Süddeutsche Zeitung

Alkohol:Was gegen Kater hilft

Lesezeit: 6 min

Am Aschermittwoch will der Alkoholschädel bekämpft werden. Rezepte gibt es rund um die Welt - von Konterbier bis Schafskopfsülze.

Von SZ-Korrespondenten

Fastfood kann jeder - rund um die Welt gibt es aber viele weitere Varianten, um den Kater zu bekämpfen. Korrespondenten berichten aus ihren Feierzonen.

Großbritannien

Im Englischen gibt es eine Art der Katerbekämpfung, die mit dem schönen Ausdruck "Hair of the Dog" bezeichnet wird. Dieser geht darauf zurück, dass man in Schottland lange glaubte, dass der Biss eines tollwütigen Hundes am besten zu behandeln sei, indem man ein paar Haare auf die Wunde appliziert, und zwar Haare des Hundes, der einen gebissen hat. Heute bezeichnet der Ausdruck, dass man einen Kater zu lindern versucht, in dem man weiter Alkohol trinkt, also gewissermaßen, wie im Fall des Hundebisses, die Wirkung mit der Ursache bekämpft.

Die weitaus üblichere Art, einen Kater anzugehen, ist allerdings die, ein englisches Frühstück einzunehmen, auf der Insel genannt: "Full English" oder einfach "Fry-up". Es besteht üblicherweise aus Speck, Eiern, Bratwürsten, Baked Beans, Pilzen, Schmortomaten und Toast mit Butter. Dazu kommen regionale Varianten, in Schottland zum Beispiel schmuggeln sie gern noch Blutwurst mit auf den Teller. Das Ganze ist aufs Angenehmste zu viel, zu fettig und sehr ungesund - und lindert auch den hartnäckigsten Kater erstaunlich rasch. Christian Zaschke

Nordkorea

In Nordkorea ist anscheinend vieles besser, als die westliche Lügenpresse immer wieder behauptet. Nach der Entdeckung eines angeblichen Wunderimpfstoffs gegen Ebola, Mers, Tuberkulose, Krebs und HIV haben Nordkoreas Forscher nun den nächsten Durchbruch geschafft: Eigenen Angaben zufolge haben sie ein alkoholisches Getränk erfunden, das keinen Kater verursacht. Das Gesöff namens "Koryo Liquor" wird aus sechs Jahre altem Ginseng und Reis gebrannt und hat 30 bis 40 Prozent Alkohol. Er schmecke "süß und herzhaft" und führe nicht zu Kopfschmerzen, berichtete die Pyongyang Times. Nach jahrelanger Forschung in den Geheimlabors der Taedonggang Foodstuff Factory sei es gelungen, den bitteren Ginseng-Geschmack durch die Verwendung des geschmorten Klebreises zu eliminieren.

Falls der Likör tatsächlich so bekömmlich ist, wie die Staatsmedien verkünden, wäre das ein historischer Fortschritt für Nordkorea. Und es würde nicht nur die Kater-Situation, sondern vielleicht auch die Schlangen-Situation im Land deutlich verbessern. Denn als erfolgreichstes nordkoreanisches Alkoholgetränk galt bislang Pulrosul, Likör mit eingelegten Giftschlangen. Er verursacht zwar heftigen Kater, hilft aber angeblich bei Erektionsstörungen. Titus Arnu

USA

Wer nachts um zwei Uhr am Strand von Los Angeles spaziert, der hört nicht nur rauschende Wellen und wunderbare Walgesänge, sondern immer öfter das Geräusch gepflegter Arschbomben. Das bedeutet, dass mal wieder Leute vom Pier gesprungen sind und nun zum ein paar Kilometer nördlich gelegenen Steg schwimmen wollen. Es ist eine ziemlich tapfere Art der Katerbekämpfung: sich nach dem Bar-Besuch in den Pazifischen Ozean zu stürzen und im kühlen Wasser gemeinsam mit Delfinen und Seelöwen nach Norden zu paddeln.

