Süddeutsche Zeitung

Filmkultur:Der Spion, den wir lieben

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Schon wieder ist der Start des neuen James-Bond-Films verschoben, dieses Mal auf April 2021. Wie kann man die lange Wartezeit stilvoll überbrücken?

Von David Pfeifer

Leben besteht aus Warten, und je älter man wird, desto weniger Spaß macht das üblicherweise. Als junger Mensch wartet man in erregter Ungeduld auf Weihnachten oder den Geburtstag, eine Nachricht oder einen Kuss. Es liegt in der Natur des Älterwerdens, dass dieses süße, sehnsüchtige Warten weniger wird. Niemand freut sich schließlich auf die nächste Lohnsteuerabrechnung oder das Ergebnis einer Darmspiegelung.

Umso wertvoller werden die Dinge, die sich wie ein Versprechen aus der Zukunft ankündigen. Der jeweils nächste Teil der James-Bond-Reihe war über Jahrzehnte einer dieser Sehnsuchtsanreger, die man aus der Kindheit ins Erwachsenenleben retten konnte. Es entstand alle paar Jahre eine schöne Mischung aus Vertrautheit und Überraschung, wenn bekannt wurde, wer den Agenten ein letztes Mal oder ein erstes Mal spielen soll, wer den Titelsong singt, und so weiter. Bond verband immer wieder das Vertraute mit dem Überraschenden und wirkte im besten Fall alt und neu zugleich.

Zwei Trailer des neuen Bonds "Keine Zeit zu sterben" konnte man seit Monaten sehen, der Titelsong von Billie Eilish war in den Charts, und ganz generell konnte man sich nach Ansicht der üblichen Appetithappen auf genau die Art von verlässlichem Entertainment freuen, die man in diesen verwirrenden, aber gleichzeitig auch etwas öden Zeiten gebrauchen könnte. Dann aber kam die Verschiebung auf April 2021, und man fragt sich, ob die bereits befeuerte Sehnsucht diese Überdehnung mitmachen wird.

Heikle Sache: Bond muss mit der Zeit gehen und sich treu bleiben

Es ist ja generell nicht gut, zu viel nachzudenken, bevor man sich einen Bond-Film ansieht. Wenn man erst ins Grübeln gerät, fragt man sich doch, ob "Spectre", der bislang jüngste Teil der Serie, nicht eigentlich wirklich der schlechteste war. Außerdem: Wie kann es sein, dass James Bond wegen Corona verschoben wird? Müsste 007 nicht, ganz im Gegenteil, gegen das Virus kämpfen? In ein chinesisches Labor eindringen, in dem in der Logik des Agentenplots der Covid-19-Erreger entwickelt und auf die Menschheit losgelassen wurde? Natürlich nur als Ablenkung - der klassische Bond-Twist wäre dann, dass das Virus die Weltenlenker beschäftigen und verwirren soll, damit die Geheimorganisation Spectre im Hintergrund die Herrschaft an sich reißen kann. Wie aber wird ein Bond im Jahr 2021 wirken, wenn er ohne Mundschutz und Abstandsregeln unterwegs ist?

Es war immer die schwierigste Aufgabenstellung der Serie, dass Bond zwar einerseits der Gleiche bleiben, aber auch mit der Zeit gehen sollte. Das hat nicht immer funktioniert und wurde zum zusätzlichen Spannungselement der Daniel-Craig-Teile. Aus dem Trailer von "Keine Zeit zu sterben" weiß man immerhin, dass ihm eine Frau den Job weggenommen hat und sogar androht, ihm ins Knie zu schießen, "in das gesunde", wie sie dazusagt. Da wird sich der ein oder andere reifere Herr durchaus wiederfinden. Frauen aber auch.

Normalerweise ist ein neuer Bond ein Treffen mit einem alten Bekannten. Klar, man freut sich, aber hat man sich noch etwas zu sagen? Oder bleibt es bei den alten Zoten, wie in den späten Roger-Moore-Teilen, die mittlerweile doch eher schmecken wie ein warm gewordener Wodka-Martini?

Zur Überbrückung bis April kann man immerhin prüfen, wie sich die alten Bonds gehalten haben. Der Sender Sky reagierte schnell und bietet vom 20. November an einen "Cinema 007"-Kanal an, dort werden alle Teile rund um die Uhr gezeigt, auch im Original. Das ist auf jeden Fall besser, als sich die aktuellen Trailer anzusehen, bis man sie auswendig kennt, was später zwangsweise zu Enttäuschungen führen muss.

Wer sich der Programmgestaltung von Sky nicht aussetzen möchte, kann selber recherchieren, und da helfen Bestenlisten im Internet. Solche Listen sind naturgemäß diskussionswürdig, aber bis April ist ja reichlich Zeit, und liest man mehrere davon quer, also zum Beispiel die aus dem US-Fachmagazin Entertainment Weekly, dem britischen Independent und die von der Kritiker-Website Rotten Tomatoes, kristallisiert sich doch ein Muster heraus.

Es besteht auf jeden Fall eine gewisse Einigkeit, was die besten und schlechtesten Teile angeht, auch wenn die einzelnen Platzierungen changieren. Fast immer im Keller landen "Stirb an einem anderen Tag" (Brosnan) sowie "Spectre" (trotz Craig) und "Moonraker" (Moore). Im Durchschnitt besonders gut bewertet werden "Goldfinger" (Connery), "Casino Royale" (Craig) und, aufgepasst: "Im Geheimdienst Ihrer Majestät", jener Solitär der Albernheit von 1969 mit dem einmaligen Bond-Darsteller George Lazenby, in dem schon vieles richtig gemacht wurde, was erst mit Daniel Craig wieder funktionierte. Beispielsweise besetzte man mit Diana Rigg eine Frau, die auf Augenhöhe mit Bond war - und den Film tragen konnte, im Gegensatz zu Lazenby.

Wer von da ab die Liste abarbeitet, kann schon mal zehn bis fünfzehn gute Teile sehen, die meisten sind immer noch mit Sean Connery, klar. Im Mittelfeld wird es unscharf, aber man sollte auf jeden Fall so auf der Hälfte abregeln. Spätestens nach "Der Spion, der mich liebte" oder "Goldeneye". Wenn man sich heute den zotigen Humor der Roger-Moore-Darstellung oder die Pappmaché-Action der Pierce-Brosnan-Teile noch einmal antut, wenn auch nur ironisch, spürt man vor allem, wie alt man selber geworden ist und wie einfach man früher zu unterhalten war. Das muss ja nicht sein. Aber auch so ist man bis April 2021 ganz gut beschäftigt, und zwischendurch kommt ja noch Weihnachten.

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