Süddeutsche Zeitung

Fashionspießer zur Gladiatorensandale:Salvete, Sandalenträger!

Lesezeit: 2 min

Nie hatten Frauen in Sachen Schuhmode mehr Auswahl als heute. Doch statt diese Freiheit zu nutzen, pressen sie ihre Füße in ein antik anmutendes Lederkorsett. Eines steht fest: Hätte Spartacus ein Paar Flipflops oder Sneakers zur Hand gehabt, er hätte nie im Leben zu diesen Sklavenlatschen gegriffen. Eine Modekolumne.

Von Violetta Simon

Im Römischen Reich gab es einen tollen Typen, der vor fast 2100 Jahren einen Sklavenaufstand anzettelte und seine Mitstreiter - allesamt tapfere Gladiatoren - zuerst in die Freiheit und dann in den Tod führte. Sein Name war Spartacus, und bis heute wird er in zahlreichen Filmen von mehr oder weniger kulturellem Anspruch gewürdigt. Sicher würde er sich sehr geehrt fühlen. Doch wie erstaunt wäre der heldenhafte Anführer der antiken Revolte, wüsste er, dass diese Werke unter der Bezeichnung "Sandalenfilme" laufen.

Die Sklavenlatsche scheint nicht nur einen nachhaltigen Eindruck auf die nachfolgenden Generationen hinterlassen zu haben; sie ist offenbar das einzige Accessoire, das sich aus dem Römischen Reich in die Gegenwart retten konnte. Einst wurde die sogenannte Gladiatorensandale von tapferen Mannsbildern getragen, von reichen Sklavenhaltern dazu verdammt, vor der geifernden Menge um ihr Leben zu kämpfen.

Den Lendenschurz bedeckte eine 25 Kilo schwere Rüstung. Doch an den Füßen trugen sie nichts als ein Paar niedlich anmutender Sandalen aus Lederriemchen, deren Anordnung an ein Gerippe erinnerte. Das Gladiatorenblut sammelte sich im sonnengegerbten Leder, die Schlappen schützten den Fuß nur unzureichend vor Hieben und Tritten. Darüber hinaus ließen sie alles durch, was an Staub und Sand so in der Gegend herumflog. Am Ende ähnelten die Füße der heldenhaften Kämpfer panierten Schnitzeln im Lederkorsett. Auch wenn das zu diesem Zeitpunkt sicher ihr geringstes Problem war: Es sah nicht nur übel aus, es fühlte sich auch so an.

Man fragt sich, wie es dazu kommen konnte, wo die Dinger doch so unpraktisch sind - doch irgendwie haben es die Römersandalen in die Fußgängerzonen und die auf Hochglanz polierten Shoppingmalls unserer Zivilisation geschafft. Auf dieser Zeitreise muss es dann einen Zwischenfall gegeben haben, denn seit ihrer Ankunft in der Gegenwart sind sie nur noch an Frauenfüßen vorzufinden.

Das ist insofern verwunderlich, als es in der ganzen Menschheitsgeschichte kein Wesen gegeben haben dürfte, das mehr Alternativen zur Gladiatorensandale hatte als die moderne Frau. Bei den alten Römern stand damals nichts anderes zur Verfügung als Tierhaut und Nieten. Aber wer, bitteschön, hätte die Latschen vor 2000 Jahren getragen, wenn es bereits Zalando & Co. gegeben hätte?

Hätte Spartacus ein Paar Flipflops oder Sneakers zur Hand gehabt, er hätte nie im Leben zu diesen flachen Sklavenlatschen gegriffen. Die Entenfüße machen. Und wenn die Sonne scheint, Streifen auf dem Rist hinterlassen. Als hätte man die Füße hinter Gittern gehalten. Doch statt ihre Wahlfreiheit zu nutzen, pressen Tausende von Frauen ihre Füße in ein antik anmutendes Lederkorsett.

Treter für Trier

Gut, einen Mann gibt es, der die Gladiatorensandale nicht den Frauen überlassen will. Thomas Gottschalk wurde kürzlich in Hamburg mit schwarzen Exemplaren gesichtet. Vielleicht, weil sie einst für Mut, Tapferkeit und Entschlossenheit standen. Und Gleichmütigkeit gegenüber dem Tod. Alles Eigenschaften, die man benötigt, wenn man mit einem Gottschalk'schen Stilempfinden auf die Welt gekommen ist und Dinge trägt, von denen andere glauben, dass sie ein Sofabezug hätten werden sollen. Aber ansonsten sind Männerfüße weitgehend römersandalenfrei. Vielleicht ist ihnen die Gladiatorenmode stellvertretend für ihre antiken Geschlechtsgenossen bis heute ein wenig peinlich.

Gänzlich beratungsresistente und unbelehrbare Sandalenträgerinnen und -träger sollten zumindest einen Anstandsbogen um öffentliche Plätze machen. Und ihre Treter lieber im passenden Ambiente ausführen. In Trier gibt es eine Gladiatorenschule, dort kann man sich gepflegt gegenseitig verhauen. Anwälte, Steuerberater und Bankangestellte, die sich durch ihre Schreibtischarbeit nicht ausgelastet fühlen, können dort gegen Bezahlung die Lanze schwingen und sich im Staub der Arena wälzen.

Man könnte dort beispielsweise eine Sammelstelle für bedürftige Gladiatoren einrichten. Nach getaner Schlacht gibt man die Sklavenlatschen einfach an der Pforte ab. Fachgerechter kann man eine Modesünde nicht entsorgen.

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