Süddeutsche Zeitung

"Disgusting Food Museum" in Malmö:Lust auf gekochten Fruchtvampir?

Lesezeit: 3 min

Ausschließlich ekliges Essen findet man in einem neuen Museum in Schweden: 80 unappetitliche Delikatessen. Was hat sich Museumsdirektor Andreas Ahrens nur gedacht?

Interview von Titus Arnu

Gekochter Fruchtvampir, Schafskäse mit Maden, fermentierter Hai, Wein mit toten Mäusen: Wem schon bei der Vorstellung schlecht wird, wie so etwas schmeckt und aussieht, sollte besser nicht das neu eröffnete "Disgusting Food Museum" in Malmö besuchen. Museumsdirektor Andreas Ahrens und "Chef-Disgustologist" Samuel West haben 80 besonders unappetitliche Delikatessen aus aller Welt für ihr Spezialmuseum zusammengetragen.

SZ: Hallo Herr Ahrens, wie geht's, haben Sie gut zu Mittag gegessen heute?

Andreas Ahrens: Nein, ehrlich gesagt nicht.

War Ihnen schlecht?

Nein, überhaupt nicht, ich hatte nur keine Zeit. Ich kann mich beruflich mit Maden und verfaulten Eiern beschäftigen und dann in der Mittagspause ganz normal essen, kein Problem.

Hmmm... Saft mit Schafsauge aus der Mongolei.

Oder lieber Wackelpudding-Salat?

Delikatesse aus China: Stier-Penis.

In Japan lässt man sich Natto schmecken - fermentierte Sojabohnen.

Eine Delikatesse in Guam: Fruchtfledermaus auf Salatbett. Die Fledermaus soll stark nach Urin riechen, das Fleisch jedoch nach Hühnchen schmecken.

Dieses chinesische Getränk mit Einlage löst wohl bei den meisten Europäern Ekel aus: Babymäuse, die in Wein eingelegt sind.

Das neu eröffnete Museum liegt direkt am Hauptbahnhof in Malmö, in der Carlsgatan 12.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, ekelhaftes Essen im Museum auszustellen? Sind Sie als Gast in Restaurants öfters mal schwer enttäuscht worden?

Nein, überhaupt nicht. Mein Co-Kurator Samuel West, der in Helsingborg das "Museum des Scheiterns" mit missglückten Produkten gestaltet hat, kam auf die Idee. Ich komme selbst aus der Technikbranche und wollte endlich mal etwas machen, das mir Spaß macht. Seit April haben wir zusammen die ekelhaftesten Gerichte für die Ausstellung recherchiert.

Wie sind Sie dabei vorgegangen?

Wir haben 250 internationale Gerichte, die eklig klingen, nach verschiedenen Faktoren bewertet und so ihr Ekel-Level bestimmt. Wir haben Punkte für den Geschmack, das Aussehen und die Produktionsart vergeben. Daraus haben wir dann eine Shortlist erstellt.

Was ist das Ekelhafteste in der Sammlung?

Zu den schlimmsten Gerichten gehört gekochter Fruchtvampir, eine Spezialität aus Guam. Die Fledermäuse werden im Ganzen gegart, während des Kochens stinken sie nach Urin. Man isst die Fruchtvampire meistens in einer Suppe. Ihr Fleisch soll ähnlich wie Hühnchen schmecken.

Haben Sie den Vampir probiert?

Noch nicht, obwohl ich Samuel und auch meinem Sohn versprochen habe, alles zu probieren, was im Museum ausgestellt ist.

Was ist das Schlimmste, das Sie je gegessen haben?

Balut, eine philippinische Spezialität. Ein angebrütetes Entenei, das halb fertige Küken wird lebend im Ei gekocht. Sehr weit entfernt von dem, was ich lecker finde. Der Geschmack ist gar nicht mal das Schlimmste: halb Ei, halb Hühnersuppe. Aber das Gefühl, ein Küken mit Haut und Federn zu essen, ist ekelhaft. Man sieht die Augen, die Krallen, den Schnabel. Für mich ist das der Horror, andere lieben es. Was wir eklig finden und was nicht, ist zu großen Teilen kulturell bedingt. Meine Frau kommt von den Philippinen, ich weiß, wovon ich spreche.

Findet sie etwas eklig, das Sie mögen?

Ja, Käse zum Beispiel. Ich liebe Roquefort und andere Schimmelkäsesorten, für viele Menschen aus Asien dagegen ist vergorene Milch mit Schimmel ein Albtraum. Auf dem Käsesektor gibt es übrigens ziemlich grauenhafte Dinge, das muss ich zugeben. Zum Beispiel Casu Marzu, ein überreifer Schafskäse aus Sardinien, in dem Maden leben. Oder, noch schlimmer: Man schlachtet eine junge Ziege, die noch Muttermilch trinkt, lässt die Milch in ihrem Magen und isst dann Monate später den ganzen Magen. Das schmeckt angeblich wie Benzin, Stinkkäse und Ammoniak. Ebenfalls eine Spezialität aus Sardinien. Konnte ich nicht probieren, weil es in der EU verboten ist.

Sind solche Ekel-Gerichte wirklich populär in ihren Herkunftsländern?

Die meisten ja. Hundertjährige Eier etwa sind in China weitverbreitet. In unserer Ausstellung haben wir auch salzige Lakritze und Surströmming, sauren Hering, das ist beides in Schweden ganz normal. Es ist auch eine Dose Vegemite ausgestellt, vegetarischer Brotaufstrich mit Hefeextrakt aus Australien. Australische Zeitungen haben empört reagiert: Wie kann man so etwas Leckeres als ekelig bezeichnen?

Alles Geschmackssache, wie es scheint.

Was eklig ist, ist auch Gewohnheit. In den Anden galten Meerschweinchen seit jeher als Proteinlieferanten, sie werden gegrillt und gegessen. Bei uns gelten sie als niedliche Haustiere. Es gibt Körperteile, die in vielen Kulturen tabu sind: Gehirne, Penisse, Hoden. In manchen Kulturen werden sie gerne gegessen, deshalb ist in der Ausstellung auch ein Stierpenis zu sehen.

Ist Ekel nicht auch angeboren und ein Stück weit sinnvoll?

Natürlich. Ekel ist ein universales Gefühl. Es schützt uns davor, krank zu werden und zu sterben, indem wir uns vor giftigen Tieren und Pflanzen fürchten. Aber da gibt es viele Abstufungen und auch einige Widersprüche.

Zum Beispiel?

Hummer! Der hat eine interessante Entwicklung von ekelhaft zu lecker durchgemacht. An der amerikanischen Ostküste galt Hummer ursprünglich als Arme-Leute-Essen, man hat ihn in Gefängnissen serviert und teilweise sogar als Dünger verwendet.

Was kann man im Museum riechen, ertasten und schmecken?

Die Besucher können zehn Gerichte riechen und sie können zum Beispiel den Stierpenis anfassen. Man kann vier bis fünf Gerichte probieren, das Menü wechselt täglich. Unser Museum soll keine Horror-Show sein, wir haben einen höheren Anspruch. Wir wollen, dass die Leute über ihr Essen nachdenken.

Und falls es jemandem kotzübel wird?

Da haben wir vorgesorgt. Das Ticket ist auf eine Spucktüte gedruckt.

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Quelle:
SZ vom 15.11.2018
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