Süddeutsche Zeitung

Kolumne "Eigener Herd":Bestes Bowl Food

Lesezeit: 3 min

Die Dicke Bohne fristet ein kulinarisches Nischendasein. Zu Unrecht natürlich. Vor allem jung und frisch geerntet ist sie besonders fein und macht einfachste Salate zum Festessen.

Von Marten Rolff

Es gibt Lebensmittel, die mit ihrem Namen einfach Pech haben. Und ginge es um juristische Personen, dann wären sie damit heute ein Fall für Gleichstellungsbeauftragte oder Diskriminierungsklagen. Zu ihnen gehört die Dicke Bohne, die auch Sau-, Puff-, Pferde-, Feld- oder Ackerbohne genannt wird. Alles Bezeichnungen also, die sie nicht gerade als Delikatesse erkennbar machen. Und die daher rühren, dass die Dicke Bohne bereits im antiken Rom ein sogenanntes Arme-Leute-Essen war, sie anspruchslos ist und eine der wenigen Kulturpflanzen, die sogar auf den salzigen Äckern der Nordseeküste zurechtkommen. Nicht nur dort wird sie seit Langem vor allem als Viehfutter oder Gründünger eingesetzt.

Gemessen an den Eigenschaften der duldsamen Bohne sind all ihre Namen also nicht unbedingt falsch, aber eben trotzdem irreführend. Es geht ja schon damit los, dass die Dicke Bohne botanisch gesehen gar keine Bohne ist, sondern ein Wickengewächs. Und nicht nur in den besseren Küchen weiß man schon länger, dass "Arme-Leute-Essen" heute fast ein kulinarischer Adelstitel ist, vorausgesetzt, es geht um ein Gericht von früher und nicht um einen Billigteller der Lebensmittelindustrie. Weil die "armen Leute" eben wussten, was bezahlbar und trotzdem gesund ist (die Bohne enthält viel Eiweiß), und was sich gut abwandeln oder aufwerten lässt, damit man es selbst dann nicht über hat, wenn es dreimal die Woche auf den Tisch kommt. Nicht ohne Grund haben es sogar Brotverwertungsgerichte wie "Armer Ritter" oder Panzanella (toskanischer Brotsalat) - entsprechend verfeinert - bis in die Gourmetküche geschafft.

Ein weiterer Irrtum ist, dass die Dicke Bohne notwendigerweise dick sein muss. Im Gegenteil. Die Saison geht noch bis weit in den August hinein, aber jetzt im Frühsommer, jung geerntet, ist sie oft klein, zart und besonders edel. Sie erinnert an Sojabohnen, ist aber grasiger, milchiger, feiner und oft ähnlich nussig im Geschmack. Mit Glück findet man in manchen Supermärkten jetzt auch erstaunlich gute Tiefkühlware. Noch besser aber kauft man knackfrische Ernte auf dem Markt und macht sich die Mühe, die Bohnen aus ihren Schoten zu pellen. Und bei Bedarf auch noch aus ihrer etwas knautschigen Haut, was aber eigentlich nicht nötig ist.

Der feinsinnige britische Koch Hugh Fearnley-Whittingstall, kurz HFW, geht sogar noch weiter. Er empfiehlt, die geschälten Bohnen in größere, mittlere und kleinere Exemplare zu sortieren. Beim Blanchieren beginnt er dann mit den großen, gibt die weiteren Größen im Minutenabstand mit in den Topf und lässt alles zusammen am Ende noch eine weitere Minute garen. Aber klar, nicht jeder hat Zeit und Nerven für so viel Achtsamkeit wie der Küchenintellektuelle HWF, der Philosophie in Oxford studierte und später mit River Cottage in Devon eine mit allen Bioweihen zertifizierte Modellfarm aufbaute.

Die Dicke Bohne lässt sich endlos kombinieren

Die Rezepte von HWF (zum Beispiel "Drei gute Dinge auf dem Teller" oder "Täglich vegetarisch") sind dann aber oft so schlicht wie überzeugend und angenehm praktikabel. Die blanchierten Bohnen zum Beispiel kombiniert er mit 1 bis 2 EL kross gebratenem Speck (er rät zu Pancetta) und ein paar gebratenen Frühlingszwiebel-Ringen, würzt alles mit etwas Zitronensaft, Salz und Pfeffer und serviert es auf (gebuttertem) Toast.

Ihren ganzen Frühsommercharme aber entfaltet die Dicke Bohne in Salaten, die sie - ob fleischlos oder nicht - mühelos zum Hauptgericht aufwertet. Wobei es ein Vorteil ist, dass sie sich nahezu endlos kombinieren lässt, ob mit Bulgur, Couscous, Blattsalaten, Graupen oder gebratenem Gemüse. Mit Joghurtdip oder Vinaigrette. Zeitgeistiger ausgedrückt handelt es sich also um perfektes Bowl Food. So lassen sich HWFs blanchierte Pancetta-Bohnen zum Beispiel auch gut mit gebratener Birne und ein paar lauwarmen Kartoffelwürfeln (festkochend) kombinieren. Fertig ist ein norddeutscher Klassiker als moderne Picknick-Variante.

Kartoffelwürfel sind ohnehin ein dankbarer Bohnenpartner (roh nur wenige Bohnen essen, da sie ungegart Phytohämagglutinin enthalten). Mit etwas klein geschnittenem Schafskäse, gerösteten Kernen (Sesam oder Sonnenblume) Feldsalat (oder Rucola) und Kresse wird ein großartiger Salat daraus, zu dem eine Vinaigrette mit scharfem Senf, Honig, mildem Weißweinessig, Walnussöl, Salz und Pfeffer passt. Sehr frisch macht sich etwas Abrieb von der Bio-Zitrone darin. Wer lieber gebratenen Lachs dazu mag, lässt den Schafskäse eben weg. Auch gebratene Pfifferlinge oder Avocadostreifen wären eine Überlegung wert.

So könnte man nahezu endlos weiterkombinieren. Wie gesagt, die Dicke Bohne ist unkompliziert. Was nicht bedeutet, sie sei nur etwas für Anspruchslose. Ab Herbst lässt sie sich übrigens - getrocknet und gewässert - sehr gut zu Eintöpfen weiterverarbeiten. Aber bis dahin dauert es ja zum Glück noch.

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