Süddeutsche Zeitung

Gewusst wie:Walnüsse knacken

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Sie sind gesund und dekorativ. Aber wie bekommt man sie so auf, dass Schale und Kern nicht völlig zerbröseln?

Kolumne von Jochen Temsch

Die Walnuss ist der heimliche Star der Vorweihnachtszeit. Wo immer eine Mandarine herumliegt oder ein Glühwein vor sich hin dampft, ist die runzelige Energiekugel in Reichweite. Der Nikolaus bringt sie, auf den Plätzchen prangt sie, und aus ihrer natürlichen Verpackung basteln die Kinder Baumschmuck und Streichholzmännchen oder stellen gleich ganze Krippenszenen in epischen Ausmaßen nach. Dekorative Schale, im Kern gesund - die Walnuss ist der ideale Snack im Advent. Auch wenn sie zu mehr als der Hälfte aus Fett besteht und einen viermal höheren Brennwert als gekochte Spaghetti hat, 100 Gramm etwa 650 Kilokalorien, senkt sie das gefährliche LDL-Cholesterin, während sie mächtig sättigt.

Aber wie kommt man ran, ohne die Nuss derart zu zermalmen, dass ihre essbaren Partikel nur mit angefeuchteten Fingerspitzen vom Tischtuch aufzulesen sind und beim Putzen hinterm Fernseher noch an Dreikönig Schalensplitter im Staubsaugerrohr klimpern?

Wenn man sie mit Fallbeilen, Zwingen, Zangen oder Quetschen malträtiert, bleibt oft nur Matsch

Darüber haben sich schon viele Kernforscher den Kopf zerbrochen. Wegen ihrer gefältelten Form gelten die Früchte landläufig als gut fürs Gehirn. Aber wenn man sie mit Fallbeilen, Zwingen, Zangen oder Quetschen malträtiert, bleibt oft nur Matsch - ganz gleich, ob das handliche Standardmodell mit den Gummigriffen vom Discounter zum Einsatz kommt oder der nostalgische rote Holzkönig mit Rückenhebel aus dem Erzgebirge. Das Problem ist die Dosierung des Drucks. Presst man zu wenig, gibt die Nuss nicht nach, quetscht man zu viel, gibt es Brösel. Und die gute alte Schraubstockmethode - zwei Nüsse Naht an Naht in einer Faust zu halten und mithilfe der anderen Hand so gegeneinanderzupressen, dass beide Schalen sauber aufgehen - beherrschen wahrscheinlich auch nur Menschen, die Bierflaschen mit den Zähnen öffnen. Spezialisten, die einerseits Kraft in den Händen haben wie Betonmischer, diese aber fein zu dosieren wissen wie Pianisten. Zeitaufwendige Kochnerd-Tricks wie zwölfstündige Bäder in lauwarmem Wasser oder Einfrieren, um die Schale weich und spröde zu machen, kommen ebenfalls nicht infrage, wenn man vor Heiligabend noch etwas anderes vorhat.

Ähnlich wie eine Auster wird die harte Hülle dann vorsichtig in zwei intakte Hälften aufgehebelt

Wer die Nuss tatsächlich ohne Schalenscherben und Kernspaltung knacken will, braucht weniger Kraft als eine ruhige Hand: Wenn keine Kinder zusehen, die es nachmachen könnten, aber nicht sollten, setzt man ein Messer mit der Schneide an der Naht an. Die Nuss hat ein etwas spitzeres Ende und ein flacheres, leicht eingekerbtes, an dem sich oft ein kleiner, weicher Spalt befindet, in den sich das Messer gut einführen lässt.

Ähnlich wie eine Auster wird die harte Hülle dann vorsichtig in zwei intakte Hälften aufgehebelt und der unversehrte Kern geborgen. Am besten nur mit einem stumpfen Tafelmesser vorgehen, alternativ mit einer Nagelfeile, auf keinen Fall mit der Filettierklinge. Die Finger danken es. Aber nicht jede Nuss lässt sich auf diese Weise knacken. Manche Schalen sind zu hart und die Nähte dicht verschlossen. Dann muss der Werkzeugkoffer her. Statt mit dem Messer geht man mit einem flachen Schraubenzieher vorsichtig stochernd an den Spalt. Wenn auch das nicht hilft: die Schale vergessen und sich auf die Kernkompetenz konzentrieren.

Die Hälften des Kerns liegen senkrecht zur Naht der Schale. Deshalb zerstört, wer die Naht in die Zange nimmt, den Kern so gut wie sicher. Die nahtlose Ober- oder Unterseite zu knacken, schont den Kern dagegen. Die Schale ist dann freilich geborsten und nur noch einmal kurz schön: wenn sie im Kachelofen verglimmt.

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