Süddeutsche Zeitung

Verletzung von Claudio Pizarro:Ein Stadion schreit "Neeeiin!"

Lesezeit: 2 min

Nach 15 Minuten humpelt Claudio Pizarro gegen Bayern vom Platz und ganz Bremen klagt und bangt. Doch wie wichtig ist der 38-Jährige wirklich für das Werder-Spiel?

Von Carsten Scheele, Bremen

In einer perfekten Heldengeschichte hätte Thomas Delaney den Ball natürlich in den Winkel gedroschen. Die Nachspielzeit lief, das Weserstadion brüllte, ganz Bremen lechzte nach dem Ausgleich, als der Ball am Strafraum in hohem Bogen zu Delaney geflogen kam. Der Däne nahm ihn selbstbewusst volley aus der Luft, doch verfehlte das Tor überdeutlich.

Kurz darauf war die Partie abgepfiffen, trotzdem applaudierten die Werder-Fans voller Dankbarkeit. Nur 1:2 (0:2) gegen den FC Bayern, welch Wohltat nach all den 0:4, 0:6 oder 0:7 gegen die Münchner in jüngerer Vergangenheit. Es machte sich sogar das Gefühl breit, dass mehr drin gewesen wäre als eine achtbare Niederlage. "Wir hätten einen Punkt verdient gehabt", klagte Milos Veljkovic. Werder-Torwart Felix Wiedwald erklärte, er sei in der zweiten Halbzeit "nahezu beschäftigungslos" gewesen. Ein Indiz, dass die abstiegsbedrohten Bremer tatsächlich mitgehalten hatten.

Die Angst der finalen Blessur schwingt mit

Dass es nicht zu mehr als zum formidabel herausgespielten Anschlusstreffer durch Max Kruse (53.) reichte, lag zum einen an den Bayern, die mit purer individueller Klasse schon in der ersten Halbzeit zwei Tore vorgelegt hatten, durch Arjen Robben (30.) und David Alaba (45.). Vielleicht aber auch daran, dass ausgerechnet Claudio Pizarro gegen seinen früheren Verein nach 15 Minuten vom Platz musste. Der Bremer Volksheld, schon 38 Jahre alt, verletzte sich ohne Gegnereinwirkung, er trat an zum Sprint, stoppte ab, fasste sich hinten an den Oberschenkel, schoss den Ball aus Enttäuschung ins Aus.

Verletzt sich Pizarro, schwingt immer die Angst mit, dass es die finale Blessur sein könnte, die seine Karriere beendet. Ein kollektives "Neeeiin" hallte durchs Weserstadion, an der Seitenlinie schrie Trainer Alexander Nouri ebenfalls seinen Frust heraus. "Ein bitterer Verlust", sagte Nouri später. Pizarro zog sich nach ersten Erkenntnissen eine Muskelverletzung zu, wie lange der Stürmer diesmal ausfällt, ist ungewiss. Sportchef Baumann rechnet damit, "dass er das ein oder andere Spiel fehlen wird".

Maximilian Eggestein holt sich ein Sonderlob ab

Bislang galt in Bremen, dass Pizarro trotz seines nahezu biblischen Alters nicht zu ersetzen ist. Allerdings konnte der Peruaner schon lange nicht mehr richtig helfen, im Gegensatz zu Kruse, der Pizarros Platz als Chefangreifer längst eingenommen hat. Pizarro mag ein wichtiger Faktor in der Kabine sein, ein guter Typ und Hoffnungsspender für viele Fans. Doch Pizarro ist in dieser Saison noch ohne Tor, seit mehr als 700 Minuten wartet er auf einen Treffer. Schon vor Wochenfrist beim BVB hatte Werder die beste Phase, als Pizarro ausgewechselt war. Diesmal kam nach einer Viertelstunde der junge Maximilian Eggestein, 20, der seine Sache wirklich gut machte und sich von Nouri ein Sonderlob abholte.

Ob mit oder ohne Pizarro - in Bremen macht sich die Sorge breit, dass es sehr eng werden könnte in dieser Spielzeit. Werder liegt nur auf Platz 15, Konkurrenten im Abstiegskampf wie Ingolstadt punkten plötzlich. Mittelfeldmann Zlatko Junuzovic mochte sich das Lob für die gute Leistung gegen die Bayern deshalb gar nicht anhören. "Die Realität ist eine andere", warnte er. Bloß nicht blenden lassen von starken 30 Minuten in einem Bonusspiel gegen die Münchner. Am kommenden Sonntag in Augsburg geht es bereits um viel mehr.

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SZ vom 29.01.2017
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