Süddeutsche Zeitung

VfL Bochum: Heiko Herrlich:"Der Klub wurde nervös"

Lesezeit: 3 min

Fliegende Wannen, Dispute mit Profis und angeblich raue Umgangsformen: Heiko Herrlich über seine unerwartete Entlassung als Trainer des VfL Bochum - zwei Spieltage vor Saisonschluss.

U. Hartmann

SZ: Herr Herrlich, Sie sind am Donnerstag recht überraschend in Bochum entlassen worden. Ihre Umgangsformen sollen ein Thema gewesen sein, wird nun erzählt. Haben Sie wirklich eine Plastikwanne durch die Kabine getreten?

Heiko Herrlich: So, wie die Mannschaft am Montag trainiert hat, hatte ich allen Grund, eine Wanne durch die Kabine zu treten. Aber nicht in Reichweite der Spieler.

SZ: Was war denn los?

Herrlich: Die Mannschaft hat an diesem Montag unmöglich trainiert, einfach lustlos. Montags und mittwochs ist immer eine halbe Einheit Krafttraining, darüber haben sie sich beklagt. Sie wollten lieber auf dem Platz spielen. Es gab am Dienstag eine Wutrede, ich wollte damit die Spieler wachrütteln. Erst haben sie große Augen gemacht und dann gut trainiert und richtig Vollgas gegeben.

SZ: Und an diesem Mittwoch?

Herrlich: Am Mittwoch habe ich ihnen zeigen wollen, wie man gegen die Bayern bestehen kann. Wir haben den Spielern eine DVD vorgespielt mit einem Interview mit Sami Khedira, in dem er erklärt, warum die Stuttgarter zurzeit so viel Erfolg haben: Weil sie konsequent den Plan vom Trainer umsetzen und sich in keinem Spiel rauslocken lassen. Und dann haben wir noch die Pressekonferenz vom Spiel der Bayern in Nürnberg gezeigt, in der Dieter Hecking erklärt, wie er nach dem Florenz-Spiel der Bayern das Dreier-Mittelfeld umgestellt hat.

SZ: Aber dann gab es auch noch Streit mit ihrem Mittelfeldspieler Joel Epallé.

Herrlich: Er hatte Mittwoch im Training wieder mal keine Scheinbeinschoner an. Ich hatte ihm schon mehrmals erklärt, dass es nicht nur um ihn und die Gesundheit geht, sondern auch um die Signalwirkung für die anderen. Deshalb habe ich ihn diesmal in die Kabine geschickt und gesagt: Dann bleib' drin!

SZ: Montag waren Sie mit dem Training unzufrieden und Mittwoch gab es eine Rüge für den Spieler Epallé - sind das schon die Gründe für die Entlassung?

Herrlich: Am Mittwochabend hatte es noch geheißen, dass mit Joel Epallé darüber geredet wird. Am Donnerstagmorgen wurde mir dann aber meine Beurlaubung mitgeteilt.

SZ: Was sagte man Ihnen?

Herrlich: Um zehn Uhr sollte ich zum Aufsichtsratschef Werner Altegoer kommen, wo er mir zusammen mit den Geschäftsführern Ansgar Schwenken und Thomas Ernst mitgeteilt hat, dass ich beurlaubt bin. Spieler hätten sich über den rauen Umgangston beschwert, hieß es.

SZ: Ein Schock für Sie?

Herrlich: Ich habe ganz gute Antennen für Dinge, die um mich herum passieren. Aber dass man mir jetzt plötzlich vorwirft, ich hätte den falschen Umgangston angeschlagen, ist fragwürdig. Man braucht nur mal Zitate der Spieler aus der jüngeren Vergangenheit herauszusuchen, wie begeistert sie vom Training waren, von der emotionalen Ansprache und so weiter. Und jetzt wird plötzlich behauptet, dass ich bei den Spielern kein Vertrauen mehr genieße und mich im Ton vergreife.

SZ: Vor einer Woche hatte VfL-Sportdirektor Ernst noch gesagt, man würde auch mit Ihnen in die zweite Liga absteigen und dann etwas Neues aufbauen. Haben die Ereignisse der Woche die Meinung der Entscheidungsträger so geändert?

Herrlich: Offenbar haben sich wirklich Spieler beschwert. Ich hatte dem Vorstand von Anfang an gesagt, dass ich nur so stark bin, wie der Vorstand mich macht. Wir müssen in unserer Situation eine absolute Einheit bilden. Aber wenn Spieler in Bochum offenbar die Gelegenheit haben, sich bei Leuten aus der Führungsebene zu beklagen, dann hast du als Trainer keine Chance. Das habe ich früher mal in Dortmund erlebt. Dann können die Verantwortlichen hundertmal sagen: Wir halten zum Trainer.

SZ: Es hieß im Umfeld des VfL zuletzt, die Mannschaft wäre Ihnen nicht mehr gefolgt, Ihre Ansprachen wären zu emotional gewesen und es gebe einen Riss zwischen dem Team und Ihnen.

Herrlich: Vor Wochen war scheinbar alles noch gut, aber wenn das nun der Grund dafür sein soll, dass die Spieler ihre Leistung nicht mehr bringen, dann können sie das ja jetzt beweisen, indem sie unter einem neuen Trainer mit einer anderen Ansprache ihre Leistung wieder abrufen. Ich habe mich nicht sehr verändert in den paar Monaten.

SZ: Wie ist denn Ihre Ansprache?

Herrlich: Die taktische Vorbereitung machte meistens mein Co-Trainer Iraklis Metaxas. Darauf beziehe ich mich dann auch noch mal, und dann versuche ich, die Spieler emotional zu packen, mit Herz und Willen.

SZ: Hat die Mannschaft gemeutert? Gab es gegen Sie einen Spieleraufstand?

Herrlich: Das weiß ich nicht. Grundsätzlich gilt: Wenn Spieler eine Chance wittern, zwischen Trainer und Vorstand zu grätschen, dann wird es für den Klub schwer. Wenn Spieler wissen, zwischen Trainer und Vorstand passt kein Blatt Papier, dann ist die Situation eindeutig. Der Klub wurde nervös, als es nicht so gut lief.

SZ: Haben auch Sie Fehler gemacht?

Herrlich: Doch: Dass ich nicht im Winter schon auf bestimmte Personalentscheidungen gedrängt habe. Wir hätten zum Beispiel schon früher einen neuen Torwarttrainer holen müssen.

SZ: Haben auch die Misserfolge Ihr Verhältnis zur Mannschaft belastet?

Herrlich: Klar. Ich wollte vieles neu machen beim VfL und die Strukturen verbessern. Aber wenn die Spieler die Chance haben, sich dagegen zu entscheiden, wenn deren Wort beim Vorstand und im Aufsichtsrat so viel Gewicht hat - okay. Ich hatte den VfL Bochum auf dem vorletzten Tabellenplatz übernommen und bin überzeugt, dass wir den Klassenerhalt geschafft hätten. Aber jetzt bin ich Sportsmann und wünsche dem Verein trotzdem, dass er es noch schafft.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.937014
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 30.04.2010
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.