Süddeutsche Zeitung

TSV 1860 München:Trauer um die heiße Hose

Lesezeit: 3 min

Trainer Köllner erzählt bunte Geschichten: Vor dem auch aus finanzieller Sicht wichtigen Pokalspiel gegen Frankfurt gibt sich der TSV 1860 überaus geheimnisvoll.

Von Christoph Leischwitz und Philipp Schneider

Kaum auszudenken, was erst los sein könnte beim TSV 1860 München, gewänne der Drittligist an diesem Samstag auch noch seine DFB-Pokalpartie gegen Bundesligist Eintracht Frankfurt. Der einstige Zank- und Stunkverein an der Grünwalder Straße erlebt ja derzeit Tage der ungewöhnlichen Friedfertigkeit - und noch ungewöhnlicheren Einnahmen. Beide Ungewöhnlichkeiten sind kausal miteinander verwoben: Denn dass sich die Gesellschafter vor wenigen Tagen darauf einigten, eine Erhöhung der Zuwendungen des Hauptsponsors um eine Million Euro zu akzeptieren, das wäre in einem anderen Klub zwar selbstverständlich gewesen. Bei 1860 aber ist es das nicht. Dort schlägt Eitelkeit manchmal die Einsichtigkeit.

Es geht im Pokal nun um rund 350 000 Euro, um die der ohnehin stattliche Mannschafts-Etat von 4,5 Millionen Euro noch erhöht werden könnte, sollte 1860 den Bundesligisten bezwingen. Wahrscheinlich ist das nicht. Findet auch Trainer Michael Köllner. Aber unmöglich ist es auch nicht. Deshalb hat Köllner am Freitag eine seiner bunten Geschichten erzählt.

Neulich, unmittelbar vor dem Spiel gegen die Würzburger Kickers, da sei er beim Einkaufen im Supermarkt von einer älteren Dame angesprochen worden, berichtete Köllner. Sie habe ihm viel Glück gewünscht. Nun muss man wissen, dass Köllner sehr selten zum Einkaufen geht. Eigentlich übernehme das seine Frau. Was zu Beginn der Pandemie zur Folge hatte, dass Köllner eine ganze Weile lang noch keinen Mundschutz getragen hatte, wie er damals erzählte. Er war ja permanent zuhause. Gefreut habe er sich schon über den Fan-Beistand. Und nachdem der TSV 1860 München ja schlussendlich auch den Toto-Pokal nach Elfmeterschießen gegen den Zweitliga-Aufsteiger Würzburg gewinnen konnte, und nachdem Köllner diese Woche erneut Glückwünsche von der Dame entgegennahm, wird er bei einem Sieg gegen Eintracht Frankfurt wohl vor jedem Spiel zum Einkaufen gehen müssen.

Allerdings seien die Chancen sehr gering, in die nächste DFB-Pokalrunde einzuziehen, sagt Köllner. Der Gegner sei auf jeder Position besser besetzt. Es gehe darum zu verhindern, dass "Frankfurt sein Spiel auf den Rasen bekommt", um dann über sich hinauszuwachsen. Irgendwie.

Ein bisschen sieht es Köllner auch als Nachteil an, dass die dritte Liga noch nicht, wie sonst üblich, vor dem Pokalauftakt schon in die Saison gestartet ist. "Der Erstligist hat immer aus einer kalten Hose gespielt, der Drittligist hatte eine heiße Hose an", sagt er, jetzt seien nun mal alle kalt. Auch wenn man immerhin schon ein Pokalspiel gewonnen habe, wenn auch nur auf Landesebene. "Es war psychologisch wichtig, das zu gewinnen und uns die Teilnahme am DFB-Pokal selbst erarbeitet zu haben", sagt der 50-Jährige. Die Sechziger wären nämlich auch bei einer Niederlage qualifiziert gewesen, weil Würzburg als Zweitligist gesetzt ist.

Aber das war der Dame im Supermarkt offenbar egal.

Besonders kalte Hosen tragen anscheinend auch noch die beide Zugänge Richard Neudecker und Stephan Salger. Jedenfalls will der Trainer nicht verraten, ob der Mittelfeldspieler und der neue Innenverteidiger diesmal schon in der Startelf stehen werden - gegen Würzburg hatten sie noch keine Freigabe. Der 23-jährige Neudecker ist Rückkehrer und hat auch schon zwei Jahre Erfahrung in der zweiten Bundesliga gesammelt: also dort, wo 1860 wieder hinmöchte. Im Moment sei das Training bei 1860 für ihn noch "schmerzhaft", er sei aber schon in einer relativ guten Verfassung. Es war deutlich herauszuhören, dass 1860 vor dem Spiel seine Karten nicht aufdecken wollte. Natürlich müsse man gegen Frankfurt kompakt stehen. Wie Köllner darüber hinaus taktisch vorgehen möchte, verriet er aber nicht.

Ähnlich wenig verriet auch Sport-Geschäftsführer Günther Gorenzel über die Zwischenstände in seinem Kompentenzbereich. Auf die Frage, ob und wann noch Spieler verpflichtet würden, sagte er: "Unser Fokus liegt auf der Offensive. Eine Verpflichtung muss in unsere Vorstellungen passen, nicht zu den Vorstellungen des abgebenden Vereins."

Am Dienstag noch, bei der ungewöhnlichen Pressekonferenz anlässlich der ungewöhnlichen Etat-Erhöhung, hatte Gorenzel mehr verraten: Es sei keine schlechte Strategie, vor einer Verpflichtung die erste Runde des DFB-Pokals abzuwarten. Dann nämlich würde dem einen oder anderen Erst- oder Zweitligaspieler dämmern, dass er nicht mehr zur Stammelf gehört.

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Quelle:
SZ vom 12.09.2020
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