikahirsch, der eigentlich aus Ostasien, in diesem Fall aber aus der Oberpfalz kommt. Egal woher, das Tatar hätte bestimmt gut geschmeckt, hätte es denn nach etwas geschmeckt. Aber gegen die "Gazpacho-Aromen" - eine Salsa und verschiedene Tomatensorten - kommt das Fleisch nicht an. Daran ändert auch die hervorragende Creme aus Sonnenblumenkernen nichts. Besser funktioniert das Gericht in der vegetarischen Menü-Variante (sechs Gänge, 120 Euro). Das Gemüsetatar ist herzhafter abgeschmeckt und lässt sich von der Salsa nicht einfach umnieten.

Mit Tellern wie der Makrele Escabeche zeigt Valentin Rottner, dass er sich nicht auf Wald und Wingert beschränkt. Der Fisch gefällt vor allem wegen des säurebetonten Suds, der gepickelten Schalotten, Sepia bringt außerdem Süße mit. Beim Langres mit verschiedenen Melonen und Verbene befürchtet man erst ein verkünsteltes Tutti frutti. Dann aber nehmen die Früchte und das Eisenkraut dem Rotschmierkäse jede Schwere.

Deutlich traditioneller geht es im Hauptgang zu, wobei die Tradition modern und ohne Kitsch daherkommt. Der Rücken vom Rotwildkalb wurde sous-vide gegart und auf den Punkt gebraten, die Steinpilze passen - wen wundert's - bestens. Dazu Pfirsichwürfel, Wirsing und eine Soße, bei der man denkt: wenn schon Klassik, dann so.

Auf dem vegetarischen Teller findet man statt des Fleisches eine dicke Scheibe Wirsing, die zarte Röstnoten abbekommen hat. Der Service hatte gleich am Anfang gesagt, was das vegetarische Menü ist: das Fleischmenü ohne Fleisch. Immerhin sympathisch ehrlich. Trotzdem könnte man stutzig werden. Der Wirsing zeigt: muss man nicht.

Schon erstaunlich, wie Nürnberg in den vergangenen Jahren zu einer der kulinarisch interessantesten Städte der Republik wurde. Das "Essigbrätlein" und das "Sosein" in Heroldsberg sind meist die ersten Namen, die fallen. Inzwischen gibt es einen Grund mehr, die Stadt zu besuchen. Etwaige Zweifel wischt Rottner mit den Desserts vom Tisch. Da wären zum einen Wasabi und Schnittlauch. Ein Teller, der so aufregend aussieht wie Griesbrei, aber mit der Schärfe des Wasabischaums, der herben Kühle des Schnittlauchsorbets und dem Malto-Crunch begeistert. Zum anderen wäre da das Estragoneis mit Zitronenscheiben, die davor in Läuterzucker kandiert wurden. Der Gin Tonic mit mallorquinischem Gin steuert mit seinen Bittertönen gegen, ohne den Mund vollzuleimen.

Das Natürliche, das Ursprüngliche, davon ist bei der Jagd oft die Rede. Schwer zu sagen, was das genau bedeuten soll. Aber gut möglich, dass das Waidwerk dem sehr nahe kommt.

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Quelle:
SZ vom 14.12.2019
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