Süddeutsche Zeitung

Volleyball:Rochade auf der Schlüsselposition

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Diagonalspieler Samuel Jeanlys verlässt Herrschings Volleyballer kurz vor dem Start der heißen Saisonphase. Deren Trainer spricht von einer "Win-win-win-Situation". Auch, weil der Nachfolger des Franzosen für die Zwischenrunde schon bereitsteht.

Von Sebastian Winter

Am 6. Januar stand Samuel Jeanlys noch einmal auf dem Feld für Herrschings Volleyballer, es war mal wieder eines dieser Spiele für den Franzosen, wie er sie oft gezeigt hatte seit seiner Verpflichtung im vergangenen Sommer. Mal blitzte sein Können auf, diese gewaltige Sprungkraft, der schnelle Armzug, in seinen besten Momenten konnte der 22-Jährige ja einer sein, der dem Block und der Abwehr des Gegners keine Chance lässt. Doch zwischendurch schlug er den Ball beim mühseligen 3:1-Erfolg über den Tabellenletzten immer mal wieder ohne Not in den Block oder ins Aus. Sein Aufschlag ist ohnehin noch in einem eher frühen Entwicklungsstadium.

Zwölf Punkte, davon zwei Blocks, es war ein ganz ordentlicher, wenn auch kein berauschender Auftritt von Jeanlys. Vor allem war es der vorerst letzte im Trikot der WWK Volleys. Denn der Diagonalspieler wechselt noch vor dem Start der Bundesliga-Zwischenrunde am kommenden Wochenende in seine Heimat zum Verein Poiters, dem Pokalsieger von 2020 und aktuellen Vorletzten der französischen Profiliga. "Sie nehmen gerade offenbar viel Geld in die Hand, um nicht abzusteigen, und wir kriegen eine fünfstellige Ablöse", sagte Max Hauser nüchtern zu den Gründen des Wechsels, "letztlich ist das auch ein Teil des Sportbusiness." Jeanlys' Freundin habe sich zugleich für einen Wechsel von Potsdam nach Poitiers entschlossen, das dürfte dessen Entscheidung befeuert haben.

Kurz vor Weihnachten hatten die Herrschinger das erste Angebot für Jeanlys erhalten, Hauser war stinksauer, weil das so wichtige Pokal-Halbfinale gegen Lüneburg anstand. "So etwas macht man nicht, das ist dann in den Köpfen der Spieler drin", sagt Hauser, der Poitiers "eine ziemliche Abfuhr" erteilte. Herrsching verlor das Pokalspiel mit 2:3, auch weil Jeanlys nicht der zuverlässige Punktesammler war, den der Klub vom Ammersee gebraucht hätte. Und Poitiers ließ auch danach nicht locker im Werben um Jeanlys - bis die Herrschinger dem Hochveranlagten die Freigabe erteilten.

"Ich freue mich, eins der weltberühmten Lederhosen-Trikots zu probieren", sagt Jeanlys' Nachfolger Schumann

Eigentlich ist es ziemlich ungewöhnlich, den wichtigsten Angreifer, der der Diagonalspieler nun mal ist, mitten in der Saison, und dann auch noch kurz vor dem Start der heißen Phase mit Zwischenrunde und Playoffs, ziehen zu lassen. Zumal Hauser bei der Verpflichtung von Jeanlys im Sommer noch gesagt hatte: "Wir wollen sein Potenzial entfalten." Die Saison hatte dann gut angefangen bei seiner ersten Auslandsstation, in den ersten sechs Spielen wurde Jeanlys viermal zum wertvollsten Spieler gewählt.

Doch sein Aufschlag erwies sich als Achillesferse - und das in einer Mannschaft, die von ihrer Wucht im Service lebt. Lediglich drei Asse in 14 Spielen stehen in seiner Statistik. "In meiner Analyse verlieren wir viele Spiele, weil wir schlechter aufschlagen. Und das war eine von Sams großen Schwächen", sagt Hauser. Jeanlys' unbestreitbar großes Potenzial schien nach dem vielversprechenden Start aber auch im Angriff zu selten auf. Der 2,02-Meter-Mann war einerseits Herrschings Topscorer und immerhin Nummer fünf der Liga, was die Anzahl der erzielten Angriffspunkte angeht. Zugleich stimmten die Effizienzwerte nicht, Jeanlys schlug den Ball schlicht zu oft in den Block oder ins Aus. "Er ist halt sehr schwankend in seinen Leistungen, was typisch ist für junge Spieler. Und in den wichtigen Spielen hat er eher unterperformt", findet Hauser.

Im Bösen sind sie offenbar nicht auseinandergegangen, Jeanlys galt als Spaßvogel, als gut integriert im Team, auch als einer, der sich selbst nicht zu wichtig nahm. Wissbegierig war er sowieso. "Und manchmal hat er auch getanzt", sagt Herrschings Trainer, der nun trotzdem von einer "Win-win-win-Situation" spricht. Letztlich habe sich Jeanlys ja einfach für das bessere finanzielle Angebot entschieden.

Die Herrschinger weinen dem Mann mit der auffälligen Frisur auch deshalb nicht sonderlich nach, weil sie schon Ersatz gefunden haben. Philipp Schumann, 28, wechselt zunächst einmal bis zum Saisonende vom Lokalrivalen TSV Haching München an den Ammersee. Zu Hilfe kam den Volleys dabei der Umstand, dass die Hachinger wie mit der Liga vereinbart aus finanziellen Gründen ihre Saison bereits nach der Rückrunde beendet haben. Da die Rückrunde vor einer Woche coronabedingt vorzeitig abgebrochen wurde, dürfen sich Hachings nun beschäftigungslose Spieler anderen Klubs anschließen.

Schumann ragte bei den Hachingern bislang deutlich heraus, der Diagonalmann liegt bei den Angriffspunkten auf Platz acht der Liga. Hauser sieht ihn zugleich im Aufschlag wesentlich stärker als Jeanlys. Erfahrener ist Schumann ohnehin: Mit Düren stand er 2020 im Pokalfinale und im vergangenen Jahr im Playoff-Halbfinale. Das waren auch genau die Ziele Herrschings vor dieser Saison, ersteres haben sie bereits verpasst. "Ich freue mich, eins der weltberühmten Lederhosen-Trikots zu probieren", sagte Schumann. Demnächst zieht er von Unterhaching nach Herrsching - in die Wohnung von Samuel Jeanlys.

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