Süddeutsche Zeitung

Volleyball:Allmächtiger

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Die Alpenvolleys Haching fordern im Halbfinale Berlin. Es ist eine der verrücktesten Geschichten im deutschen Volleyball.

Von Sebastian Winter

Am Samstag in Berlin ist Hannes Kronthaler gar nicht dazu gekommen, auf seine Spieler zu schimpfen, zu schnell war das zweite Halbfinale seiner Alpenvolleys Haching bei den Berlin Volleys verloren. Danach gab sich der General Manager versöhnlich in seiner Tiroler Mundart: "I hob ihnen gsagt, vergesst's des Spiel." Im Viertelfinale war das ja noch anders gewesen, da hatte der mächtige Bau- und Tourismusunternehmer seinem Team nach der zwischenzeitlichen Niederlage gegen Herrsching noch die Leviten gelesen, die Spieler als "Trainingsweltmeister" verspottet und ihnen die sportliche Reife abgesprochen. Immerhin hat er nun sein Ziel erreicht, den deutschen Meister zu fordern - und im ersten Duell zu bezwingen. An diesem Mittwoch folgt Spiel drei der Best-of-five-Serie in Innsbruck, Kronthaler frohlockt: "Morgen kriegen wir 2300 Zuschauer in die Olympiahalle, ausverkauft, Allzeitrekord."

Kronthaler, 53, ist für eine der verrücktesten Volleyball-Geschichten verantwortlich. Dafür, dass Österreichs in seiner Liga unterforderter Dauermeister Innsbruck 2017 per Wildcard und Lizenznehmer Unterhaching in die Bundesliga gewechselt ist - und dort nun deutscher Meister werden kann. Dass die Innsbrucker den Titel in einem etwaigen Finale nur in ihrem Nebenwohnsitz Unterhaching, also auf deutschem Boden, gewinnen können, nimmt Kronthaler hin. Weniger begeistert ist er davon, dass mögliche Champions-League-Spiele kommende Saison wohl auch nicht in Österreich stattfinden dürfen. Insofern sind die Innsbrucker immer auch in einem Identifikations-Dilemma, zumal sie mit dem Standort Unterhaching weiterhin fremdeln - und umgekehrt. Aber Kronthaler fand seinen Plan alternativlos, in die wenig strahlkräftige österreichische Liga "möcht i nimmer zurück" betont er.

Wenn Kronthaler kein passabler Kunstturner gewesen wäre, hätte es das transalpine Bündnis wohl nie gegeben. Denn vom Kunstturnen kam der 16-Jährige mit viel Körpergefühl und einer enormen Sprungkraft zum Volleyball, wurde später mit Wien Meister, spielte Champions League, war Rekord-Nationalspieler mit mehr als 150 Länderspielen. Zugleich gelang dem Beachvolleyballer Kronthaler nach eigenen Angaben der Sprung auf Weltranglistenplatz elf, in Duellen mit Größen der Neunziger wie den US-amerikanischen Olympiasiegern Karch Kiraly, Sinjin Smith oder Kent Steffes.

Mit Ende 20 stieg Kronthaler ins Bauunternehmen der Familie ein, das rund 75 Millionen Euro Umsatz macht - "netto", wie er betont. Ihr gehören außerdem ganze Skilifte am Achensee und in Hochfügen im Zillertal. Ein Nobelhotel, das seine Mutter leitete, haben sie vor rund zehn Jahren verkauft, der Nachfolger nannte es daraufhin in "Das Kronthaler" um. Man braucht nicht zu erwähnen, dass die Baugruppe, deren Geschäftsführer der Maseratifahrer Kronthaler mit dem Wunschkennzeichen I-HKRON 1 inzwischen ist, zugleich der zweitgrößte Sponsor der Alpenvolleys ist - nach einer großen Tiroler Bank. "Aber nicht falsch verstehen", sagt Hannes Kronthaler, "wir sind keine Jetsetter. Ansonsten würde ich doch keine Volleyballteam sponsern."

Vor drei, vier Jahren wollte er mit Innsbruck nach Italien auswandern, ins gelobte Volleyballland. Das Vorhaben scheiterte auch an sportpolitischen Scharmützeln. Nun bereichern die Innsbrucker die deutsche Liga, in einem Sport, in den nach wie vor sehr wenige Großgeldgeber investieren. Dass Kronthalers Sohn Niklas ebenfalls in der Mannschaft spielt - und später ins Familienunternehmen einsteigen möchte: eh klar. Der Papa betont, dass sein Filius weder bevorzugt noch benachteiligt werde.

2020, nach dem Ende des Drei-Jahres-Projekts, betont Kronthaler, halte er sich übrigens alles offen, auch den Rückzug. "Aber jetzt bin ich voll motiviert - und voll im Plan."

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Quelle:
SZ vom 17.04.2019
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