Süddeutsche Zeitung

Zweite Bundesliga:Gelähmte Löwen

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Von Korbinian Eisenberger

Den gut 20 000 Zuschauern in der Fröttmaninger Arena war am Sonntag schaurig zumute, als nach dem Schlusspfiff die Sechzger-Hymne durchs Stadion dröhnte. Dass es den Löwen tatsächlich geglückt war, sich gegen den Tabellen-Vorletzten Erzgebirge Aue mit einem 0:1 zurück in die Niederungen des Abstiegskampfs zu spielen, ließ einige Schalträger auf der Tribüne um Fassung ringen. Vielleicht war es ganz gut, dass die Fans da noch nichts vom Ergebnis des Montagabendspiels zwischen St. Pauli und Düsseldorf wussten: Durch das 4:0 der Hamburger ist der TSV weiter in Bedrängnis geraten, der Verein steht auf den bedrohlichen Plätzen nur noch knapp vor der Konkurrenz.

Statt der erhofften Entspannung hat sich die Lage verschärft, die Stimmung ist gedämpft. "Wir sind enttäuscht, aber nicht entmutigt", sagte Trainer Torsten Fröhling, der sich nach sechs Spielen als Löwen-Cheftrainer bereits an den Durchhalte-Tonfall gewöhnt hat. Ihm bleiben weitere sieben, um zu verhindern, dass der Klub nach 22 Jahren wieder in die Drittklassigkeit zurückkehrt.

Der Effekt des Trainer-Wechsels scheint verpufft

Dabei war der TSV 1860 mit dem Ziel in die Saison gestartet, endlich wieder erstklassig zu werden. Ein Bundesliga-Stadtderby gegen die Bayern, wie zuletzt vor elf Jahren - für Löwen-Anhänger derzeit nicht mehr als ein Traum. Zuletzt trösteten sich Fans noch mit dem Regionalliga-Derby der Amateur-Mannschaften, doch auch da gewannen am Montag die Bayern mit 1:0.

Dass Fröhlings Elf gegen Aue eines ihrer engagierteren Spiele gezeigt hatte, kaschiert nach dem 27. Spieltag nicht, dass der TSV weiter tief im Schlamassel steckt. Ein Problem der Mannschaft ist, dass sie im eigenen Stadion und in Duellen gegen direkte Konkurrenten kaum Tore schießt. In Spielen gegen die sechs Teams am Tabellenende gelang den Löwen in dieser Saison erst ein Sieg.

Bei jenem 2:1 gegen St. Pauli war erstmals Fröhling auf der Trainerbank gesessen - der Effekt der Trainerrochade, so scheint es, ist mittlerweile jedoch verpufft. In der Heimtabelle liegen die Löwen auf dem letzten Platz. Da dürfte die Tatsache, dass es am kommenden Samstag zu einem Gastspiel nach Braunschweig geht, eher Mut machen. Doch ob es ausgerechnet beim heimstarken Tabellenfünften besser wird?

Beim jetzigen Zustand der Mannschaft lässt sich erahnen, dass die Angst vor einem weiteren Absturz bei den Spielern längst lähmende Wirkung hat. Dennoch appelliert Kapitän Christopher Schindler an den Arbeitswillen seiner Kollegen. "Wenn wir jetzt den Kopf runter nehmen, dann wird's gefährlich", sagt der Abwehrmann. Hoffnung dürfte die Tatsache machen, dass zuletzt wenigstens die Einstellung stimmte. Gegen Aue zeigte sich die Elf spielerisch überlegen - allein treffen wollte niemand.

Wie so oft in dieser Saison schaffte es die Sturmreihe um Korbinian Vollmann, Rodri und Daniel Adlung trotz feiner Gelegenheiten nicht, vorne einzuschlagen. Sechzig-Sportdirektor Gerhard Poschner wollte deshalb "das Ding moralisch verarbeitet" haben, die Sache mit dem Toreschießen entscheidet sich schließlich auch im Kopf. "Wir müssen da jetzt durch, und wir werden da auch durchgehen", sagt Poschner. "Deswegen ist man Profi."

Das Restprogramm könnte entscheidend sein

Es ist eine verzwickte Situation, eine Nuance Optimismus ist dennoch angebracht. Die Konkurrenz aus Aalen, Aue und St. Pauli steht ja noch hinter den Löwen - von der Leistungsstärke sollten die Münchner eigentlich auch am Ende vor diesem Trio landen. Auch wenn mit Braunschweig, Bochum, Düsseldorf, Union Berlin und dem KSC noch fünf Gegner aus der oberen Tabellenhälfte warten - der TSV hat von allen Abstiegskandidaten die beste Ausgangslage.

Die verbleibenden Aufgaben der Konkurrenz sind schließlich ebenso stattlich: St. Pauli bekommt es noch mit Darmstadt, Kaiserslautern und Karlsruhe zu tun. Aue und Aalen treffen auch größtenteils auf Teams aus der oberen Tabellenhälfte. Die direkten Duelle - und das scheint für die Sechzger die beste Nachricht - sind bereits alle gespielt.

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