Süddeutsche Zeitung

Wintersport:Deutsche Biathletinnen - unheimlich gut

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Von Volker Kreisl, Hochfilzen

Sonntagmittag, zur Staffelzeit, war die derzeit beste deutsche Biathletin schon wieder zu Hause. Laura Dahlmeier drehte Trainingsrunden in Seefeld in der Nähe ihrer Heimat Garmisch-Partenkirchen. Das war so geplant, denn Dahlmeier war im Herbst mehrmals krank, hatte sich immer schlechter gefühlt und irgendwann eine längere Pause eingelegt.

Am Freitag war sie zwar schon mal zum Weltcupteam gestoßen, am Samstag hatte sie sogar überraschend das Verfolgungsrennen in Hochfilzen gewonnen, aber am Erholungsplan der Trainer änderte sich nichts. In normalen Zeiten ist eine Siegerin automatisch für die Staffel am nächsten Tag gesetzt. Aber normale Zeiten sind es eben gerade nicht für das deutsche Biathlon-Frauenteam.

Die Rekonvaleszentin und Siegerin Laura Dahlmeier wird während dieses Trainingssonntages also um 11.15 Uhr irgendwo den Fernseher eingeschaltet haben, um zu sehen, wie sich ihre Teamkolleginnen schlagen. Zwei triftige Gründe hätte sie dafür gehabt: Einerseits, weil an diesem furiosen deutschen Wochenende in Hochfilzen ein weiterer Sieg zu erwarten war, andererseits weil in dieser Mannschaft jederzeit neue Dahlmeiers zu erwarten sind.

Und tatsächlich: Die Staffel wurde zwar nur Zweite hinter Italien, dafür boten sich für den Top-Zirkel um Dahlmeier wieder andere Läuferinnen an, zum Beispiel Franziska Preuß, die der läuferisch überragenden italienischen Schlussläuferin Dorothea Wierer erst auf den letzten zwei, drei Metern vor der Ziellinie unterlag.

Noch nie hat eine deutsche Biathlon-Frauen-Mannschaft derart früh so ein hohes Niveau gezeigt. Während bei den Männern, die in der Staffel Fünfte wurden, nur Simon Schempp Top-Niveau in Hochfilzen erreichte, haben die Biathletinnen den erfolgreichen Weltcup-Auftakt von Östersund nahtlos fortgesetzt. Das Sextett der Bundestrainer Gerald Hönig und Tobias Reiter dominierte in Hochfilzen sowohl Sprint als auch Verfolgung, und dies jeweils in unterschiedlichen Konstellationen mit verschiedenen Namen.

Im Sprint gab es ein deutsches Podest - Franziska Hildebrand, Maren Hammerschmidt, Miriam Gössner - dazu den sechsten Platz von Laura Dahlmeier. In der Verfolgung am Samstag belegten die deutschen Frauen die Ränge eins, zwei und vier - Dahlmeier, Hammerschmidt, Hildebrand. Hildebrand, Hammerschmidt, Hinz und Preuß wiederum scheiterten dann als Staffel knapp an Italien.

Die Dominanz überrascht das eigene Team, und plötzliche Dominanzen werfen in Ausdauersportarten längst auch Fragen auf. Zu oft wurde auch im Biathlon, zum Beispiel systematisch im russischen Verband, mit Dopingmitteln nachgeholfen. Und die Trainer der deutschen Frauen haben ja eigentlich mit deutlich schlechteren Laufzeiten gerechnet, denn die Planung des Tempos ist auf die Weltmeisterschaften im März ausgerichtet. Sie stecken also noch im Form-Aufbau und sind doch schon Weltspitze, was besonders in der Staffel auch wieder alle zeigten. Andererseits ist der Aufschwung der jungen Deutschen trotz der neuen Namensketten gar nicht so plötzlich.

Die Karrieren haben jedenfalls einen äußerlich schlüssigen Verlauf. Die Generation um Gössner, Hildebrandt und Hammerschmidt hatte zwischen 2008 und 2010 Juniorentitel gewonnen, der Jahrgang um Preuß/Dahlmeier/Hinz dann 2013. Aus diversen Gründen - Trainingsfehler, Wirbelbrüche, Sotschi-Traumata (Stürze bei Olympia, Letzte mit der Staffel) - verzögerte sich dann ein kontinuierlicher Formaufbau. In der vergangenen Saison deutete sich unter den neuen Trainern dann schon eine Trend-Umkehr an, und nun kulminieren offenbar alle positiven Trends. "Diese Mannschaft lässt für die Zukunft hoffen", sagt Hönig.

Das Niveau der Trainingsgruppen ist in Oberhof und Ruhpolding hoch, der Konkurrenzkampf, den sich jeder Trainer wünscht, zeigt Effekte. "Wenn man einmal gemerkt hat, man kann vorne mitlaufen, man kann so schießen wie diese Superstars um einen herum, das motiviert", sagt Hammerschmidt, 26. Und offenbar ist unter den jungen Läuferinnen trotz wachsender Konkurrenz auch die Stimmung noch harmonisch. Man freut sich für die anderen, auch wenn die meisten der sechs Biathletinnen irgendwann wohl anfangen zu rechnen. Denn die Startplätze für die Staffeln und WM-Rennen sind begrenzt. Intern für die WM in Oslo qualifiziert sind ohnehin schon alle.

Das birgt für die nächsten Weltcup-Rennen weitere Spannung. Objektiv gesehen hat sich in dieser Saison noch keine abgesetzt. Mal stand Hildebrand mit ihrem ersten Weltcupsieg im Fokus, dann Gössner mit überraschend konstanten Schießleistungen, dann wieder Hammerschmidt mit zwei starken Schlussrunden, und nun, in der Staffel: Hinz und Preuß.

Die Schlierseerin Hinz verkürzte den Rückstand, den Hildebrand und Hammerschmidt durch nervöses Nachladen angehäuft hatten - als Schlussläuferin überzeugte dann Preuß. Und Dahlmeier, die WM-Zweite aus Garmisch, die nun fit ist, muss wohl aufpassen, dass sie so schnell nicht wieder krank wird.

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Quelle:
SZ vom 14.12.2015
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