Süddeutsche Zeitung

Weltcup in Ruhpolding:Expertin für die dritte Disziplin im Biathlon

Lesezeit: 3 min

Von Saskia Aleythe, Ruhpolding

Es gibt eine dritte Disziplin im Biathlon, und die beherrscht Laura Dahlmeier wunderbar. Was nicht heißen soll, dass die anderen beiden der 22-Jährigen Probleme bereiten, aber neben dem Laufen und dem Schießen kann Dahlmeier vor allem eines: Ruhe bewahren. Das letzte Schießen im Verfolgungsrennen läuft, Dahlmeier steht auf der Matte bereit. Hinter ihr kreischen die 9000 Fans im Ruhpoldinger Stadion, neben ihr geht die Führende Gabriela Soukalova in die Strafrunde. Dahlmeier muss alles treffen, um noch eine Chance auf den Sieg zu haben. Es ist der Moment, der schon vielen Biathleten das Rennen vermiest hat.

Erster Treffer, lautes Jubeln hinter ihr, dann verliert Dahlmeier aber die Sicherheit - und macht einfach eine Pause. Sekunden vergehen, zweiter Treffer, dritter Treffer, vierter Treffer - und noch eine Pause. Dann erst der fünfte Treffer. Und eine letzte riesige Aufgabe: 13,1 Sekunden auf Soukalova aufholen. Doch am Ende wird Laura Dahlmeier die Ziellinie als Erste überqueren, es ist ihr dritter Sieg in diesem Winter. "Ich hab' selber gar nicht mehr daran geglaubt, dass es möglich ist, Gabi noch einzuholen." Dahlmeier ballt die Faust und lässt sich von den Tausenden feiern.

Soukalovas Beine werden müde

Eigentlich wollte Dahlmeier auf dieser harten letzten Runde nur den Abstand nach hinten aufrecht erhalten, doch dann habe sie gemerkt, dass Soukalova immer näher kommt. Was natürlich bedeutet, dass Dahlmeier der Tschechin immer näher gekommen ist. "Dann habe ich einfach versucht, den Kopf auszuschalten und Vollgas zu geben", erklärte Dahlmeier. "Ich habe sie atmen gehört", schilderte Soukalova, ihre Beine waren am Ende zu müde. Mit dem Ausgang des Rennens war sie dennoch zufrieden: "Am wichtigsten war es mir, auf der Strecke nicht zu stürzen."

Der Kunstschnee war durch das Tauwetter eisig geworden, auch Frauen-Bundestrainer Gerald Hönig verfolgte die letzte Runde angespannt, verspürte nach dem Sieg aber "Freude pur" - auch angesichts der Coolness von Dahlmeier am Schießstand. "Laura hat heute gezeigt, dass sie in allen Teildisziplinen klasse ist", sagte Hönig, "sie ist sich ihren Fähigkeiten voll bewusst. Beim Schießen hat sie den Rhythmus verloren, aber sie wusste, dass sie läuferisch aufholen kann."

Dabei hatte Dahlmeier noch über die Weihnachtspause ein Infekt belastet, wegen einer Erkältung hatte sie schon den Saisonstart in Östersund ausfallen lassen müssen. "Laura hat sich alle Grundlagen erworben, mit denen solche Leistungen möglich sind", erklärte Hönig den Umstand, dass Dahlmeier nach diesen ungeplanten Ausfällen gleich wieder topfit sein kann. Dahlmeier erklärt sich das auch mit ihrem ganz eigenen Lebensstil als Biathletin: "Ich brauche das Abschalten. Super ehrgeizig bin ich glaub ich nicht, ich kann auch mal ein bisschen faul sein."

"Toll, wenn immer eine durchkommt"

Wann immer sie kann, verschwindet Dahlmeier in den Bergen, vor allem das Klettern ist ihre Leidenschaft. Im vergangenen Jahr war sie im Yosemite-Nationalpark in Kalifornien klettern, ihr Nachtlager schlug sie an der Wand auf. "Das war ein cooles Gefühl, wenn man nur einen Klettergurt umhat, in seinem Schlafsack liegt auf einem kleinen Absatz, und es geht 800 Meter weit runter neben einem", sagt Dahlmeier, "diese Ausgesetztheit habe ich super schön gefunden." Mit sich und der Natur alleine sein, das mag Dahlmeier.

Natürlich hilft ihr das Klettern nicht nur mental. "Das Hobby kommt ihr entgegen", findet Hönig, "koordinativ, physisch und bei der Schnellkraft". Dass sie sich im Sommer 2014 bei einem Unfall einen Bänderriss holte und mit Problemen in den Weltcup startete, ist heute kein Thema mehr. Dahlmeier und die Berge gehören einfach zusammen.

Dahlmeiers Erfolg war nach dem Sprint-Sieg von Franziska Hildebrand am Vortag bereits der fünfte Weltcup-Erfolg der deutschen Frauen in diesem Winter. Hildebrand landete mit vier Schießfehlern in der Verfolgung auf Rang neun, "aber sie darf auch mal Fehler machen", befand Hönig. Grund zur Beschwerde gibt es derzeit ohnehin nicht, schließlich ist das deutsche Team so gut wie schon lange nicht mehr. "Es ist eine tolle Situation, wenn immer eine durchkommt", sagte Hönig noch. Beim Massenstart am Sonntag gibt es schon die nächste Gelegenheit.

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Quelle:
SZ vom 10.01.2016
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