Süddeutsche Zeitung

Uli Hoeneß:Wütend nur als Privatmann

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Nach seiner letzten Jahreshauptversammlung als Präsident schimpft der 67-Jährige über "Krakeeler".

Von Benedikt Warmbrunn, München

"Lieber Karl-Heinz", sagte Uli Hoeneß, er fummelte mit der linken Hand das Mikrofon zurecht, jetzt, in diesem Moment, in dem nach Jahrzehnten auch eine Männerfreundfeindschaft aus der Öffentlichkeit verschwand, sollte kein Wort verloren gehen. Hoeneß, zu diesem Zeitpunkt am Freitagabend nur noch für wenige Minuten Präsident des FC Bayern, dankte dem Vorstandsvorsitzenden Kalle "Karl-Heinz" Rummenigge für dessen Bericht. "Und dann muss ich dir sagen: Ich wusste gar nicht, dass du so emotional sein kannst." Gelächter in der Olympiahalle. Auch Rummenigge grinste. Hoeneß nahm seine Brille ab, er konnte das gerade richtig genießen, ein letztes Mal durfte er seinen langjährigen Weggefährten vor allen Mitgliedern foppen. "Aber ich finde das wunderbar. Es ist schön, das Leben ist damit einfacher. Dankeschön." Applaus. Hoeneß zog die Brille wieder an, er leitete über zum nächsten Tagesordnungspunkt, "nach dieser sehr emotionalen Rede ..." Neben Hoeneß beugte sich Rummenigge vor, er sagte: "Verarschen kann ich mich selber."

Und so endete das jahrelange Nebeneinander dieser einander sehr speziell verbundenen Männer ungewöhnlich heiter. Rummenigge lachte, so frei und hemmungslos wie selten in der Öffentlichkeit. Hoeneß brüllte beinahe vor Lachen, er klatschte Rummenigge kräftig auf die Schulter.

In diesem Moment zeigte sich, dass der Abschied von Uli Hoeneß von der großen Bühne, von seinen Ämtern als Präsident und Aufsichtsratschef, auch Spannungen löst. Es ging für Hoeneß und Rummenigge nun ausnahmsweise nicht mehr darum, recht zu haben, es ging nicht einmal darum, dass der andere nicht recht hat. Es ging darum, dass einer, Hoeneß, zumindest ein bisschen geht - und dass er dabei ein paar Spannungen mitnimmt, die manche Beziehung in den vergangenen Jahren belastetet, die den Verein manchmal gelähmt oder sogar blockiert hatte.

"Ich habe das so verstanden, dass ich meine Meinung deutlicher sagen kann."

Die Jahreshauptversammlung des FC Bayern am Freitag war wie üblich ein folkloristischer Abend, mit vielen selbstreferenziellen und selbstgefälligen Reden, mit Rekordzahlen, mit mutigen und auch kritischen Wortbeiträgen, mit Rednern wie dem Kutten-Kini, am Schluss mit der Kapelle "14 Hoibe". Sie war aber auch ein Abschied, nie wieder wird Hoeneß bei einer Versammlung oben auf dem Podium sitzen. Und dieser vermeintliche Abschied von Hoeneß aus der ersten Reihe bedeutet für den FC Bayern tatsächlich nicht das Ende der Vereinsgeschichte; er ist auch die Grundlage für einen Neuanfang.

Rein formell hat der Verein an diesem trotz allem auch von Formalitäten geprägten Abend nur für Hoeneß einen Nachfolger als Präsidenten gewählt, Herbert Hainer. Außerdem haben die Mitglieder Hoeneß zum Ehrenpräsidenten gewählt, beides war so erwartet worden. Hainer konnte auch ein paar Sympathien gewinnen, zum Beispiel durch den Satz, dass der FC Bayern "kein kickender Konzern" sei, "und das darf er auch niemals werden". Die schwierige, vielleicht sogar unmögliche Aufgabe, einem so emotionalen und impulsiven Präsidenten wie Hoeneß zu folgen, bewältigte Hainer, indem er erst gar nicht versuchte, sich zu verstellen. Vor der Wahl sagte Hoeneß oben auf dem Podium: "Und wir vom Präsidium, wir schleichen uns." Nach der Wahl ruckelte sich Hainer den Stuhl von Hoeneß zurecht, dann führte er nüchtern durch den restlichen Abend.

