Süddeutsche Zeitung

Vanessa-Mae in Sotschi:Aus der dritten Liga zu Olympia

Lesezeit: 2 min

Wie konnte sich die berühmte Violinistin Vanessa-Mae überhaupt für die Olympischen Spiele qualifizieren? Sie nutzte ein unterklassiges Rennen, um die Norm zu erfüllen - wie die deutsche Medaillen-Hoffnung Maria Höfl-Riesch.

Von Michael Neudecker

Varin Tansuphasiri hat vor ein paar Tagen über die Nachrichtenagentur Reuters wissen lassen, dass die Entscheidung steht. Thailand werde sein Kontingent für die Olympischen Winterspiele ausschöpfen und zwei Athleten schicken, sagte der Chef des Nationalen Olympischen Komittees, nämlich einen Mann und eine Frau: Kanes Sucharitakul und Vanessa-Mae.

Kanes wird bald 22 Jahre alt und ist Skirennfahrer in den Disziplinen Slalom und Riesenslalom, Vanessa-Mae Vanakorn Nicholson ist 35, hat neben der thailändischen auch die britische Staatsbürgerschaft und spielt eigentlich Geige. Das NOK wartet nur noch auf die offizielle Bekanntgabe durch den Skiweltverband, das soll dieser Tage geschehen.

Die Nachricht, dass Vanessa-Mae bei Winter-Olympia startet, hat für Aufregung gesorgt, es ist ja eine schöne Geschichte: Berühmte Violinistin wedelt für Thailand den Skihang hinunter. Gute PR auch, weshalb nun die Frage auftauchte: Wie lief das eigentlich mit der Qualifikation? Kann es sein, dass es Rennen gibt, bei denen sich eine Violinistin für Olympia qualifiziert?

Wenn man in der Skiszene Trainer oder Funktionäre fragt, bekommt man als Antwort meist eine Gegenfrage: Warum nicht?

Voraussetzung für Olympia ist eine gewisse Punktzahl bei Fis-Veranstaltungen, im Weltcup, Europacup oder bei Fis-Rennen. Letztere gelten als dritte Liga der Skirennfahrer, in der Talente Rennpraxis bekommen, aber auch länger verletzte Spitzenathleten ihr Renngefühl wiederfinden sollen.

Vanessa-Mae hat zwischen dem 11. und 19. Januar an fünf Fis-Rennen im Riesenslalom teilgenommen, zuerst an einem in Italien, danach an vier in Krvavec/Slowenien. Die Rennen in Slowenien waren ausschließlich mit jüngeren, unerfahrenen Athletinnen aus östlichen Ländern besetzt, wie die meisten Fis-Rennen, die Slowenien veranstaltet; Vanessa-Mae war da offensichtlich nicht mehr als eine Teilnehmerin, die die Plätze zehn, neun, sechs und sieben belegte. Sie erfüllte dabei die Norm, und Wolfgang Maier, der Alpindirektor des Deutschen Skiverbandes (DSV), findet das "völlig in Ordnung".

Er hat zu dem Thema ja auch eine Geschichte beizutragen, in der geht es um Maria Höfl-Riesch.

Dass es Rennen wie jene in Slowenien überhaupt gibt, liegt in der Struktur des Skirennsports: Die Verbände sind die Veranstalter der Rennen, egal, auf welchem Niveau, und genau so, wie Fußballklubs Testspiele bestreiten, organisieren Skiverbände Fis-Rennen.

Die Regularien aber stellt die Fis auf, und Punkt 3.2 der Qualifikationskriterien für Olympia besagte bis vor kurzem: Teilnahmeberechtigt ist nur, wer in der jeweiligen Disziplin mindestens drei Ergebnisse vorzuweisen hat. Höfl-Riesch ist Olympiasiegerin und Weltmeisterin in der Super-Kombination, die in Sotschi aus einer Abfahrt und einem Slalom besteht. In der Super-Kombination gibt es in dieser Saison aber nur zwei Weltcup-Rennen.

Protest aus Österreich

Früh schon haben die Deutschen protestiert, auch die Österreicher, bei denen die Medaillenanwärterin Anna Fenninger betroffen gewesen wäre, oder die Amerikaner, die dann den Weltmeister Ted Ligety nicht hätten nominieren dürfen. Zur Sicherheit aber haben die Deutschen vor der Saison während des Trainingslagers in Chile auch noch zwei Fis-Rennen veranstaltet - extra für Maria Höfl-Riesch. Auch die anderen Deutschen und ein paar junge Athleten anderer Nationen nahmen daran teil, im ersten Rennen wurde Höfl-Riesch Dritte, im zweiten gewann sie. Es waren ihre ersten Fis-Rennen seit sieben Jahren.

Fis-Rennen sind ähnlich einfach zu organisieren wie Fußball-Testspiele, man braucht ein paar Teilnehmer, einen Rennkurs und einen Technischen Delegierten, den die Fis auf Anfrage schickt. Die Rennen in Chile kosteten den Deutschen Skiverband rund 1500 Euro: nicht viel Geld für eine Olympiamedaille.

Damit kein Missverständnis aufkommt, betont Maier noch, dass Nationen wie Deutschland eigene Richtlinien haben, um nur Athleten zu nominieren, die das olympische Niveau erfüllen - und nicht das irgendwelcher Mini-Rennen.

Und: Höfl-Riesch hätte die Fis-Rennen doch nicht gebraucht. Die Fis hat, nachdem die Proteste zunahmen, die Kriterien geändert, es genügt nun, mindestens 80 Punkte in Abfahrt oder Slalom aufzuweisen. Maria Höfl-Riesch hat derzeit im Slalom etwas mehr als doppelt, in der Abfahrt fast sechs Mal so viele Punkte.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1874541
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 29.01.2014
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.