Süddeutsche Zeitung

Werkzeugkultur:Von der Leine gelassen

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Leichte Akkugeräte erobern längst Garten und Werkstatt. Das ist oftmals ein Segen, bringt aber auch neue Probleme mit sich.

Von Max Scharnigg

Die Menschheit sieht sich ins Haus verbannt - wohl dem, der noch ein bisschen Grundstück dazu hat. Denn ein Garten, egal wie groß, ist ein unermüdlicher Arbeitsspender und Sorgenkonverter, und in diesen Tagen eben auch ein neu empfundenes Stück Freiheit. Im Frühling fallen dort genug Arbeiten an, die nicht in die schöngeistige Lavendelstrauß-Abteilung gehören, sondern eher in die Kategorie Minibagger und Kettensäge. Hecken schneiden, bevor die Vögel nisten, Flieder und Rose stutzen, bevor sie außer Reichweite wachsen, Beete anlegen, Terrassen bauen, Kompost umsetzen, Fällen, Lichten, Schneiden, Putzen - man kann im Garten jetzt Dampf ablassen.

Seit die Akkutechnologie alle Bereiche des Lebens erobert hat, gehen auch ein paar Sachen im Garten leichter von der Hand, zumindest psychologisch. Denn zu den Hemmnissen, die einen das Heckenschneiden hinausschieben ließen, gehörte auch: Die Aussicht ein kilometerlanges Kabel durch den Garten zu ziehen und dabei die Frühblüher abzusicheln und den kleinen Apfelbaum zu strangulieren. Auch der Nervenkitzel beim Rasen mähen, wenn man das Kabel gefährlich nahe umkurvte, zweimal umstecken musste oder beim Auftanken unbotmäßig mit Benzin und Öl kleckerte, war verzichtbar. Solche Mühseligkeiten hat die saubere Akkuwelt getilgt, sie ist auch sonst recht überzeugend.

Hecke schneiden ohne Kabel hat einen Aha-Effekt wie die erste Fahrt mit einem Elektroauto - ungewohnte Leichtigkeit macht sich breit. Es stellt sich beim Schneiden beinahe künstlerische Freude ein, weil man eine skulpturale Linienführung am Liguster ausleben kann und sich fröhlich-freihändig Kerben in den Buchs schlagen lassen. Da vermisst man die zusätzliche Kraft herkömmlicher Geräte nicht allzu sehr, auch weil viele der Akkuwerkzeuge mittlerweile richtig zupacken können. Nur genug geladene und ausreichend dimensionierte Wechselakkus sollten schon dabei sein. Wehe, wenn der letzte Akku mitten in der Hecke aufgibt - dann verwünscht man das neue Klump umgehend.

Die Akkuisierung im Hobbybereich kennt kaum mehr Tabus. Von der Akkuketten- über die stationäre Kapp- und Gehrungssäge sogar hin zur Fräse, vom Hochdruckreiniger bis zum Lötkolben bieten die Firmen heute einen Maschinenpark ohne Leinenzwang.

Von echten Waldarbeitern wurde man mit derlei Batteriespielzeug bis vor nicht allzulanger Zeit noch ausgelacht. Heute hat allerdings auch die heilige Firma Stihl ein umfangreiches Akkuprogramm aufgelegt, und spätestens mit diesem Verweis kann man seriös ohne Benzinkanister in sein Waldstück gehen und ein paar Borkenkäferbäume schlägern. Der bequeme Heimwerker schätzt es sowieso, dass man die Säge endlich spontan dort jaulen lassen kann, wo sie gebraucht wird und nicht erst Springseil-Installationen mit Kabeln veranstalten muss. Ein Nachteil der leichten Klick&Play-Maschinen findet sich in der Metaebene: Irgendwie nimmt man sie weniger ernst. Und gerade weil die neue Freiheit zum schnellen Herumfuchteln und Reinsägen verleitet, ist die Notaufnahme gefühlt ein Stück näher an den Garten gerückt.

Wer schon alles hat, kann seinen Fuhrpark mit einer Akkuschubkarre krönen

Aber sei's drum, bei manchen Sachen sind Akkus ein Segen. Wer etwa einen Benzinrasenmäher immer zu laut, schwer und schmutzig fand und sich mit Kabelmähern wie ein zahnloser Kettenhund fühlte, der erlebt mit Akkumähern einen guten Kompromiss - solange die Mähfläche überschaubar ist. Eine Firma wie Gardena preist ganz aktuell ihren putzigen neuen Handy Mower so an: Rasenmähen einfach wie Staubsaugen. Es ist eigentlich sogar eher noch wie Zähneputzen, man fährt das Ding schnell mal mit einer Hand dorthin, wo es notwendig ist, fertig. So wendig und leicht ist man jedenfalls noch nie unter Büsche und in die Beetzwischenräume gekommen.

Noch ein Aspekt gehört zum Akkuwerkzeug, das ist der suchthafte Sammelcharakter, den diese Geräte auslösen. Einstieg ist meistens ein Akkuschrauberset, bei dem man neben der Bohrmaschine ein Aufladegerät und zwei Akkus erwirbt. Danach stellt man fest, dass mit diesen Akkus eine ganze Reihe anderer Maschinen zum Leben erweckt werden kann. Klingt komisch, ist aber verlockend. Zum Schrauber gesellen sich Stichsäge und Schleifgerät, und immer wenn man nachsieht, gibt's wieder was Neues.

Es wirkt, als würden sich Firmen wie Ryobi mit ihrem 18V-Programm, Bosch oder Makita einen regelrechten Wettkampf um neue Akku-Gadgets liefern. Das Akkubaustellenradio von Makita ist schon länger Kult, die Akkukaffeemaschine muss sich erst noch auf Baustelle und im Gartenhaus bewähren. Wer schon alles hat, kann mit der kuriosen Makita-Akkuschubkarre den Fuhrpark krönen. Ryobi hingegen bietet neben einer kreativen Geräteauswahl vom Hochentaster bis zum Hochdruckreiniger inzwischen sogar eine Akkujacke an, mit fünf Heizzonen. Irgendwie folgerichtig, dass man die Akkus erst an ein Heer von Geräten flanscht - und am Ende, wenn alles erledigt ist, eben an sich selbst.

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SZ vom 28.03.2020
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