Süddeutsche Zeitung

Ausstellung:So aufhänglich

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Kleiderbügel halten die Garderobe faltenfrei in Form und sind dabei zu Sammlerstücken geworden. Eine liebevolle Ausstellung in Nürnberger Museum Industriekultur erzählt nun ihre Geschichte.

Von Anne Goebel

Auf die kumpelhafte Frage eines Reporters nach ein paar Regeln für stilvolles Aussehen ("Dos and Don'ts") gab der Schauspieler Cary Grant in einem Interview eine großartig trockene Antwort. Grant, Inbegriff tadelloser Eleganz, der selbst im gestreiften Riviera-Sweater mehr hermachte als heute ein Laufsteg voller Anzugmodels, sagte, er könne leider nur mit einem einzigen Tipp dienen. "Keep your coats on curved hangers", hängen Sie Ihre Sachen auf gerundete Bügel. Anders ausgedrückt: Falsche Frage - wer sich nach gutem Geschmack erkundigt, hat keinen. Und zu Hause wahrscheinlich billige Drahtbügel im Kleiderschrank baumeln.

Snobismus bei der Wahl von Gebrauchsgegenständen - Zedernholzbügel, handgesiedete Seifen, Gummistiefel aus Naturkautschuk - ist ja wieder in Mode gekommen, seit eine ständige Abfolge von Retro-Wellen alles Vergangene verklärt. Ob Material, Herstellungsweise oder Form: Früher waren die Dinge schöner, patent und nicht so seelenlos, glauben wir. Dafür wird gerne etwas mehr bezahlt. Bestens zum nostalgische Zeitgeist passt auch die aktuelle Ausstellung im Museum Industriekultur in Nürnberg. "Aufgehängt und abgehakt" erzählt, so der Untertitel, "eine kleine Geschichte des Kleiderbügels" (bis 28. April).

Kleiderbügel waren früher mal das Privileg von Adel und Klerus

Wer sich nach Franken aufmacht zu der kurios klingenden Schau, wird von der Museumsleiterin Monika Dreykorn vorsorglich mit einer Frage begrüßt: Man habe sich sicher gewundert, "Kleiderbügel? Im Museum?" An das Kopfschütteln beim Publikum hat sie sich gewöhnt, "aber herausgekommen ist jeder mit einem zufriedenem Gesicht", erzählt Dreykorn. Sie hatte den richtigen Riecher - die kleine Schau ist ein Erfolg. Termine für Führungen mit dem Sammler und Hauptleihgeber Matthias Dülp mussten aufgestockt werden.

Was den Lerneffekt betrifft, so erfährt man Historisches über das Aufkommen der Bügel im höfischen Frankreich. Für die Allgemeinheit wurden sie erst Ende des 19. Jahrhunderts wichtig, als die Menschen langsam mehr als ein Arbeits- plus ein Sonntagsgewand besaßen. Vom Stabbügel mit Haltestange über das Zufallspatent eines amerikanischen Drahtherstellers bis zu Reisemodellen: In Nürnberg gibt es einen Schnelldurchlauf durch die Geschichte, veranschaulicht an 400 Stücken aus Matthias Dülps wunderlicher Sammlung. In der Masse haben all die unterschiedlichen Exemplare aus Bugholz oder Metall an den Wänden, die vogelartig geformten Drahtgestelle und filzunterlegten Schnappmechanismen eine eigene Ästhetik. Highlight ist eine Siebzigerjahre-Schönheit aus Kunststoff, eher ein Postergirl für die Garderobe als ein schnöder Hänger.

Doch der Charme von ausgestellten Alltagsgegenständen besteht vor allem in der Wiedererkennung. Zu solchen Dingen fällt jedem eine persönliche Geschichte ein, und diese Nahbarkeit wird in Nürnberg verstärkt durch seitlich offene Glasscheiben über den Exponaten. Das bietet ihnen Schutz, hat aber nichts Vitrinenhaftes an sich. Bei dem Kinder-Plastikbügel mit ausgestanzten Märchenfiguren fällt einem sofort der ständig wegflutschende Stoff von Kleinmädchenblusen ein; beim sperrigen Modell aus Flachholz die letzte Hotel-Fehlbuchung, aus der doch noch ein schöner Wochenendurlaub wurde. Man spaziert durch den Raum wie durch einen begehbaren Schrank mit reichlich Stoff für Erinnerungen.

Was eine erstaunliche Ausbeute ist für eine Ausstellung über simple Alltagshelfer. Dass Kleidung, die wir auf der Haut tragen, voller Emotionen und Geschichten steckt, ist klar. In gewisser Weise scheint das auch für die simulierten Holz- oder Plastikschultern zu gelten, die das Textil in Form halten. Vielleicht hat die Verbundenheit damit zu tun, dass im Kleiderschrank viele Versionen unseres Selbst hängen: der Mann in straffem Anzug oder legerem Cord, die Frau mit Blümchenbluse oder im Bleistiftrock. Morgens wird entschieden, wer will ich heute sein? Der Bügel hält jede Rollenidee (und jede Geschmacksverirrung) parat, verlässlich wie ein Butler.

Natürlich kommt in der Ausstellung am Ende auch das Mondäne ins Spiel, ob es nun Cary Grant repräsentiert oder ein reicher Bischof. Kleiderbügel waren lange das Privileg von Adel und Klerus, und ein sogenannter Paramentenbügel mit aufgespanntem Liturgiegewand ist das Prunkstück in Nürnberg. Für die weltliche Eleganz des klassischen Gentleman oder einer Dame thront symbolisch ein Überseekoffer mitten im Raum, mit stoffbezogenen Schubladen und, klar, passenden Bügeln für das knitterfreie Dinner. Wer für die Ausstattung seines Kleiderschranks viel Geld ausgeben möchte - Bügel aus hochwertig verarbeiteten Hölzern haben Anbieter wie Butler Luxury immer noch im Programm.

Den Reiz eines formschön gerundeten Bügels, womöglich mit Grand-Hotel-Aufdruck, kann der Sammler Matthias Dülp nachvollziehen. Er ist stolz auf ein - eher zierliches - Hotellerie-Exemplar in Graublau aus Paris. Wirklich angetan ist der Bamberger, der "irgendwie eines Tages" mit seiner Sammlung begann, aber von einem schlichten alten Modell aus glattem Buchenholz. Sorgfältig per Hand zusammengezimmert und an einer Bruchstelle mit Nägelchen repariert. Nachhaltig, schön anzusehen und leicht retro, also perfekt für das 21. Jahrhundert.

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Quelle:
SZ vom 23.03.2019
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