Süddeutsche Zeitung

Deutsche Meisterschaft:Wir sind Grillkönig

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An diesem Wochenende finden die Deutschen Grillmeisterschaften in Fulda statt. Das kann man als Laie natürlich lustig finden - für die Teilnehmer aber ist der Wettkampf eine sehr ernste Sache.

Von Max Sprick

Kurz vor Veröffentlichung schreibt Oliver Sievers eine für seine Verhältnisse fast schon panische Mail. Die Sache wird ihm zu heiß. Bloß nicht weitererzählen, was er zuvor so ruhrpöttisch und humorvoll, vor allem aber so leidenschaftlich und ausführlich am Telefon erzählt hat: sein Erfolgsrezept.

Oliver Sievers, 45 Jahre alt, schwarz-grauer Vollbart, Brillen- und meist Strohhutträger, mag es eigentlich sogar sehr heiß. Er ist Profi-Griller und hat vergangenen Herbst die Grill-Weltmeisterschaft in Irland gewonnen. An diesem Wochenende steht nun die Deutsche Meisterschaft an, auf dem Messegelände in Fulda wird der "Grillkönig" gekürt, von einer Jury aus insgesamt 120 Juroren. "Und falls einer davon meine Rezepte vorab liest, könnte er das falsch deuten und für eine Disqualifikation sorgen", schreibt Sievers.

Mit seinem Team "BBQ Wiesel" hat Sievers schon diverse Wettbewerbe begrillt und gewonnen, und, so viel kann man doch verraten: Aus diesem Repertoire wird er nun wahrscheinlich wieder schöpfen. Vier Zutaten werden den 38 teilnehmenden Teams am Wochenende in Fulda vorgegeben: Forelle, Schweinerücken, Rinderbrust und Hähnchenbrustfilet. Was die Teams daraus machen, ist ihnen überlassen. Und genau hier liegt wiederum für den letztjährigen deutschen Grillkönig Martin Schulz aus dem oberpfälzischen Ort Berg die Schwierigkeit: "Wir wissen nicht, was die anderen so vorhaben." Deswegen könne er überhaupt nicht einschätzen, ob er nun Chancen hat, seinen Titel zu verteidigen. Im Gegensatz zu Sievers sagt er überhaupt nichts dazu, wie er aus den Pflicht-Fleischstücken verschiedene Gänge für die Juroren grillt.

Nur so viel: Er und sein Team "Grill doch mal" haben sich intensiv vorbereitet. Und zwar so: Nachdem sie wussten, was im vom Veranstalter vorgegebenen Pflicht-Warenkorb liegt, haben sie sich erst mal getroffen, um zu malen. "Wir haben rumgesponnen, wie unsere angerichteten Teller aussehen könnten und was wir grillen müssen, um sie möglichst schön zu gestalten", sagt Schulz. Ordentlich grillen könne schließlich jeder, der bei der Deutschen Meisterschaft teilnimmt. Anmelden kann sich dort nur, wer zuvor schon eine der insgesamt 13 Landes-Grill-Meisterschaften gewonnen hat. "Deswegen kommt es auf das Chi Chi an", sagt Schulz, "das, was um das Fleisch herum auf dem Teller liegt, entscheidet über den Sieg." Vergangenes Jahr servierten sie unter anderem einen mit Rote-Bete-Saft eingefärbten Burger mit asiatischem Schweinebauch und lauwarmem Krautsalat. Erst wenn Schulz und sein Team sich aufs Chi Chi geeinigt haben, beginnen sie, ihr entsprechendes Rezept zu testen.

Zuständig fürs Anrichten ist übrigens Schulz' Ehefrau, das einzig weibliche Team-Mitglied. Ein Klischee, das sich auch bei "BBQ Wiesel" bestätigt - "meine Freundin übernimmt die Dekoration unserer Teller", sagt Oliver Sievers, der Schulz' Einschätzung vom Chi Chi teilt. "Sie ist also unsere wichtigste Stütze."

Nun kann man belächeln, dass sich so viele Menschen in einem offiziellen Wettbewerb messen, in dem sich inoffiziell vermutlich jeder für den Besten hält, der einen Grill in seinem Garten oder auf seinem Balkon stehen hat. Man kann flache Witze darüber reißen. Folgender dürfte der flachste sein, auf den man während der Recherche unter Grillern stößt: Bei welchem Sport verbrennt man am effektivsten Fett? Beim Grillsport. "Wir nehmen diese Meisterschaft aber sehr ernst", sagt der deutsche Grillkönig Martin Schulz. Anfang dieses Jahres hat er seinen Job in der IT-Branche gekündigt, um sich voll und ganz aufs Grillen zu konzentrieren. Er gibt Grill-Seminare, macht Catering für Veranstaltungen, bis Ende September ist er komplett ausgebucht, eigentlich sogar noch länger. So ein Titel hilft natürlich in der Kunden-Akquise. "Dieser Titel ist auch für neue Sponsoren und Verhandlungen enorm wichtig", sagt Sievers. Auch er bestreitet seinen Lebensunterhalt am Grill, ist das Aushängeschild eines Premium-Fleischhändlers. Man kann Grill-Veranstaltungen mit Sievers gewinnen.

Grillen ist längst mehr geworden als nur Nahrungszubereitung. Manch einer sieht darin gar Philosophisches, "es ist eine Romanze mit dem Grillrost, ein Gefühl, eine stumme Sprache, die man über Jahre lernt", sagte der Argentinier Francis Mallmann, der als Grillmeister unter den Spitzenköchen gilt, dem SZ-Magazin. Und das Geschäft mit dem Grillen ist längst ein großes geworden. Europaweit zählt Deutschland zu den umsatzstärksten Märkten. Der Barbecue Industry Association (BIAG) zufolge stieg das Volumen für Grillgeräte, -brennstoffe und -zubehör im Jahr 2017 hierzulande auf 1,3 Milliarden Euro. Da klingt es gar nicht mal so überraschend, dass zur Deutschen Grillmeisterschaft mehr als 15 000 Zuschauer für das ganze Wochenende auf dem Fuldaer Messegelände erwartet werden.

Und warum eigentlich dort? Zum einen liegt Fulda verkehrstechnisch für die aus ganz Deutschland anreisenden Teams gut. Zum anderen stammt der Präsident der veranstaltenden German BBQ Association (GBA) aus Fulda - und er hatte versprochen, den Wettbewerb in seine Heimat zu holen. Wer nicht GBA-Mitglied ist, zahlt für beide Tage acht Euro Eintritt. "Und er müsste sich schon saublöd anstellen, nicht pappsatt wieder nach Hause zu gehen", sagt Martin Schulz.

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Quelle:
SZ vom 04.08.2018
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