Süddeutsche Zeitung

Hollywood:Wie Doppelrahmaufstrich

Lesezeit: 3 min

Adrett, gebügelt, allenfalls kess: Nach ihrem Tod wird die Schauspielerin Doris Day auch für ihren Stil gefeiert. Er stammt aus einer unschuldigeren Welt.

Von Anne Goebel

John Updike begann mit einem butterweichen Geständnis, als er sich 1976 im New Yorker überraschend ausführlich Doris Days Autobiografie "Her Own Story" widmete. Der Schriftsteller, bekannt für seinen schonungslosen Blick auf die amerikanische Mittelschicht und ihre Obsessionen, offenbarte schon im ersten Satz seine Schwäche für die Schauspielerin. Doch mache sie es Bewunderern nicht leicht. Anders als der einlullende Sexappeal von Marilyn Monroe oder die Klasse von Katharine Hepburn habe die Anziehungskraft von Day etwas Forderndes. "Sie erinnert an diese niemals müden, elastischen Fernseh-Ladies", schreibt Updike mit leichtem Unbehagen. "Die uns ermahnen, früh aufzustehen und Morgenübungen zu machen."

Doris, die übereifrige Gymnastik-Biene - ein großartiges Bild. Mit anderen Worten: Richtig locker war sie nie.

Das lässt sich ohne Weiteres auch auf Doris Days stilistisches Vermächtnis übertragen. Nonchalance ist ihre Sache nicht gewesen, erst recht nicht das düster Laszive der Dreißigerjahre-Diven wie Marlene Dietrich oder Joan Crawford. Doris Mary Ann Kappelhoff aus Cincinatti war blond und hell wie Weizentoast. Sie hat in der goldenen Hollywood-Ära zuverlässig Geld in die Kinokassen gespült, jahrelang, doch ihr Dresscode blieb immer derselbe: am liebsten adrett. Also hübsch anzusehen, frisch gebügelt, allenfalls kess. Und vollkommen uncool.

Von der modischen Freiheit unserer Zeit ist das erstaunlich weit entfernt. Wenn jetzt, nach dem Tod der 97-Jährigen, in den sozialen Netzwerken der blitzblanke Doris-Day-Stil gefeiert wird, dann trifft er offenbar einen Nerv. Das muss die Sehnsucht nach einer übersichtlichen Zeit sein, in der die Welt in Ordnung ist, solange morgens nach dem Aufstehen das gerüschte Hauskleid griffbereit neben dem Frisiertisch hängt. Als könne in ein Universum aus Topfhüten und Kitten Heels niemals etwas Böses eindringen.

Dass Doris Days Leben im Unterschied zu ihren Rollen keineswegs so rein und milchweiß war wie amerikanischer Doppelrahmaufstrich ("Suzy Creamcheese" nannte sie Updike), hat den Star immer mal wieder wettern lassen gegen allerlei Spott-Titel. Miss Keuschheitsgürtel? Jungfrau vom Dienst? Wo sie doch blutjung einem gewalttätigen Gatten entflohen sei (die erste von vier missglückten Ehen), ihre Gesangskarriere in einer chinesischen Pinte begonnen habe! Trifft ja alles zu. Aber wenn Kleidung eine Sprache ist, dann sagen die Looks von Doris Day: bis hierher und nicht weiter.

Rein modetechnisch hat es an nichts gefehlt. An der Frau mit der unverwüstlichen Wasserwelle lassen sich die schönsten Trends der Fünfziger- und frühen Sechzigerjahre durchdeklinieren. Caprihose, Balenciaga-Mäntel in A-Linie, schmale Cocktailkleider aus Satin und Pillbox-Hütchen, alles da. Aber stets umgab Doris Day diese forsche Entschlossenheit, vielleicht ein Erbe ihrer tatkräftigen deutschen Ahnen aus Westfalen und dem badischen Dorf Mückenloch. Selbst in den elegantesten Entwürfen sah Amerikas vielgeliebtes Girl next door aus, als sei Kleidung für sie vor allem eine Montur, um dem Tag furchtlos die Stirn zu bieten. Komme, was da wolle. Wenn es sein muss, auch in einem salamandergrünen Hosenanzug.

Echter Glamour verlangt nach Mühelosigkeit. Den beherrschten andere aus dem Effeff. Jacqueline Bouvier Kennedy zum Beispiel, die Mondäne, oder die anmutige Audrey Hepburn. Die hätten sich auch nie getraut, als Cowgirl "Calamity Jane" mit Käppi und finsterer Miene unvorteilhafte Lederlappen zu tragen. Nur blieben solche Rollenausflüge die Ausnahme. Brav gab Doris Day ein ums andere Mal die Berufstätige auf eigenen Beinen, deren Erfüllung am Ende halt doch die starken Arme von Rock Hudson sind. "Possess me", besitz mich, säuselt bereits der Background-Chor im Klassiker "Bettgeflüster", während Day noch als Innenarchitektin scheinemanzipiert durch Bürogänge marschiert.

Die sogenannten Sex Comedys mit Hudson, wahlweise Cary Grant oder James Garner waren auch stilistisch Gratwanderungen zwischen Biederkeit und homöopathischen Gewagtheiten. In der Rolle patenter Haus- und Geschäftsfrauen trug die Hauptdarstellerin die neuesten Trends. Ärmellose Kleider, Kostüme im Pepita-Muster, Pelzkappen: Was ihr der frankophile Kostümdesigner Jean Louis eben so an flotten Sixties-Entwürfen auf den Leib schneidern ließ. Was den Sex in den Komödien betrifft, so gab es zwar sprachliche Zweideutigkeiten und die berühmte Badewannenszene mit Rock Hudson ("Pillow Talk"). Modisch Aufreizendes haben die Studios den Kinogängern aber nicht zugemutet.

Wenn Doris Day wirklich mal Haut zeigt, schlüpft sie in der nächsten Szene garantiert in eines ihrer zahllosen Haus- oder Nachtkleider. Die hatten immer etwas Matronenhaftes, mochte die Darstellerin darin noch so neckisch mit dem nackten Bein wippen. Und das Wichtigste: Möglichst hochgeschlossen mussten sie sein. Day scheint lebenslang einen regelrechten Steh- und Rollkragentick gehabt zu haben.

Legendär ihre Hüte, zum Beispiel ein Cloche Hat aus todschickem Leopardenfell. Dasselbe Muster trug dann 1967 Anne Bancroft als befreite Frau mit jungem Liebhaber in dem bahnbrechenden Film "Die Reifeprüfung". Nur waren es diesmal Dessous im Raubkatzenprint. Die Rolle hatte eigentlich Doris Day übernehmen sollen, sie lehnte ab. Es war nicht mehr ihre Zeit.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4447474
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 18.05.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.