Süddeutsche Zeitung

TSV 1860 München:Geschenke ohne Wert

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Die Löwen unterliegen Waldhof - weil sie im Gegensatz zu den Mannheimern gegnerische Fehler nicht ausnutzen. Die ersatzgeschwächte Abwehr wackelt, doch das größte Problem liegt im Angriff.

Von Christoph Leischwitz

Alles begann damit, dass Sascha Mölders Schwarz sah. Sein Gegenüber, Mannheims Kapitän Marcel Seegert, hatte bei der Platzwahl auf die richtige Farbe gesetzt. Die Münze flog durch die Luft und landete direkt vor dem 1860-Kapitän, Schwarz lag oben, und so spielte Waldhof Mannheim in der ersten Hälfte mit dem Wind. Wohl nicht ganz zufällig drosch Gästetorwart Timo Königsmann nach nur 24 Sekunden den Ball zum ersten Mal mithilfe des Sturms weit nach vorne. Damit begann der rabenschwarze Tag von Semi Belkahia, der mit seinem ersten Abspielfehler einen Angriff einleitete, und diesen beinahe auch noch, am Trikot des Gegners zupfend, mit einer Notbremse beendet hätte.

Rot sah in diesem gegen Ende hitzigen Drittliga-Nachholspiel allerdings niemand, Gelb jedoch so einige (fünf bei den Sechzigern). Was angesichts einer Sperre für Phillipp Steinhart trotzdem die Frage aufwarf, was es nach diesem Spiel eigentlich noch für Gründe gibt, nicht schwarzzusehen; zumindest für die kommende Partie am Samstag (14 Uhr), zu der die Sechziger den Spitzenreiter 1. FC Magdeburg erwarten.

Das 1:3 gegen Waldhof Mannheim war kein Offenbarungseid. Dafür war die Leistung mit Rückenwind, also nach dem Seitenwechsel, ansprechend genug, wenngleich die schwache Chancenverwertung eine Konstante bleibt. Trotz aller Diskussion um die Leistung von Innenverteidiger Belkahia, den Trainer Michael Köllner zur Pause mit einer Auswechslung erlöste: Im Vergleich zur viel stärkeren Vorsaison sind eher die vergebenen Chancen das Problem (zehn Tore weniger), nicht so sehr die Gegentore (drei mehr). Und so vergab Köllner hernach der ersten Halbzeit zwar das Prädikat "schlechteste Leistung der Saison", und dass man nur 0:2 zurücklag, war in der Tat glücklich. Trotzdem gab es nach der Pause genug Gelegenheiten, diese Leistung vergessen zu machen. Man habe den Gegner zum Toreschießen eingeladen, sagte Köllner, man habe ihm "die Punkte geschenkt". Mannheim hatte die Einladungen eben nonchalant angenommen, im Gegensatz zu Sechzig: Der Anschlusstreffer von Richard Neudecker durch die Beine von Mannheims Torwart Königsmann (66.) reicht nicht, wenn man wenig später einen ebenso geschenkten Elfmeter verschießt.

Die vermeintlich designierten Schützen Sascha Mölders und Phillipp Steinhart hatten jeweils schon einen Elfmeter verschossen

Dieser Elfmeter stand dann sinnbildlich für das Selbstvertrauen, das vergangene Saison oft das Spiel prägte und nun fehlt. Als Schiedsrichter Lars Erbst auf den Punkt zeigte (73.), schnappte sich Keanu Staude den Ball. Er sei sich sicher gewesen, meinte Köllner dazu, und: "Die anderen haben es zugelassen, ich denke, das war sicher so nicht abgesprochen." Staude war erst zehn Minuten zuvor ins Spiel gekommen. Die vermeintlich designierten Schützen Sascha Mölders und Phillipp Steinhart hatten in dieser Saison jeweils schon einen Elfmeter verschossen - Staude wiederum hat in seiner Profikarriere noch nie einen Elfmeter geschossen. Klare Ansagen, wer beim nächsten Mal die Verantwortung übernimmt, gab es laut Köllner also nicht. "Keanu hat sich gut gefühlt. Wir haben ihm vertraut", sagte Rechtsverteidiger Yannick Deichmann. Deshalb solle man ihm im Nachhinein auch keinen Vorwurf machen.

Ein Indiz für die obendrein fehlende Abgebrühtheit war ein Foul von Dennis Dressel, das für eine minutenlange Unterbrechung sorgte. Da sei "sicherlich Frust" dabei gewesen, befand auch der Trainer nach Dressels doppelten Tritt von hinten gegen Hamza Saghiri. Die Ungeduld seiner Mannschaft sei der Tatsache geschuldet gewesen, dass Mannheim mit vielen vermeintlichen Verletzungspausen den Sechzigern immer wieder erfolgreich den Spielrhythmus nahm. "Da kann man auf der einen Seite sagen: Das ist clever", merkte Köllner an.

Sechzigs Kader ist ein klein wenig breiter aufgestellt als vergangene Saison. Doch die Gefahr, schon bei wenigen Ausfällen qualitativ abzubauen, ist geblieben. Ein generelles Kaderproblem in der Abwehr sehe er zwar nicht, sagte Köllner, aber es sei "schon schwierig", wenn in Daniel Wein ein defensiver Mittelfeldspieler und in Niklas Lang ein Innenverteidiger verletzt sind, die zum Zeitpunkt der Ausfälle gut drauf gewesen seien - das sei kaum zu kompensieren. Semi Belkahia nahm Köllner so gut es ging in Schutz: "Er hat gute Spiele für uns gemacht." Doch im Zusammenspiel mit Stephan Salger zeigte sich zugleich eine kollektive Verunsicherung, einfachste Absprachen blieben aus und sorgten für Gegentorgefahr.

Was Salger so allerdings nicht auf sich sitzen lassen wollte: "Die ganze Mannschaft steht da mit in der Verantwortung, da sind nicht nur die beiden Innenverteidiger die Deppen. So einfach ist das nicht." Es bedarf am Samstag ohnehin einer kollektiven Steigerung. Magdeburg weist statistisch die beste Abwehr und den besten Angriff der Liga auf.

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