Süddeutsche Zeitung

Tennis:Dampflok von Weltformat

Lesezeit: 3 min

Sogar die Gegner freuen sich: Nach 26 Jahren bestreitet Tommy Haas wieder ein Match für den Tennisclub Großhesselohe und siegt. Die ehemalige Nummer zwei der Weltrangliste ist immer noch ein Publikumsmagnet.

Von Johannes Müller, Pullach

Tommy Haas hatte sich soeben in dem Pavillon eingefunden, in dem er der Presse noch ein paar Fragen beantworten sollte. Die Verantwortlichen des Tennisclubs Großhesselohe hatten pflichtbewusst ein Papierschild mit seinem Namen aufgestellt, so als bestünde Verwechslungsgefahr. Haas fragte aber scherzhaft nach etwas ganz anderem: "Wo sind denn die Colaflaschen? Die hätte ich jetzt weggestellt", genau wie der portugiesische Asket Cristiano Ronaldo während einer PK bei der laufenden Fußball-EM. Haas war also gelockert nach seinem Matchgewinn, mit dem er dem TCG im Heimspiel gegen den TVA 1860 Aschaffenburg zu einem 6:3-Auftaktsieg in die Herren-30-Bundesliga Süd verhalf.

Nach mehr als 26 Jahren hat der inzwischen 43-Jährige erneut für jenen Verein aufgeschlagen, für den er 1995 im zarten Alter von 17 Jahren seine ersten Bundesligaspiele bestritt. Es folgte eine Weltkarriere, die ihm 15 ATP-Titel einbrachten sowie olympisches Silber in Sydney 2000. Dass er noch immer fit ist und ein begnadeter Tennisspieler dazu, zeigte er den Zuschauern auf dem Center Court an der Pullacher Straße - nach Vereinsangaben waren mehr als 400 gekommen, um Haas spielen zu sehen. Der erste Satz im Match gegen Aschaffenburgs Pirmin Hänle ging mit 6:1 deutlich an Haas, der mit der kraftvollen Spielweise seines Gegenspieler zunächst kaum Probleme hatte. Der gebürtige Hamburger zeigte ein überlegenes und variantenreiches Tennis und ließ sein Gegenüber (meist umsonst) laufen. Immer wieder streute er Stoppbälle ein oder punktete mit seiner technisch perfekten einhändigen Rückhand longline, seit jeher Haas' Signatur auf dem Tennisplatz.

Aber Hänle biss sich hinein in dieses Match. Im zweiten Satz sahen die Zuschauer ein ausgeglicheneres Duell mit famosen Ballwechseln, welche sie mit Raunen und stürmischem Applaus quittierten. Haas wirkte zunehmend fahrig, seinem Spiel kam die Präzision abhanden, was auch mit dem Kräfteverschleiß zu tun hatte, wie er anschließend einräumte. Die Stoppbälle, die Hänle im ersten Satz noch ins Schwitzen gebracht hatten, landeten nun häufig im Netz, sein Rückhandslice gerieten zu lang. Beim Stand von 3:3 schnaufte Haas wie eine Dampflokomotive.

"Du bist so blind", hadert Haas mit sich selbst - er bleibt Wettkämpfer durch und durch

Doch da war er dann, der unbedingte Wettkämpfer Tommy Haas, den die Tennisfans viele Jahre lang auf der Tour beobachten konnten. Er nehme es sich ja durchaus vor, einfach aus Spaß zu spielen , sagte Haas nach dem Match, "aber das geht irgendwie nicht. Es ist seit jungen Jahren so eingeprägt, dass ich immer gewinnen will." Wie zu besten Zeiten fing Haas Mitte des zweiten Satzes also an, einen mürrischen Monolog zu führen. Nachdem er einen an sich sehenswerten Ball knapp ins Aus gespielt hatte, grummelte er etwa, für alle gut vernehmlich: "Du bist so blind, der muss rein." Das Publikum reagierte mit vereinzelten "Auf geht's Tommy!"-Rufen und Klatschen. Als Haas kurz darauf einen glücklichen Punkt durch Netzroller erzielte, entschuldigte er sich pflichtbewusst, brachte das Publikum aber auch mit der Aussage zum Schmunzeln, "das ist der einzige Weg, hier einen Punkt zu machen". Haas fand dann doch noch andere Wege, mit all seiner Klasse rang er Hänle schließlich 7:5 nieder.

Im Anschluss stand der Wahlamerikaner, der seit 2017 Turnierdirektor des Masters von Indian Wells ist, für jedes Erinnerungsfoto zur Verfügung und signierte alles, was ihm die Zuschauer hinhielten. Ein weiteres Spiel wird er wohl noch bestreiten diese Saison für Großhesselohe, bevor es zurückgeht nach Kalifornien. Am 24. Juli steht das prestigeträchtige Münchner Derby gegen den MTTC Iphitos an, da wäre Haas gern dabei. Auch zukünftige Auftritte für den TCG wollte er nicht ausschließen, schließlich habe er bei diesem Verein ja eine Vergangenheit, "und von den Jungs, die ich hier kennengelernt habe, waren viele in Amerika auf dem College, das ist so die lockere coole Art und genau so eine Gruppe, wo man gern dabei ist."

TCG-Trainer Jaro Becka hat ebenfalls das Gefühl, dass sich "der Tommy" in Großhesselohe wohlfühlt. Es sei natürlich ein Glanzlicht, einen solch profilierten Tennisspieler im Isartal zu Gast zu haben, "sogar unsere Gegner haben sich darüber gefreut, dass er da war". Dass sein Team einen Saisonauftakt nach Maß vor großer Kulisse bieten konnte, freute ihn nach zweijähriger Matchpause besonders. Der erneute Ligaverbleib sei das Ziel, und das Pfund der Mannschaft bliebe ihr Zusammenhalt. Schließlich spielten einige bereits seit 20 Jahren zusammen. "Wenn man mir damals gesagt hätte, dass ich mich mit dieser Chaotentruppe sieben oder acht Jahre in der Bundesliga halte, hätte ich ,never ever' gesagt." Mit der Hilfe von Tommy Haas könnten es noch ein paar Jahre mehr werden.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5341959
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.