Süddeutsche Zeitung

Dopingfall bei Olympia:Wie gemacht fürs FBI

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Der Fall Kamila Walijewa ist maßgeschneidert für das neue Anti-Betrugs-Gesetz aus den USA, das auf die Hinterleute abzielt. Die Causa wird zum ersten großen Stresstest.

Kommentar von Johannes Knuth

Der Brite Mark Adams ist seit vielen Jahren der Sprecher des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), und als solcher ist er ein Meister darin, Dinge weichzuspülen, bis deren wahre Konsistenz nur noch in Ansätzen zu spüren ist. Richtig festlegen mag Adams sich oft nur dann, wenn es darum geht, dass man sich bloß nicht allzu sehr auf irgendetwas festlegen sollte. Zum Beispiel im Fall der 15-jährigen Eiskunstläuferin Kamila Walijewa, in deren Dopingprobe ein verbotenes und zwei erlaubte Herzmittel gefunden wurden und die in Peking nun unter Vorbehalt läuft. All die bedeutungsschwangeren Äußerungen in der Causa seien ein "bisschen vorschnell", sagte Adams nun in Peking. Der Fall baue sich ja erst auf. Was in gewisser Weise stimmte - und zugleich schwer am Kern der Sache vorbeischoss.

Denn das Gefäß dieses Falls steht nun mal auf dem Tisch, und all die Inhalte, die zuletzt dort hineinflossen, ergaben ein recht klares Bild: Der Fall wirkt wie angegossen für den Rodtschenkow-Akt, jenes neue Anti-Betrugs-Gesetz in den USA, das nach dem Kronzeugen des russischen Staatsdopingskandals getauft wurde. Es zielt vor allem auf die Hinterleute des Sportbetrugs bei Großevents, an denen amerikanische Sportler und Sponsoren mitwirken. Also auch und speziell auf die Winterspiele in Peking und ihre Eiskunstlauf-Wettbewerbe, in denen Walijewa mit dem russischen Team bereits Gold gewann und die Kurzkür als Beste abschloss.

Reporter und IOC-Funktionäre hatten unabhängig voneinander berichtet, dass die Verteidigung von Walijewas Entourage auf einem erstaunlichen Fundament fuße: Das verbotene Herzmedikament müsse vom Großvater der Läuferin stammen - und irgendwie in den Körper der Enkelin gespült worden sein, indem beide etwa aus demselben Glas tranken. Diverse Experten wiesen diese Version als mindestens schwer zweifelhaft zurück.

Die Ermittler genießen den Vorteil, dass sie mit staatlichen Werkzeugen hantieren

Walijewas Trainerin Eteri Tutberidse hatte indes schon 2019 in einem TV-Interview ausgeplaudert, dass sie nach "etwas Neuem" suche, das ihren Schützlingen helfe, "sich von der Müdigkeit zu erholen" - nachdem das Herzmedikament Meldonium ja leider, leider auf der Verbotsliste gelandet war. Eine Trainerin auf der Suche nach einem neuen Herzmittel, drei Substanzen in der Probe einer 15-Jährigen - das legt weniger ein Versehen nahe, sondern einen klaren, missbräuchlichen Plan zur Leistungssteigerung. Oder in anderen Worten: eine Verschwörung rund um einen Sportler, also just das, worauf das neue US-Gesetz zielt.

Die staatlichen Ermittler, hier die Bundespolizei FBI und das Justizministerium, genießen nun den Vorteil, dass sie mit staatlichen Werkzeugen hantieren - im Gegensatz zum Sport, der ungern das volle Betrugsproblem im eigenen Stall freilegt und Athleten selbst dann freipaukt, wenn diese behaupten, sie hätten das Dopingmittel beim Küssen mit der Freundin übernommen. Wie nervös sie im Lichte dieser Entwicklungen im Olymp sind, konnte man zumindest erahnen, als IOC-Sprecher Adams am Mittwoch gefragt wurde, wie das IOC zum Rodtschenkow-Act stehe. Man kommentiere keine staatlichen Gesetze, entgegnete Adams knapp.

Der Fall Walijewa dürfte also zur Feuerprobe werden, ob und wie die Ermittler ihr neues Gesetz anwenden. Die zuständigen Behörden äußerten sich nicht auf mehrere SZ-Anfragen, ob sie in der Sache bereits aktiv sind. Aber wer diskret im Stillen ermitteln kann, muss sich ja auch nicht bedeutungsschwanger äußern.

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