Doch Hainer ist nur ein Drittel des Umbruchs auf der höchsten Ebene des Vereins. Und wie sehr die beiden anderen Drittel einbezogen wurden in diese Abschiedsfeier, das war durchaus bemerkenswert.

Oliver Kahn, der im Januar im Vorstand anfangen wird, um dann offiziell nach zwei Jahren Rummenigges Vorsitz zu übernehmen, wurde von den Mitgliedern frenetisch gefeiert, obwohl er bislang keinen Leistungsnachweis als Vorstand geliefert hat. Sogar der professionelle Kahn-Skeptiker Rummenigge erwähnte ihn in seiner (übrigens nicht durchgehend emotionalen) Rede fast euphorisch: "Er war auf dem Platz unser Titan. Wir wissen: Titan rostet nicht, und dementsprechend können wir uns auf einiges gefasst machen." Für Kahn dürfte es ein angenehmer Abend gewesen sein, auch bei den Wortmeldungen der Mitglieder bekam er nur Vorfreude zu hören. "Da hast du viel Arbeit, um diesen Vorschusslorbeeren gerecht zu werden", sagte Hoeneß einmal schmunzelnd. Für Hasan Salihamidzic war der Abend weniger entspannt.

Dem Sportdirektor, der zum 1. Juli zum Sportvorstand befördert werden soll, wurde auch applaudiert, allerdings eher höflich. Der Beifall wurde auch nicht stärker dadurch, dass Hoeneß und Rummenigge den Mann, auf den sie sich 2017 nach einer einjährigen Suche geeinigt hatten, bei jeder Gelegenheit erwähnten und lobten. "Uli, Hasan und ich", das war ein fester Bestandteil in der Rede von Rummenigge. Vielmehr verfestigte sich im Laufe des Abends der Eindruck, dass Salihamidzic, der als Leistungsnachweis schon ein paar Transfers verantwortet hat, wohl eher geholfen wäre, wenn die anderen nicht ständig über ihn redeten, als ob ihm unbedingt geholfen werden müsse.

Später, bei den Wortmeldungen, musste sich vor allem Salihamidzic Kritik anhören, möglicherweise wird er im Laufe der Jahre so routiniert werden wie Rummenigge, der den Vorwurf der fehlenden Menschlichkeit an seiner Schulter abprallen ließ wie zuvor Hoeneß' Klatscher. Wohl auch wegen der Kritik an seinem Zögling sagte Hoeneß später auf der Pressekonferenz: "Bei den Wortmeldungen kam das Chaos, da muss man sich was einfallen lassen. Ich war kurz davor, auf die Bühne zu gehen." Und so beantwortete er die Frage, wie sehr er sich wirklich zurückziehen wird. In den vergangenen Jahren habe er sich "präsidialer verhalten - ich habe das so verstanden, dass ich jetzt meine Meinung deutlicher sagen kann, weil sie nicht automatisch Rückschlüsse auf den FC Bayern zulässt". Der Privatmann und Ehrenpräsident lebte diese neue Freiheit gleich aus, er schimpfte über "Krakeeler", die sich "unter dem Deckmantel der Demokratie und der freien Meinungsäußerung" selbstdarstellen würden. Er sagte: "Wenn es den Leuten partout nicht gefällt, dann können sie auch zu Hause bleiben. Es wird niemand gezwungen, Mitglied beim FC Bayern zu sein."

Es war wieder ein sehr eigenes Verständnis von Meinungsvielfalt. Es war die Wut eines Mannes, der sich zwar von seinen Ämtern zurückgezogen hat, der aber dennoch nicht aufhören wird, seinen Verein zu schützen und so zu gestalten, wie er das für richtig hält.

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Quelle:
SZ vom 18.11.2019
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