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Triathlon:Aufgehalten nur vom Gang auf die Toilette

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Bei der Europameisterschaft in Hamburg verteidigt Laura Philipp ihren Titel über die Langdistanz - und stellt die bislang beste Zeit einer Frau bei einem Ironman-Wettkampf weltweit auf.

Von Anna Dreher, Hamburg/München

Sehr wahrscheinlich hätte Laura Philipp das Ziel noch früher erreicht, hätte die Blase nicht so sehr gedrückt. Aber beim Wechsel vom Fahrrad zum Laufen musste die 35-Jährige nun mal auf die Toilette - die Uhr lief gnadenlos weiter, so ist das Reglement. Ihr Wettkampf am Pfingstsonntag in Hamburg verlief trotz dieses Zwischenstopps erfolgreich: Die Triathletin verteidigte bei der Ironman-Europameisterschaft ihren Titel und stellte dabei noch die beste Zeit überhaupt einer Frau bei einem Wettkampf der Ironman-Marke auf. "Wow, was für ein Rennen", schrieb sie später bei Instagram: "Ich bin so stolz auf meinen Körper, meinen Geist und mein Team für diese Leistung."

Philipp setzte sich am Sonntag nach 3,8 Kilometern Schwimmen, 180 Kilometern auf dem Rad und einem Marathonlauf um die Binnen- und Außenalster überlegen durch, in 8:18:20 Stunden. Vor einem Jahr war sie im finnischen Kuopio-Tahko (8:38:29) ebenfalls die EM-Schnellste gewesen. Nun in Hamburg hatte sie allein mehr als 18 Minuten Vorsprung auf die Zweitplatzierte, die Amerikanerin Chelsea Sodaro. Jemals schneller als Philipp ist bisher lediglich die Britin Chrissie Wellington gewesen, die bei der Konkurrenz-Serie Challenge in Roth 2011 sieben Sekunden früher ins Ziel kam.

In der Lausitz wird am Sonntag unter speziellen Bedingungen ein ganz eigenes Rennen ausgetragen

Dass sie überhaupt mitmachen würde, hatte Philipp kurzfristig entschieden. "Ich habe mir angeschaut, wie das Wetter wird. Denn in Kraichgau war es schon sehr kühl", sagte die Heidelbergerin mit Blick auf ihren Sieg eine Woche zuvor beim Ironman 70.3 über die halb so lange Distanz. "Nach dem Sieg letzte Woche dachte ich, dass ich die Volldistanz absolvieren kann, aber ich hätte nie erwartet, dass das Rennen so schnell werden kann."

Anfang Mai hatte Philipp wegen einer Corona-Infektion nicht an der von 2021 nachgeholten Ironman-WM in Utah teilnehmen können. Den Sieg in Hamburg - bei der fünften Auflage erstmals EM-Austragungsort - bezeichnete sie nun als "Revanche" dafür, dass sie den US-Wettkampf verpasst hatte: "Ich habe alles rausgehauen, was ich in mir hatte." Vor dem Rennen hatte sie kritisiert, dass nur wenige der Elite-Starterinnen aus Europa gekommen waren. "Das ist völliger Schwachsinn in meinen Augen. Das entwertet das Rennen für uns Europäerinnen", sagte sie der Hamburger Morgenpost.

Ein paar Kilometer entfernt wurde in der Lausitz unter speziellen und streitbaren Bedingungen ein ganz eigenes Rennen ausgetragen, im Rahmen eines Rekordversuchs. Der norwegische Ironman-Weltmeister Kristian Blummenfelt unterbot dabei in 6:44:26 die magische Marke von sieben Stunden und lag damit weit unter jener Bestzeit in einem regulären Rennen von 7:21:12, die der 28-Jährige selbst aufgestellt hat. Der Brite Joe Skipper schaffte die Distanz in 6:47:36 Stunden.

Bei den Frauen - die unter acht Stunden bleiben wollten - kam Katrina Matthews nach 7:31:54 ins Ziel, vor Nicola Spirig aus der Schweiz (7:34:19). Fabelzeiten von fraglichem Wert: Das Windschattenverbot, einer der Kerngedanken des Langstrecken-Triathlons, wurde aufgehoben, und Tempomacher waren erlaubt. Von den Deutschen hatte Jan Frodeno sich gegen dieses Experiment entschieden; Anne Haug, die Hawaii-Weltmeisterin von 2019 und zuletzt WM-Dritte in Utah, war laut ihrem Management gar nicht angefragt worden; Philipp hatte sich für die EM entschieden.

Ihr nächstes großes Ziel sei nun die prestigeträchtige Ironman-WM auf Hawaii im Oktober, sagte Philipp, 2019 war sie dort Vierte geworden. Wegen Corona fiel die Veranstaltung 2020 und 2021 aus - ausgerechnet, als sich Philipp nach ihrem EM-Sieg so sehr im Aufwind spürte. Aber diesen Schwung hat sie sich nun ja aufs Neue geholt.

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