Süddeutsche Zeitung

Tennis:Blockade gelöst

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Nach dem ersten Fed-Cup-Tag steht es zwischen Rumänien und Deutschland 1:1. Kerber gewinnt, Petkovic verliert, zeigt aber ansteigende Form.

Von Philipp Schneider, Cluj/München

Oft lässt sich das Ausmaß der Enttäuschung eines Sportlers an der Geschwindigkeit seines Abgangs bemessen. Beim Boxen verhält es sich so, dort gibt es: Wertung, Handshake (manchmal auch nicht), Flucht im Scheinwerferlicht. Aber auch: beim Tennis. Wenn sich der Sieger nach dem Matchball vor dem manchmal gar tosenden Publikum feiern lässt, ist das kein Ort, an dem sich der Verlierer länger als unbedingt notwendig aufhalten mag. Seine Gedanken kreisen dann um ein erfrischendes Duschbad, oder zumindest einen Teller mit Pasta.

Andrea Petkovic hatte es sehr eilig am Samstagnachmittag nach ihrem 4:6, 7:6 (5), 4:6 gegen Simona Halep. Die rumänische Spitzenspielerin stand noch auf dem Sandplatz in der Sala Polivalenta Arena in Cluj-Napoca und hielt eine offenbar sehr ergreifende, in jedem Fall aber leidenschaftliche Ansprache auf Rumänisch, als Petkovic schon mit Sauseschritt und wehender Tennistasche in Richtung Umkleidekabine eilte. Man mochte ihr das nachsehen. Allein schon, weil sie des Rumänischen nicht mächtig ist. Aber Anlass zur Enttäuschung gab es eigentlich nicht, hatte Petkovic doch im Spiel gegen Halep, der ehemaligen Nummer zwei und gegenwärtigen Nummer sechs der Welt, besser und vor allem länger mitgehalten, als es die meisten Beobachter vor diesem Relegationsspiel im Fed Cup von ihr erwartet hätten.

Und so stand es am Ende des ersten Wettkampftages in Rumänien wie erwartet 1:1. Weil die Australian-Open-Siegerin Angelique Kerber zuvor in 86 Minuten Irina-Camelia Begu mit Leichtigkeit ausgespielt und 6:2, 6:3 gewonnen hatte. Die Entscheidung über den Verbleib in der Weltgruppe der besten acht Nationen oder Abstieg in die Zweitklassigkeit fällt damit frühestens im vierten Einzel. Kerber bekommt es am Sonntag (12 Uhr MESZ) im Duell der Spitzenspielerinnen mit Halep zu tun. Für das folgende Match sind bislang Petkovic und Begu nominiert, Änderungen sind aber möglich. Auch die Besetzung des Doppels ist auf beiden Seiten noch offen.

58 unerzwungene Fehler - aber phasenweise hochklassiger Sport

"Ich werde Andrea gleich anfeuern und hoffe, dass ich mit dem 1:0 ein wenig Druck von ihr genommen habe", sagte Kerber nach ihrem flotten Auftakterfolg gegen die Nummer 35 der Welt. Wohlwissend, dass die Erwartungen stets ein sehr ambivalente Begleiter in Petkovic' Karriere waren. Im Fed Cup, gerade vor heimischem Publikum, haben sie die Darmstädterin schon oft beflügelt. Ziemlich genau vor einem Jahr, beim 4:1 gegen Australien, steuerte Petkovic nicht nur zwei Punkte bei, in Stuttgart spielte sie sich im Kreise der Mannschaft von Barbara Rittner auch aus einer ihrer in Schüben wiederkehrenden Lebenskrisen, die immer auch Tenniskrisen sind. Manchmal aber werden die Erwartungen auch zu Dämonen. Petkovic ist ein reflektierter Mensch, und auf dem Tennisplatz kann Selbstreflexion schnell zur Selbstblockade führen.

Die gute Nachricht, die nun von diesem Auftaktsamstag in Cluj bleiben wird, ist diese hier: Die deutschen Einzelspielerinnen sind in Form. Eine Woche nach ihrer erschöpfungsbedingten Aufgabe im Halbfinale von Charleston schlug Kerber die Bälle erstaunlich locker aus der Hüfte. Und auch Petkovic scheiterte letztlich weniger an sich selbst (obwohl ihr die heftige Zahl von 58 unforced errors unterliefen), sondern an einer etwas besseren Simona Halep.

Es war ein zerfahrenes, aber phasenweise hochklassiges Duell, in dem Petkovic in den entscheidenden Momenten ein paar kleine Fehler mehr unterliefen als ihrer Gegnerin. Im zweiten Satz stand Petkovic schon kurz vor der Niederlage. Bei 5:4-Führung servierte Halep zum Matchgewinn, doch Petkovic nahm ihr den Aufschlag ab, glich zum 5:5 aus und rettete sich schließlich in den Tiebreak. Petkovic spielte mutig, wagte sich oft ans Netz, trieb Halep in dieser Phase vor allem mit ihrer Vorhand vor sich her: 4:1, 4:2, dann 6:3. Bis auf 6:5 kam Halep heran, doch im Schlüsselmoment stürmte Petkovic nach vorne, verwandelte einen Flugball aus dem Halbfeld zum Satzausgleich und zwang so ihre zähe Gegnerin in die Verlängerung.

Viel Kraft ließ die Rumänin im Spiel gegen Petkovic, weitaus mehr als Kerber in ihrer Partie gegen Begu. Der Unterschied könnte sich noch als wichtig erweisen, wenn die Spitzenspielerinnen am Sonntag aufeinandertreffen. "Es wird ein anderes Match, eine andere Gegnerin", ahnt Kerber, "sie spielt sehr gut auf Sand, es wird hart."

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SZ vom 17.04.2016
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