Süddeutsche Zeitung

Ladies & Gentlemen:Das Accessoire der Saison

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Nahezu jede Marke bietet inzwischen ihr eigenes Design für Atemschutzmasken an. Peinlichstes Konsumgut der Welt oder doch eine Chance auf Farbe in der Sommergarderobe?

Für sie: Maske mit Anhang

Mode ist nichts anderes als die textilgewordene Anpassungsfähigkeit. Deswegen lautet das Motto jetzt: Es gibt keine Pandemie, nur falsche Kleidung! Nahezu jede Marke bietet eine eigene Designversion der Schutzmaske an: Vom abenteuerlich angehauchten Bandana-Print bis zur logogeschmückten Variante von Fendi, die überall ausverkauft ist. Was stark darauf hindeutet, dass die sogenannte "Community Mask" auf bestem Wege ist, den Designer-Sneaker als peinlichstes Konsumgut der Welt abzulösen. Die Maske muss also, wie jedes persönlichkeitsunterstreichende Accessoire, mit Bedacht gewählt werden. Im Arbeitsleben könnten lustige Wölkchen vor den Lippen die Autorität untergraben, ein Camouflage-Muster würde etwas apokalyptisch wirken, und der sich schnell verbreitende Leo-Print vor Mund und Nase ist nur die neue Insigne der Influencer-Einfallslosigkeit. Es gibt zwei Möglichkeiten: das Tragen rein funktionaler, medizinischer Masken zu einem ebenso reinen Kleid. Oder etwas, das genauso unaufgeregt, aber nicht so aseptisch wirkt. Wie dieses schöne Baumwollmodell der Schmuckdesignerin Saskia Diez, das mit einer hübschen Kette geliefert wird - die die verwirrte Frau nicht nur schmückt, sondern ihr pro Woche ungefähr zwei Stunden spart. Denn sie muss ab sofort nicht mehr jammernd vom Bäcker nach Hause und wieder zurück laufen, weil sie die Hygienevorschriften über Nacht vergessen hat. Sie trägt ihre Maske einfach jetzt immer ganz nah am Herzen. Julia Werner

Für ihn: Maske mit Botschaft

Weil die Gesichtsmasken ein (hoffentlich) temporäres und unfreiwilliges Gimmick dieses Sommers sind, kann man dabei ruhig ein bisschen übertreiben: große florale Arrangements, wie man sie sonst nur auf Tapeten in bürgerlichen Toiletten findet, gewagtes Colorblocking oder ein umgearbeitetes Hermès-Tuch von Mama? Alles ist erlaubt und gerade als Mann ist es genussvoll, das leise Navy-Blue, Denim und Khaki-Einerlei der Sommerbasics zu würzen und in der Krise ein wenig Frohsinn zu beweisen. Wobei sich Witz-Masken selbstverständlich noch mehr verbieten als Witz-T-Shirts oder Witzaufkleber am Auto. Und alles ist unterhaltsamer als die steril blauen Einweg-OP-Masken zum Einkaufen zu tragen. Denn ein Grund für die zögerliche Kauflaune im wieder eröffneten Einzelhandel könnte auch sein, dass man sich dort derzeit vorkommt wie bei einem Anästhesistenworkshop, mit etwa genauso viel Fun. Das US-Avantgarde-Streetwear-Label Profund hat derzeit also alle Arten von flamboyanten Masken im Sortiment, aber auch solche mit dem klassischen Checkerboard-Muster. Wer dabei an Vans-Turnschuhe aus den Neunzigerjahren denkt, profitiert von der Gnade der späten Geburt. In Wirklichkeit steht das Schachbrettmuster in der Popkultur natürlich schon viel länger für Ska-Musik und da wiederum vor allem für die Band The Specials. Dort haben vor 40 Jahren schwarze und weiße Musiker zusammen gespielt, deswegen war das Checkerboard auf ihren Plattencovers von Anfang an auch ein Symbol für friedliches Miteinander und Antirassismus. Mit Vorfällen der letzten Tage in den USA im Hinterkopf ist das Schachbrett-Muster in diesem Sinne leider ein aktuelles Statement, dass man sich prominent ins Gesicht hängen kann. Ska muss man dazu aber nicht hören, keine Sorge. Max Scharnigg

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SZ vom 30.05.2020
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