Es gibt Gruppen, die sich am Wochenende zwischen zwei und sechs Uhr morgens am Strand treffen und Kopfweh und Übelkeit mit einem Spezial-Triathlon (Joggen, Schwimmen, Konterbier) bekämpfen. In einer Stadt, in der es auch das Angebot gibt, sich am Morgen danach eine Vitamin-Infusion nach Hause zu bestellen, ist dies die harmloseste Variante der Hangover- Cure - man muss ja vorher nicht unbedingt vom 15 Meter hohen Pier hüpfen. Eine entspanntere Methode ist gerade auch sehr populär: vor dem Einschlafen Marihuana rauchen (ist ja erlaubt), mit der Begründung, man würde dann tiefer schlafen und am nächsten Morgen trotz Gelages ausgeruht sein. Jürgen Schmieder

Peru

Es ist kein Geheimnis mehr, dass die peruanische Küche zu den aufregendsten der Welt gehört. Wo gerne gegessen wird, wird aber auch gerne getrunken, in Peru vor allem Pisco, ein Destillat aus Traubenmost. Zu den gastronomischen Ambitionen vieler Peruaner gehört es wiederum, den Nachwehen des Pisco-Genusses mit einem innovativen Katerfrühstück zu begegnen. Das entsprechende Nationalgericht heißt "Sopa Levanta Muertos", etwa: Toten-Erweckungs-Suppe.

Traditionell werden dafür Fischköpfe mit Zwiebeln, Petersilie und Zitronenscheiben in einen Topf geworfen und miteinander aufgekocht. Inzwischen nimmt sich aber auch die Haute Cuisine dieses Themas an und hilft nach besten Kräften bei der Bekämpfung der Kopfschmerzen. Perus berühmtester Sternekoch Gastón Acurio serviert seine Toten-Auferstehungssuppe eiskalt und in Schnapsgläschen. Sie enthält neben Krebsfleisch die seltene Chili-Sorte Rocoto und, da schließt sich der Kreis wieder, einen Schuss Pisco. Boris Herrmann

Island

Ein verkaterter Isländer isst am liebsten Burger, Pommes und Hotdogs. Schafskopfsülze, Sviðasulta, war wohl schon immer eher die Notlösung. Sie stammt aus einer Zeit, in der die Isländer auf ihrer kargen Insel nichts verkommen ließen. Bis heute versuchen sie, sich möglichst von heimischen Tieren und Pflanzen zu ernähren. Fleisch von außerhalb, ob tot oder lebendig, muss tierärztlich untersucht werden. Ein Streik der Veterinäre hat im vergangenen Jahr zu Fleischknappheit geführt.

Gut, dass es die alten Rezepte gibt: Für Sviðasulta wird der enthaarte Schafskopf in Salzwasser gekocht. Man kann ihn dann gleich frisch aus dem Topf mit Kartoffelpüree essen, oder das Fleisch für die Sülze ablösen, in eine Form pressen und kalt werden lassen. Besonders beliebt ist Sviðasulta zum Þorrablót, Thorrablot, einem heidnischen Mittwinter-Fest irgendwann im Januar oder Februar. Dazu gehören für Isländer die Gerichte ihrer hartgesottenen Vorfahren, neben Schafkopfsülze beispielsweise fermentierter Hai, Trockenfisch und Schafbock-Hoden. Silke Bigalke

Australien

Zu einem kultivierten Kater gehört das Selbstmitleid. In Sydney aber weiß man: Für solche Schwächeleien hat niemand Zeit - deswegen versucht man, die Sache professionell anzugehen, also: intravenös. Seit Dezember 2015 kann sich in der "Hangover Clinic" jeder an den Tropf hängen lassen, der am nächsten Tag nicht dämmern, sondern surfen, wandern oder weitertrinken will.

