Süddeutsche Zeitung

TSV 1860 München:Tage der Besessenen

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Gemischte Gefühlslage beim TSV 1860 München: Sportchef Gerhard Poschner ist begeistert vom neuen Trainer Ricardo Moniz. Unterdessen geht der Kirmaier-Prozess in die nächste Runde - mit schlechten Nachrichten für die derzeitige Vereinsführung.

Von Philipp Schneider

Bei 1860 München geht es mal wieder zu wie in einer Tragikomödie. Der Zuschauer durchlebt abwechselnd Momente der Rührung, des Schreckens, aber auch: der Heiterkeit. Und alle Gefühle vermischen sich, wenn einer den Worten des Sportchefs Gerhard Poschner lauscht.

Da hat also der Zweitligist am Mittwoch zu später Stunde nach langem Suchen einen neuen Trainer gefunden. Ricardo Aloysius Frederik Moniz, 49, geboren in Rotterdam, weilte tags darauf auch bereits an der Grünwalder Straße, eine Pressekonferenz zur Präsentation des neuen Übungsleiters wollte der Klub allerdings nicht veranstalten.

Eingeplant ist sie für kommenden Mittwoch. Ob Poschner, immerhin Moniz' Entdecker, dann aber dabei sein wird, ist nicht klar. "Ich weiß gar nicht, ob ich mich einladen darf zu einer Pressekonferenz", sagt Poschner: "Wir müssen aufpassen, dass wir keinen Formfehler begehen." Schrecklich und heiter.

Eine feingeistige Anspielung, dass 1860 an diesem Freitag womöglich Ungemach vor Gericht droht. Der Prozess mit Kläger Helmut Kirmaier geht in die nächste Runde. Die Richterin könnte urteilen, dass das Präsidium um Gerhard Mayrhofer nicht rechtmäßig amtiert, weil bei der Einladung zur Wahlveranstaltung im vergangenen Juli nachweislich grobe Formfehler begangen wurden.

Gleichwohl, sollte es irgendwann eine Präsentation des neuen Trainers geben, wird Ricardo Aloysius Moniz eine Menge zu erzählen haben. Über seine Vergangenheit beim Hamburger SV, bei RB Salzburg, wo er als erster Verantwortlicher das Double aus Pokal und Meisterschaft gewann, und bei Lech Danzig. Aber auch über seine Ideen von Fußball, von denen er offenkundig viele hat.

"Ich habe lieber einen schwierigen Spieler, der sein Herz am rechten Fleck trägt, als einen Mitläufer", sagt er beispielsweise, was eine klare Richtung vorgibt bei der Kaderplanung. Außerdem berichtete er: "Ich versuche, die Spieler so zu konditionieren, dass es nur Fußball gibt. Ich frage oft: Was hättest du, wenn du keinen Fußball hättest? Nichts!"

Und im Training trickst er der Überlieferung nach mit großer Begeisterung seine Abwehrspieler aus. Moniz gilt auch, was bei Sechzig bekanntlich nicht schaden kann, als begabter Talentförderer. Er entdeckte Robin van Persie und nahm in Salzburg den 15-jährigen Valentino Lazaro in den Profikader auf, der mittlerweile österreichischer Nationalspieler ist.

"Wir zahlen ja hier nicht mit Peanuts"

Poschner hat Moniz das erste Mal im Wintertrainingslager in Marbella getroffen, eineinhalb Jahre ist das her. "Er ist mir sofort aufgefallen, weil ihn eine Besessenheit für Fußball auszeichnet", sagt Poschner. "Allein sein Coaching während der Spiele, ich hatte oft die Befürchtung, dass er auf den Platz rennt." Natürlich hat Poschner das nicht wirklich befürchtet.

Trainer, die auf Plätze stürmen, begeistern ihn. Angetan ist er auch von Moniz' Vorstellungen eines "sehr klar strukturierten Offensivfußballs", immer im 4-3-3, immer schnell nach vorne. Regelrecht begeistert ist Poschner vor allem davon, dass niemand im Verein den Namen des Trainerkandidaten vor dessen Vertragsunterzeichnung ausgeplaudert hat. "Das war auch ein kleiner Test von mir, um zu sehen, wie professionell alle arbeiten", sagt Poschner.

Bislang ist Moniz im Fanumfeld des Klubs überaus freudig aufgenommen worden. In den Internetforen wird er schon gefeiert, als sei der Aufstieg kaum noch aufzuhalten. Auch wenn am Donnerstag zugleich der Abschied von Yuya Osako bekanntgegeben wurde - der japanische Nationalstürmer wechselt wie erwartet in die erste Liga nach Köln, trotz argumentativer und finanzieller Bemühungen Poschners.

Finanziell bemüht hat sich Sechzig offenbar auch um den neuen Trainer. In Salzburg bezog Moniz angeblich ein recht stattliches Jahressalär in Höhe von einer Million Euro. "Wir zahlen ja hier nicht mit Peanuts", sagt Poschner, "viele wären froh, in einem Verein mit einem solchen Gehaltsgefüge arbeiten zu dürfen." Selbstbewusstsein ist zu spüren bei Sechzig.

Schön. Selbstbewusst ist dummerweise aber auch Heinz Veauthier, der Anwalt des Klägers Helmut Kirmaier; er scheint sich recht sicher zu sein, die Richterin überzeugen zu können. Seine These, dass das aktuelle Präsidium nicht Vertreter des Vereins sein kann, wird sogar vom Gerichts-Protokoll gestützt.

Dort nämlich wird der Beklagte folgendermaßen bezeichnet: "Turn- und Sportverein München von 1860 e.V., vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden Dieter Schneider." Schneider aber, Sechzigs ehemaliger Präsident, der wohl einzig eine rechtmäßige Einladung zur Mitgliederversammlung hätte aussprechen dürfen, er wird nach Lage der Dinge nicht einmal anwesend sein im Gerichtssaal.

Der "Urheber der Klage", findet Veauthier - und so muss man das ja wirklich sehen - sei nicht Mandant Kirmaier, sondern "der damalige Aufsichtsrat, der die Klage überhaupt notwendig machte." Umso erstaunlicher, dass sich bislang keine der verantwortlichen Personen zu Wort gemeldet hat. Geschweige denn gerechtfertigt hat dafür, wie es eigentlich sein kann, dass eine Klage, die Kirmaier schon seit einem Jahr verfolgt, vollkommen ignoriert worden ist.

Siegfried Schneider, der Vorsitzende des Gremiums, wollte sich auf Anfrage nicht zum Prozess äußern. "Mir ist gesagt worden, dieser Siegfried Schneider sei einmal Chef der Staatskanzlei gewesen. Dort mag er ja nützlich gewesen sein", sagt Veauthier. "Ob er das hier in dem Verein gewesen ist, habe ich noch nicht gesehen. Das ist ein höchstgradig unsportliches Verhalten, wie diese ganze Gruppe von Persönlichkeiten, die dort gehandelt haben, die eigenen Leute reingelegt haben."

Auch eine Klagerücknahme würde dem Präsidium aus Sicht Veauthiers kaum helfen. Weil sie ihre Namen dann noch immer nicht ins Vereinsregister eintragen dürften. Mayrhofer, Altmann und Schmidt müssten, so sehen es die Kläger, für dieses Recht klagen.

Und zwar: gegen den TSV 1860.

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SZ vom 06.06.2014
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