Süddeutsche Zeitung

Wintersport:Bob-WM in letzter Minute

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Von Johannes Kirchmeier

Thomas Schwab hat sich noch einmal umgesehen in den vergangenen Tagen. Er hat alle Vorbereitungen kontrolliert: den Aufbau der Bühne, die Tribünen an der Strecke, die Eisrinne selbst. Er zählt das alles zu seinem Aufgabenbereich: "Ich muss ja schauen, dass alles richtig läuft." Schwab ist der Präsident des Organisationskomitees der Bob- und Skeleton-Weltmeisterschaft in Schönau am Königssee. Und als Träger dieser langen Amtsbezeichnung und nach allen Überprüfungen in den vergangenen Tagen hält er fest: "Es läuft alles nach Plan." Er sagt es leise in den Telefonhörer, aber vor allem sagt er es zufrieden.

Was einerseits mit seinem Amt zu tun hat, andererseits aber auch mit den Umständen: Denn bevor die Bob- und Skeleton-WM am Königssee an diesem Freitagnachmittag losgehen konnte (bis 26. Februar), mussten die Schönauer einen echten Kraftakt bewältigen. Drei Jahre dauert es im Normalfall von der Vergabe einer WM bis zur Ausrichtung - Schwab und seine Mannschaft hatten zwei Monate Zeit für die Vorbereitung. Mitte Dezember ging der Zuschlag an die Kunsteisbahn in Königssee, nachdem der Internationale Bob- und Skeletonverband (IBSF) dem russischen Ort Sotschi die Austragung wenige Tage zuvor entzogen hatte. Dem war eine Revolution von unten vorausgegangen: Einige Athleten weigerten sich nach der Veröffentlichung der Doping-Praktiken des russischen Olympia-Teams von Sotschi 2014 im so genannten McLaren-Report, sich erneut an diesem Ort im Kampf um Medaillen zu messen. Der IBSF war zum Entzug gezwungen.

Ein erfahrener, weniger umstrittener Ersatzgastgeber musste her. Neben der ältesten Kunsteisbahn der Welt am Königssee bewarben sich auch St. Moritz in der Schweiz und zwei nordamerikanische Austragungsorte. Eine Bob-WM mag nicht so groß wie eine Fußball-WM sein, es müssen sich nicht zehn oder mehr neue Orte auf Spiele einstellen - einer gewissen Vorausplanung bedarf es aber schon. Und am Königssee verfügen sie nun über einen großen Erfahrungsschatz. Im vergangenen Jahr richteten sie die WM der Rodler aus, vor sechs Jahren eine Bob- und Skeleton-WM. Die Helfer an der Strecke um Bahn-Chef Markus Aschauer sind dieselben. Im Januar hielt der Ort bereits seinen Testlauf ab: das diesjährige Weltcup-Wochenende.

Die Nationalhymne ist schon vorbereitet

Knifflig wurde es für Schwab zu Beginn der Planungen sowieso nicht an der Eisrinne, sondern eher auf seinem Bürostuhl: Schließlich waren die zwei Wochen an der Bahn eigentlich verplant. Der Nachwuchs hätte trainiert und Rennen absolviert. Die Rennen wurden an andere Bahnen weitergegeben, für die Trainingseinheiten haben sie den Betrieb in diesem Winter etwas verlängert. Optimal sei das nicht, findet auch Schwab. Aber sie tun das alles dafür, "um der Welt zu zeigen, dass man es auch schafft, eine WM in zwei Monaten zu organisieren", wie der 54-Jährige sagt.

Im deutschen Team kommt die Heim-WM natürlich gut an. Bobpilotin Mariama Jamanka berichtete freudig von ihren ersten Eindrücken, als bereits bei den Trainingsfahrten im Ziel die Zuschauer applaudierten. Bundestrainer René Spies sieht die Heim-WM als Generalprobe für die Olympischen Winterspiele 2018 in Pyeongchang, in Südkorea: "Denn der Druck wird dort sehr, sehr groß sein. Und hier am Königssee ist die Erwartungshaltung natürlich ebenfalls schon hoch an mein Team."

So wie an Thomas Schwab und dessen Team. Als die WM im Dezember vergeben werden sollte, kristallisierte sich schnell ein Favorit heraus. "Die Leute im Weltverband haben gesagt: Wenn das irgendein Veranstalter schafft, dann ist das Königssee." Die Last-Minute-Aufgabe haben sie im Berchtesgadener Talkessel angenommen. Sie sind auf alle Eventualitäten vorbereitet - auch wenn es für sie etwas zu feiern geben sollte: "Natürlich" hat Schwab auch schon die deutsche Nationalhymne vorbereiten lassen.

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Quelle:
SZ vom 17.02.2017
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