Je nach Katergrad werden verschiedene Behandlungen angeboten, die 30 bis 60 Minuten dauern und 95 bis 200 australische Dollar, also etwa 60 bis 125 Euro kosten: Sauerstoff, Infusionen, Vitamincocktail, Medikamente, Hydropackung, alles überwacht von Ärzten. Die Klinik wirbt damit, auch Jetlag, Grippe und Muskelkater zu lindern. Nie wieder Selbstmitleid? Zumindest sehen die Mittzwanziger auf der Webseite der Einrichtung so glücklich aus, als ob sie schon wieder fit seien für die nächste Party. Kritiker befürchten, dass solch ein Angebot zu übermäßigem Saufen führen könnte. Ach, es ist schon ein Teufelskreis. Friederike Zoe Grasshoff

Frankreich

Franzosen sind keine radikalen Karnevalisten. Vielleicht hält sich deshalb auch die Originalität ihrer Anti-Kater-Mixturen in Grenzen - jedenfalls im Vergleich zur Qualität ihrer Weinkellereien und Schnapsbrennereien. Weitverbreitet ist die eher südeuropäisch anmutende Katertherapie, vor dem hochprozentigen Abend einen Löffel Olivenöl einzunehmen. Das beugt vor, um von vornherein "ein holziges Maul" (la gueule de bois, französisch für Kater) zu vermeiden.

Brummt am Morgen danach dennoch der Schädel, haben die Regionen eigene Rezepte: Im Süden, in Zentralfrankreich und Paris verarztet sich der Leidende mit ein paar Tropfen Pastis oder Fernet Branca. Drastischer, aber wirkungsvoll ist ein Rezept aus der Bretagne. Der Menschenschlag auf der von rauer See umfangenen Halbinsel vertraut gegen die Nachwehen des Alkohols auf ein Glas Meerwasser in Kombination mit trocken Brot. Die Mixtur, versichern die Bretonen, helfe nicht nur gegen Kater, sondern auch gegen Seekrankheit. Christian Wernicke

Russland

Auch nur einen Teil aller russischen Verhaltensregeln, Rezepte und Mittelchen gegen den Kater aufzuzählen, würde dieses Format sprengen. Böse Zungen sagen, die russische Küche habe sich überhaupt erst aus der Katerbekämpfung entwickelt: Alle die Speisen mit Hering, Gurke, Speck, Kraut. Wenn nichts davon verfügbar ist, hilft der Klassiker: Wasser von eingelegten Gurken. Kefir ist auch beliebt, aber Vorsicht! Bei der Kombination mit anderen Mitteln kann es zu Wechselwirkungen kommen. Sauerkraut und Kefir etwa ergeben im Magen eine explosive Mischung.

Die Besonderheit der russischen Trinkkultur aber liegt in einer Tugend, die auf anderen Gebieten in Russland nicht gerade ausgeprägt ist: langfristiges Denken und vorbeugendes Handeln. Wer zu jedem Glas Wodka einen Happen isst - Kaviar, Kraut oder Schwarzbrot - und am besten noch einen Schluck Moosbeerensaft hinterher trinkt, der bekämpft den Kater schon im Entstehen. Und wacht am nächsten Tag frisch wie ein Gürkchen auf. Julian Hans

China

Das Thema Wein ist ein eigenes Genre in der chinesischen Poesie. Der geniale Trinker und Poet Li Bai (701 bis 762) starb der Legende zufolge, als er bei einer Bootsfahrt nach dem Mond im Wasser haschen wollte. In seinem Werk "Betrunken an einem Frühlingstag" beschreibt er, wie er nach einem Besäufnis orientierungslos auf seiner Veranda aufwacht - aber ein Katerrezept verrät auch er nicht.

Die Chinesen sind bei der Katerbekämpfung oft ähnlich ratlos wie der Rest der Welt. Mal soll Ingwer helfen, mal Chrysanthemen-Tee. Eine gewisse Wirkung wird den Blüten der Kuzu-Blume nachgesagt, ein Sprichwort behauptet, man könne mit Hilfe der Blume "1000 Gläser trinken, ohne betrunken zu werden". Die meisten Chinesen verlassen sich aber lieber auf das Hausmittel Nummer eins: Reisbrei. Ist gesalzen, enthält viel Flüssigkeit und verlangt keine anstrengenden Kaubewegungen. Der Dichter Li Bai half sich derweil auf andere Weise: "Ich seufzte und füllte mir nach von dem Wein, der da stand." Kai Strittmatter

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2857334
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.