Süddeutsche Zeitung

Tom Starke beim FC Bayern:Zeit der Gesten

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Beim FC Bayern erlauben sie sich mittlerweile, auch im Tor zu rotieren. Ersatztorhüter Tom Starke weiß, dass er nur den Back-up von Manuel Neuer gibt. Doch je eher die Münchner Meister werden, desto öfter könnte er demnächst zum Einsatz kommen.

Von Boris Herrmann

Das Schöne an diesem FC Bayern ist ja, dass es mit ihm nie langweilig wird. Sicherlich, die Ergebnisse sind zumindest im alltäglichen Ligabetrieb relativ absehbar. Und klar, die Gegner kommen selten an den Ball, was auf Dauer auf den Betrachter durchaus ein wenig narkotisierend wirken kann. Abseits des Platzes ist, zugegeben, auch nicht mehr so viel los wie früher, als noch der FC Hollywood für Skandale sorgte.

Wahrscheinlich halten sich diese Guardiola-Bayern sogar an die Geschwindigkeitsbegrenzungen, wenn sie in ihren schnellen Autos vom Trainingsplatz nach Hause fahren. Es lohnt sich aber trotzdem immer wieder, dieser Mannschaft beim Gewinnen zuzuschauen, denn man sieht fast jedes Mal neue Gesichter. Am Sonntag, beim 4:0 in Hannover, war zum Beispiel der fast schon vergessene Bastian Schweinsteiger dabei. Und natürlich der noch viel vergessenere Tom Starke.

Es sei schon länger die Überlegung gewesen, Starke mal zu bringen, weil er nie schlechte Laune verbreite und neben dem Spielfeld ein unglaublich wichtiger Faktor sei, verriet Sportchef Matthias Sammer. Wenn beim FC Bayern der Ersatztorhüter spielt, dann ist meist schon Frühling und die Meisterschaft entschieden. Eine Geste nennt man das dann.

Diesmal kann die Zeit der Gesten also im Februar beginnen. Das hängt natürlich damit zusammen, dass die Wintertabelle längst wie eine Frühlingstabelle aussieht mit ihren 19 Punkten Sicherheitsabstand zwischen dem Tabellenersten und dem Zweiten. Trotzdem war Starke, 32, in Hannover nicht nur als Geste dabei, sondern als tadelloser Rückhalt.

Wäre er zwei Zentimeter kleiner und sein Haar etwas voller, dann wäre von den Tribünen gar nicht zu erkennen gewesen, dass es nicht Neuer war, der in der Anfangsphase einmal glänzend gegen den heranstürmenden Artjoms Rudnevs gerettet hatte; der wenig gefordert wurde, aber immer da war, wenn man ihn brauchte; und der einmal in großer Not sogar einen Übersteiger zeigte, wie ihn sie sich sonst nur Bayerns Stammkeeper traut.

Starke bringt es in seinen gut eineinhalb Münchner Jahren nun immerhin auf vier Ligaspiele. Und er hat sich dabei noch kein einziges Gegentor eingefangen. Was den Verdacht erhärtet, dass die Münchner nicht nur den besten Torwart, sondern auch den besten Ersatztorwart der Branche beschäftigen. "Ordentlich gespielt, zu null, gewonnen - hat Spaß gemacht heute", fasste Starke seinen Arbeitstag zusammen.

Wenn etwas Spaß macht, dann weckt das natürlich Begehrlichkeiten. Bestreitet Starke ja gar nicht. "Ich bin ja auch nur ein Mensch, ich führe auch nur mein Hobby aus. Und natürlich würde ich es gerne ein bisschen häufiger ausführen", gab er in Hannover zu. Sein Problem ist bloß: Manuel Neuer macht sein Hobby auch Spaß. Und die Laune des Welttorhüters hat natürlich Vorrang.

Starke wusste, was auf ihn zukommt, als er 2012 von Hoffenheim zum FC Bayern wechselte, um den stets bereiten, aber anspruchslosen Back-up für einen wie Neuer zu geben. Er hat sich dafür entschieden, so gut wie nie zu spielen, aber dafür so gut wie alle Titel zu gewinnen. Bloß nicht quengeln, lautet seine wichtigste Aufgabe. Deshalb sagt er jetzt auch: "So wie es läuft, ist es ja abgesprochen."

Der unbezwingbare Starke wird sich also wieder klaglos auf die Bank setzen und tapfer auf seinen nächsten Hobbyeinsatz warten. Immerhin, er wird dabei ein gutes Gewissen haben. Denn er weiß ja: "Auch wenn ich nicht gespielt habe, lief es nicht so schlecht für uns."

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SZ vom 25.02.2014
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