Süddeutsche Zeitung

Zweite Liga: Lautern steigt auf:Aufstieg im Rathaus

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Rostock vertagt mit einem 1:0 in Kaiserslautern die Party am höchsten Berg der Bundesliga - trotzdem erreicht der FCK sein Ziel und kehrt nach Augsburgs 1:1 in Frankfurt ins Oberhaus zurück.

Moritz Kielbassa

Es ist nicht weit von Kaiserslautern nach Frankreich, aber wohl trotzdem Zufall, dass sich der FCK in dieser Saison an einer Devise französischer Staatsmänner orientiert hat: Y penser, toujours, n'en parler jamais - immer daran denken, nie davon sprechen! Nichts anderes als den Aufstieg hatten sie im Sinn, vom ersten Tag an, trotzdem hielten sich alle im Verein an die verbale Ausgangssperre - bis am Sonntag Fakten geschaffen waren, dank des 1:1 von Verfolger Augsburg. 1441 Tage nach dem Verlust der Erstliga-Zulassung 2006 machte Kaiserslautern den Wiederaufstieg perfekt. Spieler und Spielerfrauen hatten sich im Rathaus zum Fernsehen verabredet. "Nach dem Schlusspfiff ist alles aus uns rausgebrochen, es ist ergreifend", schilderte Vorstandschef Stefan Kuntz.

Spontane Jubel-Kundgebungen folgten in der Stadt des viermaligen deutschen Meisters und Bundesliga-Gründungsmitglieds. "De Fußball kummt häm", sagen sie in der Westpfalz, in Anlehnung an einen englischen Song - heim auf den höchsten Berg der Liga, wo früher die Bayern und Real Madrid Prügel bekamen. Wo die Emotionen kochen. Wo einst Wadlbeißer den Rasen umpflügten. Und wo 50.000 rot-weiß Kostümierte schon am Freitag Party machen wollten.

Stunden vor dem Spiel gegen Rostock (0:1) fotografierten sich bereits Fans mit Aufstiegsschals am "Elf-Freunde-Kreisel", dem Ehrenmal für alte Lauterer Helden am Fuße des Betzenbergs. Doch die offizielle Fete musste auf das letzte Saisonspiel verschoben werden. Vielleicht schien am Freitag zu sehr die Sonne, vielleicht brauchen sie hier für Triumphe wirklich jenes mythisierte Fritz-Walter-Wetter, wie zuletzt beim lebensrettenden 3:0 im Regen gegen Köln, das erst am letzten Spieltag 2008 den Sturz in die dritten Liga verhinderte. Ins Nichts.

Die jüngste Elf ist die beste

Freitag unterlag also der FCK - nach einem vergebenen Elfmeter von Sidney Sam - dem FC Hansa Rostock. Die Flutung des Stadions blieb aus, die Feiermeile in der City leer, und man sah in diesem Spiel der weichen Knie, warum der neue Trainer und Bergprediger Marco Kurz stets zu Understatement und Geduld gemahnt hatte. Zu einer Politik der kleinen Schritte für seine Elf, die jüngste der Liga (Schnitt 24,6 Jahre). Die zur besten wurde.

Als Kuntz 2008, an der Schwelle zum sportlichen und wirtschaftlichen Totalschaden, als Vorstandschef anfing, nannte er 2012 als Zieldatum für die erste Liga. Jahre provinzieller Misswirtschaft in der Führung hatten das Image beschädigt, im eigenen Umfeld gab es Vertrauensverlust und Liebesentzug. Wegen des Nachlasses der Vorgänger - tiefrote Zahlen, zuletzt ein saftiger Steuernachbescheid (3,2 Millionen Euro) - ist Kuntz zum Sparen verpflichtet. Sogar der Tabubruch, den Stadionnamen zu verkaufen, wird erwogen, eine Mietminderung bei der Stadt wurde erwirkt.

Und nur eine Vielzahl sehr guter Leihspieler ermöglichten den Aufstieg. Auch in der ersten Liga fordert die Etatgröße (wird angehoben auf 15 Millionen Euro) von Kuntz erneut ein Händchen für Transferschnäppchen. "Finanziell konsolidiert sind wir erst nach drei Jahren oben", sagt der um Seriosität bemühte Vorstand- und er verhehlt nicht, dass 2012 vielleicht zu spät gewesen fürs Erreichen der Fleischtöpfe. "Nur durch den Aufstieg ist eine Sanierung möglich. Noch ein Jahr zweite Liga wäre schwer zu verkraften gewesen."

Ein Händchen hatte der 47-jährige Kuntz auch bei der Trainerwahl. Kurz, lobt der Vorgesetzte, sei ein "authentischer Botschafter unserer Werte. Er findet Zugang zu den Spielern und hat dem Team ein fußballerisches Gesicht gegeben." Bundesweit hat der FCK stets polarisiert. Wegen seiner Fans, deren inbrünstige Parteinahme bisweilen ins Fanatische lappt. Und wegen seiner giftigen Kämpfer und Grätscher auf dem Platz. "Herzblut" hieß das Leitmotiv für den Wiederaufstieg, Leidenschaft ist weiterhin ein starker Faktor beim FCK. Doch der 40-jährige Kurz hat der Traditionsklub-Folklore moderne Trainingslehre und einen kultivierten Spielstil zugeführt. Der beinhaltete - neben Fitness und einer marmorharten, fast immer gleich besetzten Defensive - pfiffiges Flügelspiel, flexible offensive Lösungen und kurze Pässe statt Rustikalgebolze. Dieser Tupfen Charme kann nicht schaden bei der Rückkehr auf die große Bühne.

Im Schnitt 35.400 trieben das Team zuletzt wieder an. Kurz hat sich akklimatisiert in diesem Milieu. Er tritt zwar radikal sachlich auf, als Spieler und Trainer war er aber fast immer bei Vereinen großer Gefühle (Schalke, Dortmund, Nürnberg, 1860), sein Vater Edgar ist Präsident der Stuttgarter Kickers. In der Kabine und der Coaching Zone zeigt Kurz ein emotionales Ich. Den Spielern überträgt er hundertprozentiges Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Das hat er - trotz der rhetorischen Zurückhaltung. Mehr Sein als Schein, das lehrt er dem FCK.

Trainer mit Akribie und Nähe

Und Akribie, Respekt, Neugier. "Ich habe mir nie angemaßt, als Ex-Profi gleich ein guter Trainer zu sein", sagt Kurz. Der frühere Abwehrarbeiter, der stets in Sportklamotten dirgiert, biss sich hinein in den Beruf: Pfullendorf am Bodensee, 1860 München II. Dem Team erstellt er visuelle Lernmittel (Plakate mit Bildern und Merkmalen der Gegenspieler), in der Mannschaftsführung lässt Kurz (war am Sonntag bei der Familie) Nähe und rege Kommunikation zu.

Kaiserslautern war für Kurz die große Bewährung, nach dem Aus bei 1860 München. Eine Liga höher warten neue harte Prüfungen, zumal der FCK in dieser Saison, perspektivisch gesehen, fast einen Tick zu gut war, zu auffällig: Torjäger Jendrisek soll mit Schalke flirten, Stuttgart beruft wohl die Mittelfeld-Leihgabe Mandjeck zurück, der HSV hätte Zugriff auf Topdribbler Sam (zehn Tore, sechs Vorlagen). Als Zugang steht Christian Tiffert (Duisburg) fest, Gerüchte um eine Rückkehr von Nationalstürmer Klose sind wohl eher Utopie.

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SZ vom 26.04.2010/jbe
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