Süddeutsche Zeitung

Triathlon:Nebengeräusche auf dem Speedway

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Der Triathlon in Daytona Beach wird von den Athleten wohlwollend angenommen - die Ausrichter haben aber längst Größeres vor. Es geht um eine neue Rennserie, Einfluss in der Szene und viel Geld.

Von Johannes Knuth, Daytona/München

An seinen Fertigkeiten in der mentalen Kriegsführung hat Sebastian Kienle nichts eingebüßt, das hatten die Tage vor dem großen Rennen schon gezeigt. Der einzige Weg, den Wettstreit in Daytona Beach auf seine Seite zu ziehen, hatte der Deutsche gewitzelt, sei es, einen "Nuklearkrieg" anzuzetteln. Was er meinte: Die mittellange Strecke in Florida - zwei Kilometer Schwimmen, 80 Kilometer Radfahren, 18 Kilometer Laufen - würde den Experten von der Kurz- und Mitteldistanz mehr schmecken; weniger den Fachmännern für die stundenlange Schinderei auf der Langstrecke, wie Kienle. Der Schlachtplan des 36-Jährigen zerfiel dann aber recht früh: Er stieg mit Wadenproblemen beim Radfahren aus. Eine, Pardon, klassische Fehlzündung.

Aber selbst Kienle verließ den Küstenort am Ende mit wohligen Gefühlen, wie alle Mitstreiter: Weil die Pandemie in diesem Jahr fast alle Triathlons aus dem Kalender geräumt hatte, hatte sich in Daytona ein illustres Feld an die Startlinie gedrängelt, je 60 Frauen und Männer, vom Kurzdistanz-Olympiasieger Alistair Brownlee bis zur Ironman-Siegerin Anne Haug, allesamt dankbar für die seltene Gelegenheit. Natürlich mit Abstand und ohne Publikum, weil die Profis im legendären Motorsportoval von Daytona Rad fuhren, liefen und sogar schwammen, in einem See in der Mitte der Anlage. Das reichte natürlich nicht an den Ozean und die Lavawüste beim Ironman auf Hawaii heran, aber die Mitwirkenden in Daytona waren auch so vom zarten Aufbruchsgeist erfüllt. Das Rennen soll auch den Anbruch einer neuen Ära begründen. Mit allen Nebengeräuschen, wenn etwas Neues auf Altbekanntes prallt.

Eine neue Organisation ringt um Einfluss - und viel Geld

Im Triathlon, auf der Mittel- und Langdistanz, konkurrieren seit Jahren zwei Serien um Profis und Amateure: Der Ironman-Konzern, mit seinem Klassiker auf Hawaii, und das fränkische Challenge-Unternehmen, das sich als familiärer Gegenpol etabliert hat, mit seinem Höhepunkt in Roth. Die Athleten können frei entscheiden, wo sie starten; wer auf Hawaii mitmachen will, muss sich aber bei einem oder mehreren der rund 230 Ironman-Events weltweit qualifizieren. Auch sonst stößt das intransparente Gebaren von Ironman häufig auf Unmut. Zuletzt wurde die Marke mal wieder weitergereicht: von der chinesischen Wanda-Gruppe, die Ironman erst vor fünf Jahren für 650 Millionen Dollar erworben hatte, an den US-Medienkonzern Advance, für nun 730 Millionen.

Und der Finanzhaushalt der Athleten? Die Deutsche Laura Philipp, am Sonntag Dritte hinter Landsfrau Anne Haug und Siegerin Paula Findlay aus Kanada, beklagt, dass Ironman seine Preisgelder zuletzt "krass reduziert" habe: "Wenn man heutzutage nur von Ironman-Rennen lebt, ist es als Profi wirklich schwer zu überleben." Schon vor der Pandemie, wohlgemerkt. Selbst auf Hawaii ist der Preisgeld-Topf zuletzt stark geschrumpft, auf insgesamt 650 000 Dollar; die Sieger erhalten je 120 000 Dollar. Das verdient ein Tennisprofi, der in Wimbledon die dritte Runde erreicht. Für die Zehntplatzierten auf Kona blieben zuletzt 10 000 Dollar übrig - für den Rest gar nichts mehr. Das erhöht den Druck auf die Breite, wie US-Veteran Tim O'Donnell jetzt der New York Times erzählt hat: Eine kleine Elite könne nach wie vor gut von Preisgeldern und Sponsoren profitieren und sich die teure Tüftelei an Rädern, Schwimmanzügen und Schuhen leisten, zum Teil mit Ingenieuren im Windkanal. "Die meisten anderen", sagt O'Donnell, "versuchen einfach nur, ihren Lebensunterhalt zu stemmen."

Genau dort setzt nun die Professional Triathlon Organization (PTO) an. Eine Interessensvertretung, in der sich mittlerweile 350 Athleten gefunden haben; wie in vielen Athletenbewegungen weltweit, die sich nicht mehr zufriedengeben, als stumme Gladiatoren durch die Manege gescheucht zu werden. Der Vorteil der PTO: Sie werden vom Investor Michael Moritz getragen, der sein Milliardenvermögen als Risikoanleger gemacht hat. Moritz hatte zuletzt sogar - erfolglos - versucht, die Ironman-Marke zu übernehmen. Mittlerweile sichert er sich über die PTO Einfluss, indem er Rennen wie in Daytona, das offiziell unter der Flagge von Challenge stattfindet, ein Preisgeld von 1,15 Millionen Dollar spendiert. Und nicht nur bis zu Platz zehn, der in Daytona noch mit 20 000 Dollar prämiert wird, sondern "viel gleichmäßiger", bis Platz 40, wie Laura Philipp wohlwollend beobachtet: "Für uns ist es auf jeden Fall gut, wenn es jemanden gibt, der noch eine weitere Rennszene aufbauen will."

Und diese Pläne sind ambitioniert, vier große Wettkämpfe pro Jahr, mit je einer Million Dollar Preisgeld, dazu ein Team-Wettkampf, angelehnt an die Grand-Slams im Tennis. Einer der Architekten dahinter ist Chris Kermode, der sich als Chef der, klar, Tennis-Tour der Männer einen Namen gemacht hat. Das Format der neuen Wettkämpfe soll dem kürzeren in Daytona ähneln, um den TV-Stationen entgegenzukommen und den Athleten natürlich, der Belastung wegen. In Daytona zeigte sich schon einmal ein Reiz des neuen Modells: Die späteren Sieger - der Norweger Gustav Iden und Paula Findley, zwei Experten für die mittlere Distanz - mussten sich bis zum Ende dem Drang der Langstreckenexperten erwehren, Findley wurde von Haug sogar fast noch abgefangen.

Die PTO weiß natürlich, dass ihnen die Investoren nur treu bleiben, wenn sich eine größere Fangemeinde für ihr neues Geschäft begeistert, und mit ihr Fernsehen und Sponsoren. Die ersten Rezensionen fielen jedenfalls sehr wohlwollend aus. Das Rennen in Daytona, ausgeschrieben als PTO-Meisterschaft, sei stärker besetzt gewesen als die Ironman-WM zuletzt auf Hawaii, befand Anne Haug. Die hatte auf Kona immerhin gewonnen.

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