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Ladies & Gentlemen zu Schuhe mit Schnallen:Anschnallen, bitte!

Lesezeit: 2 min

Kein Witz: Schnallenschuhe sind wieder angesagt. Sie wagt den großen Schritt mit einem XL-Modell. Er hebt mit einem Schnellverschluss im Space-Chic ab.

Von Julia Werner und Max Scharnigg

Bei ihr: Ein großer Schritt zu gutem Stil

Modeleute neigen zur leidenschaftlichen Übertreibung. Sie lieben die Extreme: Hosen werden eigentlich nur dann als angemessen empfunden, wenn sie extraweit oder supereng sind, Oberteile umspielen entweder den Bauchnabel oder die Kniekehlen, und Mäntel machen aus der Frau entweder ein überdimensionales Ei (Egg-Shape) oder ein Mammut (zotteliger Fake Fur). Der Begriff "oversized" klingt deshalb wie Musik in unseren Ohren.

Kein Wunder also, dass in diesem Winter Schuhmodelle von Miu Miu zu den begehrtesten bei Stylisten und Redakteurinnen gehören. Sie sind rund und haben einen kunstvoll geschwungenen Blockabsatz oder spitz und mit Kitten-Heel. Sie glänzen außerdem in Lack und in allen Farben des Retro-Regenbogens, von Giftgrün bis Kirschrot.

Das alles macht sie aber noch nicht zum Must-have, sondern einzig und allein ihr unübersehbares Detail, wobei es rein optisch eher das Gegenteil davon ist: die XL-Schnalle. Oder, um im Branchenjargon zu bleiben: die Oversized-Buckle. Sie sitzt auf dem Fußrücken und macht aus der Trägerin eine Art Comic-Figur, denn jeder Mensch in der normalen Welt fragt sich beim Anblick dieses Schuhs, warum man in aller Welt eine derartige Theaterbühnen-Requisite mit sich herumtragen muss.

Hier ist die Antwort: Mode sieht eben nicht immer im klassischen Sinne schön aus - aber garantiert nicht nach Mittelmaß. Diesen Eindruck fürchten Modeleute wie der Teufel das Weihwasser. Was übrigens der erste Schritt zu gutem Stil ist. Definitiv auch für den Rest der Welt.

Julia Werner

Bei ihm: Schnalle zu, wir heben ab!

Wer gerne ins Museum geht, für den haben Schnallenschuhe natürlich keinen großen Nachrichtenwert. Was da auf den Gemälden so an höfischem Personal herumsteht, ist schließlich nicht selten mit güldenen Schnallen und Spangen an den Schuhen versehen gewesen. Damit der Kratzfuß maximal galant ausfällt!

Als Monkstrap wanderte der Schnallenschuh dann aus der Klassik hinein in den Kanon der Herrenschuhe. Die Schnalle war dabei übrigens oft umso kleiner, je edler die Schuhe gefertigt wurden. Allzu auffällig wollten die distinguierten Londoner Schuhmacher ihre Kundschaft schließlich nicht aus dem Heer der Schnürsenkel herausstechen lassen. Trotzdem war der geschnallte Schuh - jenseits von Skistiefeln - in der Neuzeit eine eher seltene Erscheinung geworden, dabei verleiht er auch dem durchschnittlichen Fuß eine gewisse zierliche Grandezza.

Aber es gibt ja zum Glück keine modische Kapriole, die nicht irgendwann abermals ihren Auftritt bekommt. Im Fall der bodennahen Schnalle steht bei den Herren im Frühling 2016 die große Wiedergeburt an, hausübergreifend wird sie dann über die Laufstege und in die Regale stolzieren, bis es auch der Letzte, pardon, geschnallt hat.

Der Remix von J.W. Anderson ist dabei sicherlich einer der progressivsten: Mit einem Schnellverschluss, wie man ihn von mittelpreisiger Trekking-Ausrüstung kennt, haben die Schuhe den durchaus männlichen Anstrich von Funktionsmode, bei gleichzeitiger Wahrung von total flippigem Space-Chic. Das soll ihm mal einer nachmachen.

Max Scharnigg

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Quelle:
SZ vom 17.10.2015
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