Süddeutsche Zeitung

US-Eishockey:Effizienter Erntehelfer

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Mit sechs Torvorlagen in einem Spiel bestätigt NHL-Profi Leon Draisaitl seine Ausnahmestellung. Teamkollege Dominik Kahun und Liga-Neuling Tim Stützle erzielen jeweils ihre zweiten Saisontreffer.

Von Johannes Schnitzler, München

Leon Draisaitl ist 1,89 Meter groß, selbst nach heutigen Maßstäben gilt das als baumlang. Die Vorstellung, dass man an ihm nur rütteln muss, damit die reifen Früchte herabfallen, ist reizvoll, aber vielleicht doch etwas weit hergeholt. Andererseits: "Wir haben schon auf der Bank gelacht", erzählte Stürmer James Neal nach dem 8:5-Sieg der Edmonton Oilers am Sonntag gegen die Ottawa Senators, zu dem Neal zwei Treffer beigetragen hatte. Denn nicht Neal war der Hauptdarsteller des Abends gewesen und auch nicht Teamkapitän Connor McDavid, dem fünf Scorerpunkte (ein Tor, vier Vorlagen) gelangen. Sondern - wieder einmal - Leon Draisaitl. Sechs Treffer der Oilers bereitete der Kölner vor als letzter oder vorletzter Passgeber (wofür es jeweils Scorerpunkte gibt); er bestätigte damit seine Qualitäten als einer der effizientesten Erntehelfer in der nordamerikanischen Eishockey-Profiliga NHL. Und nach jeder Draisaitl-Beihilfe, verriet Neal, scherzten sie: "Wieder ein Apfel mehr."

Der deutsche Nationalspieler, in der vergangenen Saison bester Scorer und wertvollster Spieler der NHL, fügte seiner Karriere einen neuen persönlichen Rekord hinzu. Mehr als sechs Vorlagen, nämlich sieben in einem Spiel, sind in der mehr als 100-jährigen Geschichte der NHL nur zwei Spielern gelungen: Wayne Gretzky (der das für Edmonton sogar dreimal schaffte) und einem gewissen Billy Taylor Sr. aus Detroit - 1947 war das. Draisaitl wollte sich mit historischen Details freilich nicht aufhalten. "Sechs Scorerpunkte sind schön, super, freut mich - keine Frage. Aber im Endeffekt sind die zwei Punkte wichtiger", sagte der 25-Jährige.

Am Abend zuvor hatten die Oilers Toronto, Tabellenführer der rein kanadisch besetzten Nord-Division der NHL, nach Verlängerung 4:3 niedergerungen, bereits am Dienstag treffen sie abermals auf Ottawa - es geht es Schlag auf Schlag. Das 8:5 gegen das Team aus der Hauptstadt war im elften Spiel erst der fünfte Sieg für Edmonton. "Wir haben es noch nicht geschafft, ein paarmal nacheinander gut zu spielen", sagte Draisaitl. An ihm soll es nicht liegen. "Er ist kein eindimensionaler Spieler", schwärmt Teamkollege Neal. "Seine Pässe sind großartig, er kann Tore schießen, sein Überblick auf dem Eis - er ist ein besonderer Spieler." Davon profitierte auch der andere Deutsche im Oilers-Trikot, Dominik Kahun, der bereits nach acht Sekunden zur Führung traf. Die Vorlage lieferte Draisaitl mit einem gewonnen Bully, genau so, wie sie es im Training geplant hatten. Für Kahun, 25, war es der zweite Saisontreffer.

Alle werden aber überragt vom Duo McDavid/Draisaitl, die mit 22 bzw. 21 Punkten die Scorerwertung der Liga anführen. Draisaitl kam in der vergangenen Saison in 71 Partien auf 110 Punkte, und niemand hätte erwartet, dass in dieser wegen der Pandemie auf 56 Spiele verkürzten Saison irgendein Profi auch nur annähernd an der 100-Punkte-Marke kratzen könnte. Nun sieht es so aus, dass es vielleicht sogar zwei sind - und beide spielen für Edmonton. Frage an Oilers-Coach Dave Tippett: Haben Sie daran schon gedacht? Tippett, 59, ein nüchterner Eishockeylehrer, antwortete: "Nö. Ich denke daran zu gewinnen. Es geht nur ums Team." Insofern dürfte ihm Draisaitls uneitle Reaktion gefallen haben: "An manchen Abenden läuft es für dich, an manchen nicht."

Ähnlich sparsam war Tim Stützle gestimmt. Der 19-Jährige, noch neu in der Liga, hatte für Ottawa zum 4:8-Zwischenstand seinen zweiten Saisontreffer erzielt; froh war er darüber nicht. "Wenn wir acht Tore kassieren, können wir kein Spiel gewinnen", grantelte Stützle. Es ist ja nicht so, dass man die Treffer einfach von den Bäumen schütteln könnte. Die meisten jedenfalls.

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