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Tennisspieler Andre Agassi:Rebell auf dem Thron

Vor genau 25 Jahren erklimmt Andre Agassi erstmals die Weltranglistenspitze. Kurz danach stürzt er ab, nimmt Crystal Meth - und kämpft sich doch wieder ganz nach oben. Über einen exzentrischen Tennisspieler.

Von Lisa Sonnabend

Kurz bevor Andre Agassi die Nummer eins der Welt wird, rasiert er sich die Haare ab. Die lange Mähne, auch wenn sie irgendwann nur noch ein Toupet ist, passte perfekt zu seinem Image als Tennisrebell und Paradiesvogel, sie flog bei jedem Ballwechsel hin und her. Doch nun: ein kahler Kopf. Mit neuer Frisur siegt Agassi im Januar 1995 bei den Australian Open, holt im März den Titel beim Masters in Miami gegen Pete Sampras und wird am 10. April 1995 - also vor genau 25 Jahren - erstmals in seiner Karriere Weltranglistenerster. Agassi steht ganz oben, doch wenig später stürzt er ganz tief.

Als 16-Jähriger bestreitet Andre Agassi 1986 sein erstes Match auf der Profitour ATP, zwei Jahre später ist er bereits der drittbeste Spieler der Welt. Kaum ein anderer ist so talentiert wie der Amerikaner, kaum einer spielt so leidenschaftlich und risikofreudig, kaum einer beherrscht das Grundlinienspiel wie er, niemand trägt derart schillernde Outfits auf dem Platz. Drei Jahre lang weigert sich Agassi, in Wimbledon anzutreten, weil er sich nicht der strengen weißen Kleiderordnung beugen will. Als er 1992 dann doch erstmals zum prestigeträchtigsten Tennisturnier der Welt anreist, spaziert er bis ins Finale gegen Goran Ivanisevic und gewinnt seinen ersten Grand-Slam-Titel.

Nach eher enttäuschenden Monaten engagiert Agassi 1994 den ehemaligen Tennisrüpel Brad Gilbert als Trainer. Er arbeitet nun fokussierter, spielt geduldiger, drischt noch härter. Als ungesetzter Spieler tritt Agassi bei den US Open an - und gewinnt im Finale gegen Michael Stich. Bei den Australian Open im Januar 1995 folgt dann sein dritter Grand-Slam-Titel und wenig später erklimmt der 25-Jährige den Tennisthron.

Doch danach verliert Agassi oft früh, er streitet öffentlich mit Boris Becker - und dann folgt ein Match, das seiner Karriere einen tiefen Knacks gibt. Im Halbfinale der US Open 1995 ringt Agassi in einem kräftezehrenden Duell Becker nieder, im Finale tritt er dann angeschlagen gegen den reservierten Pete Sampras an, seinen großen Rivalen. Agassi verliert die enge Partie mit 6:4, 3:6, 4:6 und 5:7. "Wenn du nicht der Letzte bist, der gewinnt, bist du ein Verlierer. Und am Ende verliere ich immer, weil da ist immer Pete. Wie immer Pete", schreibt Agassi in seiner viel beachteten Biographie "Open", die 2009 erscheint. Wenig später verliert er die Position an der Weltranglistenspitze an Sampras - und seinen Biss und seinen Willen. Agassi stürzt ab.

1996 holt er in Atlanta zwar Olympiagold, doch es plagen ihn eine Handgelenksverletzung, er spricht später darüber, wie er in dieser Zeit begann, Tennis immer mehr zu hassen und Crystal Meth zu konsumieren. Doch 1998 ist Agassi wieder da und wird 1999 erfolgreicher als je zuvor. Er siegt bei den French Open und hat nun alle vier Grand-Slam-Titel mindestens einmal gewonnen. Das war zuletzt Rod Laver drei Jahrzehnte zuvor geglückt. Nach einer Finalniederlage in Wimbledon ist er tatsächlich wieder zurück an der Spitze der Weltrangliste.

Als Agassis Rücken immer mehr schmerzt, beendet er 2006 nach einer Niederlage gegen den Deutschen Benjamin Becker seine Karriere. Inzwischen ist er mit Steffi Graf verheiratet, die Hochzeit fand 2001 statt. Agassis Bilanz nach zwei Jahrzehnten auf der Tennistour: 60 Turniersiege im Einzel, darunter acht Grand-Slam-Titel. Insgesamt 101 Wochen lang ist der unangepasste Profi die Nummer eins der Welt. Seine Karriere verläuft so turbulent wie bei kaum einem anderen Tennisprofi.

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